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Sportchronist Rudolf Wehmeier (r.) spricht im Atrium des Elsbachhauses über die Herforder Sportgeschichte in der Nazi-Zeit. Heinz Schürkamp (daneben), seit 60 Jahren Mitglied im Herforder Kanuklub, hält derweil die Vereinsfahne des ehemaligen Arbeitersportverein Vorwärts Herford. - © FOTO: ULRICH FINKEMEYER
Sportchronist Rudolf Wehmeier (r.) spricht im Atrium des Elsbachhauses über die Herforder Sportgeschichte in der Nazi-Zeit. Heinz Schürkamp (daneben), seit 60 Jahren Mitglied im Herforder Kanuklub, hält derweil die Vereinsfahne des ehemaligen Arbeitersportverein Vorwärts Herford. | © FOTO: ULRICH FINKEMEYER

Als ein Verein zerschlagen wurde

Chronist Rudolf Wehmeier über eine Zeit besonderer Sportgeschichte

Von Ulrich Finkemeyer
12.03.2014

Herford. Immer wieder steht die symbolträchtige Vereinsfahne des ehemaligen Arbeitersportverein Vorwärts Herford am Anfang seiner Betrachtungen, wenn Rudolf "Rudi" Wehmeier, Verfasser einer fünfbändigen Vereinschronik des Vorwärts-Nachfolgevereins VfL Herford, über Herforder Sportgeschichte referiert.

Jetzt war Chronist Wehmeier einer Einladung des "Kulturanker e. V. - Vereinigung von Kulturschaffenden in Herford" gefolgt und sprach im Atrium des Elsbachhauses vor rund 50 Interessierten, die mehr über die Sportzeit von 1933 bis 1945 zu erfahren wünschten. Die Idee, das 78-jährige Ehrenmitglied des VfL Herford für diesen Vortrag zu gewinnen, kam dem Vorsitzenden des Vereins Kulturanker, Hans-Jürgen Buder, als Wehmeier vor zwei Jahren über die Geschichte des VfL Herford nach 1945 gesprochen hatte. "Wir sind hier zusammen gekommen, um mehr über diese Zeit besonderer Sportgeschichte zu erfahren", sagte Buder in seinem Begrüßungswort zum Wehmeier-Vortrag.

Die Vereinsfahne von Vorwärts Herford war in die Hände des Nachfolgevereins VfL Herford übergegangen und hatte auf einem Dachboden versteckt die Nazi-Zeit überstanden, schilderte Wehmeier eingangs. Im Zuge der Gleichschaltung waren 1933 die Arbeitersportvereine verboten. In Herford traf es Frisch Auf Herringhausen, Eichenkranz Herford und den Großverein VfL Herford mit seinen rund 1.000 Mitgliedern in Turn-, Fußball-, Handball-, Wander- und Tennisabteilung, in einer Theatergruppe und im Bläsercorps. Nicht einmal drei Jahre zuvor hatte sich der Verein für Leibesübungen aus den Turnvereinen Jahn Herford, Vorwärts Stiftberg Herford und Turnerbund Stiftberg gebildet. Heinrich Schmiedeskamp war der erste Vorsitzende des Fusionsvereins und einer der Unterzeichner des Vereinsauflösungsprotokolls vom 2. Juni 1933. Die Stadtverwaltung Herford hatte zuvor eine angedachte Fusion mit dem Herforder Boxverein abgelehnt. Das alles entnahm der Vortragende entsprechenden Dokumenten.

Wehmeier berichtete dann über diverse Aktivitäten des Arbeitersportvereins VfL Herford in der Zeit von 1929 bis 1933 und über den Sportlertreff im Gewerkschaftsdomizil "Volkshaus" am Alten Markt. Den 1. Mai, Feiertag der Arbeit, ließen die Hakenkreuzträger noch zu. Am Tag darauf wurden die Gewerkschaften zerschlagen, das Volkshaus von den Nazionalsozialisten gestürmt.

Zerstreut in alle Winde, so Chronist Wehmeier weiter, suchten sich in dieser dunklen Zeit die Mitglieder des aufgelösten VfL Herford neue Vereine, wie Turnklub, Boxverein, Union 08 und Freiwillige Feuerwehr, die alle von der Willkür der neuen Machthaber verschont geblieben waren.

Der Boxverein schickte zwei Kämpfer zu Gaumeisterschaften. Der Kanuklub feierte seine beiden Silbermedaillen-Gewinner bei den Olympischen Spielen 1936. Auch die Mitglieder von Union 08 Herford konnten sich ungestört dem Sportprogramm widmen, wie ein von Rudolf Wehmeier vorgelegtes Programmheft, das zu einem "Werbe-Abend" am 14. April 1934 in Brockmanns Berggarten einlädt, belegt. In einer Festschrift zum 50-Jährigen Bestehen des SV Union ist eine durchgängig rege Aktivität belegt. Dann stoppten 1944 und 1945 Bombenangriffe die Sportaktivitäten in Herford. Nach Kriegsende fanden sich bald die alten VfL-Pioniere zusammen. "Hauptsache, wir haben einen Ball und einen Sportplatz", gab Wehmeier die Aufbruchstimmung wieder.