Krankheitswelle 23 Prozent der Fahrer krank: Unternehmen in OWL melden außergewöhnliche Krankenstände

Berlin/Bielefeld. Entgegen den Befürchtungen wird der Winter in Deutschland bislang nicht von einer neuen Coronawelle geprägt. Trotzdem ist die Krankheitslast in der Bevölkerung groß, denn auf zwei Winter mit weniger Grippe- und Erkältungsviren folgt eine Saison mit einer außergewöhnlich hohen Zahl an Menschen, die mit Atemwegserkrankungen zu kämpfen haben. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) entsprechen die Werte Hochzeiten schwerer Grippewellen. Das führt in vielen Branchen zu Personalnot und damit zu Einschränkungen für die Bevölkerung. Die Betreuung von Kindern in Kindertagesstätten und Schulen ist ebenso eingeschränkt wie die Versorgung von Alten und Kranken in Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern und Arztpraxen. Gestört sind auch die Abläufe bei der Post sowie im Bus- und Bahnverkehr. Bundesweit sind in vielen Branchen die Folgen der aktuellen Infektionswelle zu spüren. Die ist nach Angaben des RKI aber nur noch bedingt auf Ansteckungen mit dem Coronavirus zurückzuführen. Deutlich mehr Menschen infizieren sich mit dem Influenzavirus und dem Respiratorischen Synzytial-Virus, einem weitverbreiteten Erreger akuter Erkrankungen der Atemwege, der vor allem für Säuglinge gefährlich werden kann. Insgesamt schätzt das RKI die Zahl der Atemwegserkrankungen in der vergangenen Woche auf 9,5 Millionen Fälle. Dieser Wert liege über dem Niveau der Vorjahre zum Höhepunkt schwerer Grippewellen. Die Zahl der Arztbesuche wegen Atemwegsinfekten schätzt das RKI auf zwei Millionen, so viele wie sonst nur in Spitzenwochen starker Grippewellen. In der Folge steigt auch die Zahl der Klinikaufenthalte. &bdquo;Die Anzahl der Krankenhauseinweisungen mit schwerer akuter Atemwegsinfektion liegt auf einem hohen Niveau, vergleichbar mit den Höhepunkten früherer Grippewellen“, heißt es vom RKI. Die starke Verbreitung der Atemwegserkrankungen hat in diesem Jahr nach Angaben der Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW) besonders früh begonnen. &bdquo;Im Dezember beobachten wir deutlich mehr stationäre Aufnahmen aufgrund von Atemwegsinfektionen als in vorhergehenden Jahren“, erklärt Geschäftsführer Matthias Blum. BKK: Krankenstand in NRW bei sechs Prozent Der bundesweite Trend lässt sich nach Angaben der Betriebskrankenkassen (BKK) in Deutschland auch in NRW beobachten. Aus dem Gesundheitsreport des BKK-Dachverbands, der 68 BKK mit neun Millionen Versicherten vertritt, geht hervor, dass der Krankenstand in NRW in diesem Jahr voraussichtlich bei sechs Prozent liegen wird und damit höher als 2020 mit 5,3 Prozent und 2021 mit 5,2 Prozent. &bdquo;An erster Stelle der Fehlzeiten stehen dabei nach wie vor Muskel- und Skeletterkrankungen, gefolgt von psychischen Störungen sowie Verletzungen und Vergiftungen“, heißt es vom BKK-Landesverband Nordwest. Ausschlaggebend für die stetig steigenden Krankenstände seit August 2022 sind nach Angaben des Verbands jedoch vor allem Atemwegserkrankungen, die im Oktober bei mehr als einem Viertel der Fehltage als Grund angegeben wurden. Davon sind laut KGNW-Geschäftsführer Blum auch die Kliniken in NRW betroffen, die mit spürbaren personellen Engpässen konfrontiert sind. &bdquo;Und auch wenn alle Beschäftigten mit dem maximalen Engagement die Versorgung der Patienten sicherstellen, wird in dieser Situation die dünne Personaldecke in den Häusern offensichtlich.