Hamburg. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hatte vor dem Spiel gegen die Niederlande eine glänzende Ausgangsposition, weil sie ja bereits das Spiel in den Niederlanden mit 3:2 gewonnen hatte. Deshalb dürfte man einverstanden sein mit der Maßnahme des Bundestrainers Joachim Löw, sein Heil in Hamburg nicht in der bedingungslosen Offensive zu suchen. Kontrolle, so konnte man meinen, sei das Ziel des Bundestrainers gewesen. Wahrscheinlich hätte seine Mannschaft das Spiel einfacher kontrollieren können. Wenn sie offensiver hätte spielen dürfen. Das wäre auch artgerechter gewesen.
Die Dreierkette wächst zu einer formidablen Fünferkette
Der Hinweis auf die Abwehrformation „Dreierkette" verheißt mathematisch, dass nur drei statt der handelsüblichen vier Verteidiger in der Viererkette sich auf Verhindern von Torchancen konzentrieren (und hier und da das Spiel eröffnen). Nun war es mit der Löwschen Dreierkette aber so, dass sie durch die äußeren Mittelfeldspieler Lukas Klostermann rechts und Nico Schulz links konsequent zu einer formidablen Fünferkette anwuchs. Davor agierten noch die beiden „Sechser" Joshua Kimmich und Toni Kroos, quasi als Wellenbrecher. Das war der Aufstellung so nicht zu entnehmen gewesen, es kam schließlich immer noch auf die Interpretation derselben an.
Folglich bot die DFB-Elf ein Spiel, an dem die „alte Nationalmannschaft" bei der WM 2018 und danach so krachend gescheitert war: Ohne Esprit, ohne Wucht, ohne Überzeugung. Durchaus mit einzeln gesetzten Glanzlichtern, wie von Torvorbereiter Kimmich oder Torschütze Serge Gnabry – aber eben nicht konsequent auf diese Tugenden bauend. Sondern nur auf sie hoffend.
Die ganz auf Abwehr ausgerichtete Mannschaft zeigt sich damit völlig überfordert
Die Einordnung der Bedeutung dieses Spiels muss dennoch ausgewogen erfolgen: Löw hat sich taktisch verzockt, weil er zu defensiv spielen ließ (was nur eine Halbzeit lang einigermaßen gutging). Danach zeigte sich die ganz auf Abwehr ausgerichtete Mannschaft damit völlig überfordert. Jetzt, wie so oft zuvor, den Bundestrainer wieder infrage zu stellen oder auch eine neue neue Mannschaft zu fordern (immerhin ist Abwehrboss Niklas Süle schon 24) wäre aber wohl verfrüht. Übers Wochenende wäre dies nur schwerlich zu realisieren – und schon am Montagabend kann Löw über seine Aufstellung auf dem Papier und die Einstellung auf dem Feld zeigen, dass er gelernt hat. In Nordirland, beim Tabellenführer der EM-Qualifikationsgruppe C, zu verlieren, könnte nämlich den tiefsten Tiefpunkt aller Tiefpunkte einleiten. Dabei dachten wir doch alle, den hätte es schon gegeben. In Russland.