"Meet a Jew" Arminia Bielefeld: Wenn sich die Schüco-Arena in eine Stadionschule verwandelt

Bielefeld. "Wie oft am Tag betest du?", "Wie viele Juden gibt es auf der Welt?" oder "Was passiert nach dem Tod?" – mit diesen und weiteren Fragen haben Achtklässler der Bielefelder Gesamtschule Rosenhöhe am Donnerstagmittag Studentin Julia im Sechzehner-Klub gelöchert. Mit viel Zeit und Witz ging die 24-Jährige aus Lübeck, die in Bielefeld Politikwissenschaften im Master studiert, auf die Schülerinnen und Schüler ein. Die Gesprächsrunde war Abschluss eines Workshops zu "Antisemitismus und jüdisches Leben" der "Stadionschule" in der Schüco-Arena. Bereits seit 2010 bietet das Fanprojekt Bielefeld gemeinsam mit Partnern wie Arminia Bielefeld die Alm als außerschulischen Lernort an. Dabei steht neben der politischen Bildung auch die Berufsorientierung der Schüler und Schülerinnen im Fokus. Dieses Jahr wurde erstmals der Workshop zu jüdischem Leben angeboten, wie Dominic Ionescu vom Fanprojekt erklärt. "Wir versuchen in der Stadionschule, den Fußball und das Stadion als besonderen Ort dafür zu nutzen, um eine Klasse für Themen zu begeistern, für die sie in der Schule vielleicht nicht so zugänglich sind – wie die Berufsorientierung." Man habe so einen ganz anderen Zugang zu den Jugendlichen. "Wir haben immer eine lange Warteliste, weil die Schülerinnen und Schüler hier ganz viel machen und ausprobieren können. Diese Mischung ist toll", berichtet Claudia Hilse von der Regionalen Personalentwicklungsgesellschaft, kurz REGE. So durften die Achtklässler etwa selbst unter Anleitung Fliesen schneiden. "Es ist nah an den Schülerinnen und Schülern dran", fand auch Klassenlehrerin Evelina Wrobel. Neben der Stadt Bielefeld finanzieren die DFL-Stiftung und die von-Laer-Stiftung die Stadionschule, zudem gibt es für die Workshops eine Förderung vom Antisemitismusbüro des Landes NRW. Über Geschichten Geschichte verstehen Den Workshop gestaltete auch Christina Tacken von Zweitzeugen e. V. mit. Der Verein erzählt die Geschichten von Überlebenden des Holocaust. "Die Kinder und Jugendlichen werden durch das Weitererzählen dieser Geschichten zu Zweitzeugen", erklärt Tacken das Konzept. Berührt zeigten sich die Schülerinnen und Schüler von der Lebensgeschichte Michaela Vidlakovas. Diese war 1942 als Sechsjährige mit ihrer Familie aus Prag in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert worden. "Über die persönlichen Geschichten lernt man, die Geschichte zu verstehen", stellt Tacken heraus. Arminia Bielefeld hat über seinen ehemaligen Präsidenten Julius Hesse (1909 bis 1914 im Amt) seine eigene Geschichte dazu. Hesse war Kaufmann und Inhaber des Schuh- und Sportgeschäfts "Hesse & Co." in der Bielefelder Altstadt. Er erlebte als Jude erst den Boykott und die Repressionen durch die Nationalsozialisten, dann wurde er in der Reichspogromnacht verhaftet und zwei Tage später in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Nach seiner Entlassung lebte das Ehepaar Hesse faktisch mittellos. Am 12. Mai 1943 erfolgte die Deportation in das KZ Theresienstadt. Dort starb Hesse am 6. März 1944. Einblicke in jüdische Gegenwart Doch was hat dies nun mit den Leben der 13- bis 14-jährigen Schüler zu tun? Dafür war Studentin Julia da. Seit 2018 engagiert sie sich ehrenamtlich bei "Meet a Jew". Das Begegnungsprojekt des Zentralrats der Juden in Deutschland vermittelt unter dem Motto "Miteinander statt übereinander reden!" individuelle Einblicke in den Alltag und die jüdische Gegenwart. Um etwa das jüdische Lichterfest Chanukka zu erklären, nennt Julia diesen Vergleich: "Stellt euch vor, ihr seid in einem Wald, und euer Handyakku hat nur noch 10 Prozent. Der ist doch sonst nach einer halben Stunde leer. Und auf einmal halten diese 10 Prozent acht Tage lang. Das ist doch ein Wunder." So ähnlich sei das damals im Tempel mit dem Öl für die Kerzen gewesen. Deshalb zünde man heute an acht aufeinanderfolgenden Tagen jeweils eine neue Kerze der Chanukkia, des neunarmigen Leuchters, an. Beim Fazit des Workshops waren sich die Achtklässler schnell einig. "Mir hat alles gefallen", war die häufigste Antwort. Das Projekt soll bald in die nächste Runde gehen.

"Meet a Jew" Arminia Bielefeld: Wenn sich die Schüco-Arena in eine Stadionschule verwandelt

Mehr zum Thema

Arminia-Newsletter

Wunderbar. Fast geschafft!