“ Klinikum Minden: &bdquo;In Teilbereichen fehlen bis zu 70 Prozent der Belegschaft." Im Johannes-Wesling-Klinikum Minden der Mühlenkreiskliniken ist der Krankenstand inzwischen so hoch, dass das Krankenhaus ab Montag nach Angaben des Kliniksprechers zahlreiche geplante operative Eingriffe und Behandlungen absagen muss. Die Klinik sehe sich zu diesem Schritt gezwungen, um die Versorgung von Notfallpatienten sicherstellen zu können. &bdquo;In Teilbereichen fehlen bis zu 70 Prozent der Belegschaft." Gleichzeitig herrsche ein enormer Andrang von Notfallpatienten. An den Standorten in Lübbecke, Rahden und Bad Oeynhausen ist die Personalsituation nach Angaben des Sprechers weniger dramatisch, aber dennoch stark angespannt. Auch hier könne es deshalb zu Absagen von planbaren Operationen kommen. Verkehrsunternehmen müssen Fahrten streichen Nach Angaben des BKK-Landesverbands Nordwest sind auch viele andere Berufsgruppe betroffen. &bdquo;Vor allem Altenpfleger, Physiotherapeuten sowie Bus- und Lkw-Fahrer.“ Das zeigt sich auch bei den Verkehrsunternehmen in OWL. Beim Bielefelder Verkehrsunternehmen Mobiel fehlen nach Angaben von Sprecherin Yvonne Liebold derzeit 23 Prozent der Mitarbeiter im Fahrdienst. &bdquo;Das ist ein extrem hoher Krankenstand. Auf einigen Bus- und Stadtbahn-Linien können deshalb einzelne Fahrten nicht angeboten werden.“ Die Ausfälle ließen sich auch mit dem kurzfristigen Einspringen von Kollegen nicht mehr überall kompensieren, erklärt Liebold. &bdquo;Wir versuchen aber, dass es nur auf Linien mit hoher Taktung zu Ausfällen kommt, damit Fahrgäste maximal zehn Minuten zusätzlich warten müssen.“ Auch das Verkehrsunternehmen &bdquo;Busverkehr Ostwestfalen“ meldet wegen Krankheitsfällen Fahrtausfälle und Taktänderungen in der Region, vor allem im Kreis Herford. Damit müssen auch Fahrgäste im Zugverkehr rechnen, heißt es vom &bdquo;Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe“. &bdquo;Alle Unternehmen melden deutlich erhöhte Krankenstände. Sie versuchen alles, um die Ausfälle zu kompensieren, doch das ist nicht immer möglich“, erklärt Verbandssprecher Uli Beele. Überlastungsanzeichen bei Zugpersonal Infektionen mit dem Coronavirus registrieren die Verkehrsunternehmen laut Beele nach wie vor, allerdings aktuell vor allem Ansteckungen mit Grippe- und Erkältungsviren. &bdquo;Außerdem beobachten wir seit der Einführung des 9-Euro-Tickets vermehrt Überlastungsanzeichen beim Personal, vor allem bei den Zugbegleitern.“ Ein Grund dafür sei auch, dass das Zugpersonal nach wie vor die Maskenpflicht durchsetzen müsse, sagt Beele. &bdquo;Das stört uns inzwischen sehr, denn die Maskenpflicht gilt ja fast überall nicht mehr. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Pflicht in Bussen und Bahnen zu Fußballstadien oder Konzerthallen gilt, aber nicht während der Veranstaltungen.“ Im Rheinland und im Ruhrgebiet ist die Lage noch angespannter. Nach Angaben des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr und der DB-Regio müssen Fahrgäste aufgrund der vielen Krankheitsfälle bis Heiligabend mit Zugausfällen rechnen. Und das, obwohl der Verkehr aufgrund von Baustellen in den vergangenen Wochen bereits eingeschränkt war. &bdquo;Das wird sich auch auf Westfalen-Lippe auswirken, denn viele Netze hängen zusammen“, sagt Beele. BKK vermutet weniger Arbeitnehmer im Homeoffice Doch warum fallen derzeit so viele Arbeitnehmer aus? Der BKK-Landesverband Nordwest vermutet, dass weniger Menschen im geschützten Homeoffice arbeiten dürfen und viele Menschen ihre Hygienemaßnahmen nach zwei Jahren Corona-Pandemie wieder reduziert haben. Auch die Schwächung des Immunsystems durch Corona-Einschränkungen wie die Maskenpflicht und eine dadurch erhöhte Anfälligkeit für Viren könnte nach Angaben des Verbands die aktuelle Krankheitswelle zumindest teilweise erklären. Die Betriebskrankenkassen raten deshalb zu Grippe- und Covid-Schutzimpfungen sowie der Einhaltung der Hygienemaßnahmen.

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