Verkehrsunfälle Senioren im Straßenverkehr: Ältere sind eher Gefährdete als Gefährder

Berlin/Düsseldorf/Bielefeld. Immer wieder verursachen Senioren schwere Verkehrsunfälle. Viele davon sind aufsehenerregend, so wie im November 2022, als ein 84-Jähriger in Düsseldorf am Rand eines Weihnachtsmarktes die Kontrolle über sein Autor verlor, in eine Menschenmenge fuhr und dabei sechs Menschen verletzte. Unfälle dieser Art entfachen die Debatte über die Fahrtauglichkeit von Senioren immer wieder neu. So beschäftigt sich aktuell der Verkehrsgerichtstag mit einer möglichen Meldepflicht für fahruntaugliche Menschen. Doch verursachen ältere Autofahrer tatsächlich mehr Unfälle als jüngere? Die Unfallstatistik zeigt ein anderes Bild. Nach Angaben des statistischen Bundesamts waren 2020 Menschen ab dem 65. Lebensjahr für 17,5 Prozent der Unfälle mit Personenschaden verantwortlich. Ihr Bevölkerungsanteil liegt jedoch bei 21,8 Prozent. Die Statistik zeigt zudem, dass älteren Autofahrern, die Unfälle verursachen, häufiger als anderen Gruppen vorgeworfen wird, dass sie die Vorfahrt oder den Vorrang anderer Fahrzeuge missachten oder Fehler beim Abbiegen, Wenden oder Rückwärtsfahren machen. Für andere Verstöße wie Geschwindigkeitsüberschreitungen, Abstandsverstöße oder Fahren unter Alkoholeinfluss sind sie hingegen seltener verantwortlich. Senioren sterben häufiger bei Unfällen Gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil sind Senioren in der Unfallstatistik also unterrepräsentiert. Das liegt nach Angaben der Statistiker jedoch auch daran, dass viele nicht mehr täglich zur Arbeit fahren müssen und deshalb seltener im Straßenverkehr unterwegs sind. Doch insgesamt spielen ältere Menschen laut der Statistiker eine immer größere Rolle im Straßenverkehr. Zum einen, weil ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung steigt. Zum anderen, weil Senioren immer mobiler werden. Überrepräsentiert sind Senioren in der Statistik hingegen im Bereich der Verletzten und Verkehrstoten. &bdquo;Senioren sind durch ihre erhöhte Anfälligkeit für Verletzungen eher Gefährdete als Gefährder", sagt ADAC-Verkehrspsychologe Ulrich Chiellino. Laut der Statistik haben Senioren zwar insgesamt ein geringeres Unfallrisiko, doch sie erleiden im Durchschnitt schwerere Verletzungen als jüngere und haben eine geringere Chance, einen Unfall zu überleben. Behörden und Ärzte können Fahrverbote aussprechen Aufgrund der wachsenden Bedeutung von Senioren im Straßenverkehr diskutiert der Verkehrsgerichtstag in Goslar aktuell wieder über die Fahrtauglichkeit von Senioren und eine mögliche Meldepflicht für fahruntaugliche Menschen. &bdquo;Fahruntauglichkeit stellt ein erhebliches Risiko im Straßenverkehr dar. Nicht nur für Dritte, sondern auch für sich selbst. Anders als im europäischen Ausland gibt es in Deutschland für den Autoführerschein jedoch keine gesetzliche Regelung zur Teilnahme älterer Verkehrsteilnehmer“, erklärt Matthias Köck von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins. In vielen europäischen Ländern gibt es laut Köck bereits verpflichtende Fahrprüfungen für Senioren, weil die Voraussetzungen für das Autofahren im Alter schlechter werden. &bdquo;In Italien haben diese verpflichtenden Tests jedoch nicht zu weniger Unfälle durch Senioren geführt", erklärt ADAC-OWL-Sprecher Ralf Collatz. In Deutschland dürfen Fahrerlaubnisbehörden Fahrverbote aussprechen, wenn Gutachten eine Fahruntauglichkeit belegen. Mediziner ebenso, doch ärztliche Fahrverbote sind rechtlich nicht bindend. Zudem besteht die Möglichkeit, die Fahrerlaubnis freiwillig abzugeben. Deutscher Verkehrssicherheitsrat rät zu Sicherheitstrainings Änderungen in diesem Bereich sind in Deutschland nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums nicht geplant. Die Landesregierung in NRW setzt laut Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) auf Information, Freiwilligkeit und die Stärkung der Eigenverantwortung, um die Fahreignung älterer Verkehrsteilnehmer sicherzustellen. Auch der ADAC spricht sich gegen verpflichtende Fahrprüfungen aus. &bdquo;Senioren sind nicht die Problemgruppe im Straßenverkehr", erklärt Collatz. &bdquo;Das zeigt die Unfallstatistik eindeutig. Gemessen am Bevölkerungsanteil bauen Senioren weniger Unfälle als jüngere, auch wenn der Anteil ab dem 75. Lebensjahr steigt." Unabhängig vom Alter sollten Autofahrer die eigenen Fahrfähigkeiten regelmäßig und selbstkritisch hinterfragen, rät Chiellino. &bdquo;Senioren sollten sich zudem regelmäßig freiwillig medizinisch untersuchen lassen und frühzeitig Alternativen zum Autofahren ausloten." Damit die Generation 65 Plus möglichst lange sicher im Straßenverkehr unterwegs ist, hat der deutsche Verkehrssicherheitsrat das Programm &bdquo;sicher mobil“ entwickelt. Empfohlen werden unter anderem freiwillige Fahrproben und Sicherheitstrainings. Der Bielefelder Fahrlehrer Marcel Dingerdissen ist regelmäßig für den ADAC mit Senioren unterwegs, die ihre Fahrtauglichkeit überprüfen lassen möchten, von ihren Kindern dazu gedrängt werden oder die Vorgabe von Ärzten oder Behörden erhalten haben. Erfahrene Autofahrer sind lange sicher unterwegs &bdquo;Ich erlebe viele Senioren, die noch sicher Auto fahren können, jedoch dankbar für Hinweise sind, weil sie sich verbessern möchten. Ich bin aber immer wieder auch mit Menschen unterwegs, die nicht mehr fahren sollten, weil sie zu unsicher sind“, erklärt Dingerdissen. &bdquo;Das Sehen und Hören lässt im Alter stark nach, doch auch im hohen Alter verfügen viele Senioren noch über eine gute Reaktionsfähigkeit.“ Das gelte vor allem für Autofahrer, die viel Erfahrung haben und gesundheitlich nicht beeinträchtigt sind. &bdquo;Treten körperliche oder psychische Probleme auf, wirkt sich das in den meisten Fällen auch auf die Fahrtauglichkeit aus.“ Dingerdissen hofft deshalb auf verpflichtende Fahrtests für Senioren: &bdquo;Das stärkt Autofahrer, weil Menschen auch im hohen Alter noch lernfähig sind und Gewohnheiten ändern können. Und das führt dazu, dass Menschen länger sicher mobil sein können.“

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