Jeden zweiten Tag Sprengung "Kriegsähnliche Zustände": Automatensprenger gehen in NRW immer brutaler vor

Bielefeld. Geldautomatensprenger halten die Sicherheitsbehörden in NRW weiter in Atem. Auch 2023 scheint die Serie an Explosionen in Banken kein Ende zu nehmen, auch in der Region Ostwestfalen schlugen die Täter bereits zu. Ein aktueller Fall zeigt, wie skrupellos die Täter dabei vorgehen. Bereits 15 Sprengungen hat das Landeskriminalamt (LKA) in NRW im ersten Monat des Jahres erfasst (Stand: 2. Februar 2023) - fast jeden zweiten Tag eine Sprengung. In einem Fall schlugen die Täter in Minden zu und zerstörten eine Volksbank-Filiale regelrecht. Ob NRW auch 2023 unter den kriminellen Banden so sehr zu leiden haben wird wie in dem Jahr zuvor, ist jetzt kaum abzusehen: 2022 knallte es ganze 182 Mal, davon exakt 20 Mal in OWL. Bundesweit waren es vergangenes Jahr 493 Sprengungen - ebenfalls Rekord. Laut Sicherheitsbehörden wurden bis zu fünf Sprengungen in einer Nacht erfasst. Die Täter verwenden zudem immer öfter festen Sprengstoff, statt eines Gasgemisches. Experten warnen daher vor noch größeren Gefahren. Ermittler verorten die Täter zu einem Großteil in den Niederlanden. Hier haben sich kriminelle Banden auf das Sprengen von Geldautomaten spezialisiert, es gibt gar Berichte von regelrechten Trainingscamps der Kriminellen. Vor allem junge Männer mit marokkanischen Wurzeln aus dem Großraum Utrecht und Amsterdam seien für die Sprengungen verantwortlich, so Ermittler. Mit hochmotorisierten Autos - bevorzugt Audi RS - kommen sie nachts über die Grenze, schlagen in wenigen Minuten zu und flüchten mit enormen Geschwindigkeiten über die Grenze. Mit Laserpointer geblendet Ein aktueller Fall zeigt dabei, wie skrupellos die Kriminellen dabei vorgehen. In Kierpse (Märkischer Kreis) sprengten Kriminelle einen Automaten, flüchteten danach mit einem PS-Boliden. Die Polizei nahm die Verfolgung auf. Die drei Gangster sollen während der 40 Kilometer langen Verfolgungsjagd Laserpointer genutzt haben, um die Polizisten in ihren Autos zu blenden. Mit hoher Geschwindigkeit raste das Trio durch geschlossene Ortschaften. Schließlich landeten die Kriminellen in einer Sackgasse, flüchteten zu Fuß weiter und wurden schließlich gefasst. Bei den Verhafteten soll es sich um drei Niederländer im Alter von 23 bis 24 Jahren handeln. Wegen der Geldautomatensprenger hat NRW bereits seit Jahren eine eigene Ermittlungskommission mit dem Namen "Heat" eingerichtet. Seit 2015 haben die Ermittler etwa 190 Personen festgenommen, allein im vergangenen Jahr waren es 23 Tatverdächtige. Zuletzt hat das LKA in NRW alle bekannten Geldautomaten einer Risikobewertung unterzogen. Zentrale Frage: Wie bedroht ist der Automat, ausgehend beispielsweise von Standort oder Anschluss an Autobahnen? Das Ergebnis wurde den Banken zur Verfügung gestellt. "Leben und Sachgüter sind Kriminellen völlig egal" Erst am Donnerstag gelang Ermittlern aus Bayern und Baden-Württemberg ein Erfolg gegen die Sprenger-Banden. Bei einem großen Einsatz mit Razzien in den Niederlanden sowie Belgien wurden neun Verdächtige gefasst. Sie sollen für gut 50 Sprengungen im süddeutschen Raum verantwortlich sein und dabei etwa 5 Millionen Euro Beute gemacht haben. Trotz jüngster Erfolge in Bayern oder NRW bei der Fahndung nach den Tätern warnt Erich Rettinghaus, NRW-Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, vor den Gefahren durch die kriminellen Banden: "Die Szene geht gnadenlos vor. Es werden alle Register gezogen, um an das Geld zu kommen und zu flüchten. Leben und Sachgüter sind den Kriminellen völlig egal." Rettinghaus geht einen Schritt weiter und spricht bei solchen Geldautomatensprengungen von regelrechten Mordanschlägen. "Oft leben Menschen in den Gebäuden, in denen die Automaten stehen. Und bei den Mengen an Sprengstoff, die dabei zum Einsatz kommen, kann man von kriegsähnlichen Zuständen sprechen." Es sei enormes Glück, dass Unbeteiligte bei den Sprengungen bisher nicht schwer verletzt oder gar getötet wurden. Der innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Marc Lürbke, fordert derweil noch stärkeres Vorgehen gegen Automatensprenger. "Wir brauchen in NRW stärkere Kontrollen der An- und Abfahrtswege, um auch das Abschreckungs- und Entdeckungsrisiko spürbar zu erhöhen. Dafür müssen dringend auch die Einsatztrupps der Autobahnpolizei in NRW personell verstärkt werden", betont Lürbke. NRW müsse die Abstimmung mit den Niederlanden und den Geldinstituten erhöhen. "Die Gefahren werden leider in NRW immer größer und die Täter immer skrupelloser. Wir können nur von Glück sprechen, dass sich bisher kein Kinderzimmer über einem gesprengten Automaten befand."

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