Missbrauchskomplex "Familiensexclan auf dem Campingplatz": War der Täterkreis im Fall Lügde noch größer?

Düsseldorf/Lügde. War das Täternetzwerk rund um den Missbrauchskomplex von Lügde größer als bislang angenommen? Dieser Verdacht liegt nach Zeugenvernehmungen und Aktenauswertungen in den Augen der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag nahe. Von einem "Familiensexclan" auf dem Lügder Campingplatz spricht jetzt Andreas Bialas. Der Vorwurf des SPD-Obmanns im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Landtag lautet: Die Ermittler hätten sich zu stark auf die zwei Haupttäter konzentriert und dabei die Ermittlungsverfahren gegenüber weiteren potenziellen Tätern verschleppt. "Wir sehen teilweise ein sehr deutliches Versagen", sagt Bialas. Der SPD-Politiker lobt die Ermittler zwar dafür, dass es ihnen gelungen sei, die zwei Haupttäter Mario S. und Andreas V. strafsicher vor Gericht zu bringen, sodass diese letztlich für sexuellen Missbrauch an 32 Kindern zu 13 und 12 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden sind. Doch zugleich zeige sich den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses immer mehr, dass Verdachtsmomenten gegenüber weiteren potenziellen Tätern nicht mit der gleichen Aufmerksamkeit nachgegangen worden sei, sagt Bialas. Konkret fest macht Bialas seine Vorwürfe anhand weiterer Mitcamper aus dem Bekanntenkreis der zwei Haupttäter. So habe es auf dem Campingplatz in Lügde einen "Familiensexclan" gegeben mit einem heute über 60-jährigen Mann, der direkt neben Haupttäter Mario S. gewohnt und zeitweise sogar mit diesem in einem Wohnwagen gelebt habe. In diesen Familienkreisen habe es mindestens 16 Opfer gegeben – darunter Kinder, Enkelkinder und ehemalige Partnerinnen des Mannes, erklärt Bialas. "Kein Kind ist davon gekommen." Bisher sei nicht klar, ob dieser Täterkreis Beihilfe zum Missbrauch geleistet oder selber Opfer vergewaltigt habe. Weitere Zeugenvernehmung im U-Ausschuss Der heute über 60 Jahre alte Mann soll in der Vergangenheit mit einem 15-jährigen Mädchen zusammengewesen sein. Der Sohn des Mannes habe am 17. Januar 2019 eine Anzeige wegen Beihilfe erhalten, weil er die Kinder zu den Tätern gebracht haben soll. Dieser Anzeige seien die Ermittler aber erst im Oktober, also zehn Monate später, nachgegangen, schildert Bialas die bisherige ihm verfügbare Aktenlage. Der Bruder des Seniors habe zudem für dreieinhalb Jahre wegen sexuellen Missbrauchs im Gefängnis gesessen. "Wie kann es sein, dass 16 Opfer aus dem unmittelbaren Familienbereich dieses Mannes stammten, aber nur Mario S. und Andreas V. verhaftet wurden?", fragt Bialas. "Es liegt der Verdacht nahe, dass das Täternetzwerk größer ist als bislang angenommen." Tatsächlich wurde während der damaligen Ermittlungen auch die Parzelle des heute über 60-Jährigen durchsucht. Ein Verfahren gegen den Mann wurde laut Staatsanwaltschaft Detmold aber eingestellt, weil kein hinreichender Tatverdacht bestanden habe. Bialas zeigt sich "verwundert", dass es in einzelnen Bereichen "so zaghafte Ermittlungen" gegeben habe. Seine Kritik richtet sich auch direkt an die Polizisten der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) &bdquo;Eichwald“, die die Ermittlungen 2019 von der lippischen Polizei übernommen hatten. Wann und wie konkret diese auch gegen weitere Tatverdächtige ermittelt hätten, sei dem Untersuchungsausschuss bislang nicht mitgeteilt worden, moniert Bialas. So könne der Ermittlungsleiter wegen eines Burnouts nicht erneut im Düsseldorfer Ausschuss aussagen. Deshalb ist zu dieser Sitzung dessen Führungsassistent geladen. Man werde die Ermittlungen weiter genaustens unter die Lupe nehmen, kündigt Bialas an. Kritik übt die SPD derweil auch an den politischen Strukturen. Das Land habe beim Kinderschutz noch immer keinen Durchgriff, interpretiert Bialas eine Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage der SPD-Fraktion. Jedes Jugendamt interpretiere seine gesetzliche Aufgabe selber; es gebe keine Standards und brauche deshalb dringend eine übergreifende Fachaufsicht.

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