Razzien bei Reichsbürgern Terrorgruppe plante Umsturz – Durchsuchung auch bei Polizistin in OWL

Bielefeld/Petershagen. Die Generalbundesanwaltschaft ist am frühen Mittwochmorgen gegen eine mutmaßliche terroristische Vereinigung vorgegangen, die unter anderem einen bewaffneten Angriff auf den Bundestag geplant haben soll. Demnach soll die Gruppe aus einem Netzwerk aus sogenannten Reichsbürgern und Verschwörungsideologen bestehen. Dabei gab es auch Durchsuchungen in Ostwestfalen-Lippe – unter anderem bei einer Polizeivollzugsbeamtin. Nach Informationen dieser Zeitung fand dieser Einsatz in Ilserheide, einem nur rund 500 Einwohner kleinen Dorf in Petershagen im Kreis Minden-Lübbecke statt. Bundesweit waren 3.000 Polizisten bei den Razzien aktiv. Gegen 6 Uhr morgens war die Ruhe in dem Dorf im Osten Petershagens schlagartig vorbei. Etliche Mannschaftswagen der Polizei sowie neutrale Fahrzeuge sammelten sich auf dem Parkplatz einer benachbarten Firma. Kurz darauf griffen die Einsatzkräfte in einem an der Hauptstraße gelegenen Mehrfamilienhaus zu, in dem insgesamt neun Parteien wohnen. Dabei soll die Polizistin von bewaffneten Spezialeinsatzkräften zunächst auf den Boden gebracht und festgenommen worden sein, ehe sie im Laufe des Einsatzes freigelassen worden ist. Nach Informationen dieser Zeitung waren circa 30 bis 35 Beamte bei dem Einsatz involviert, darunter auch das BKA und ein Spezialeinsatzkommando. Durchsucht wurde eine Wohnung, in der eine Polizistin der Polizei Minden-Lübbecke mit ihren zwei Kindern wohnhaft ist. Polizistin soll völlig unscheinbar gewesen sein &bdquo;Das hat innerhalb kürzester Zeit seine Runde gezogen. Hier fahren viele Menschen in Richtung Minden vorbei, die das große Polizeiaufgebot gesehen haben“, erklärt ein Anwohner im Gespräch, der wegen des Einsatzes selbst völlig perplex war. &bdquo;Damit habe ich gar nicht gerechnet“, sagt er. So sei die Familie der Polizistin bis dato völlig unscheinbar gewesen. Die Frau soll dort mit ihren Kindern im Mai diesen Jahres eingezogen sein. Stundenlang sei die Wohnung von den Beamten durchsucht worden, wie ein Anwohner erklärt. &bdquo;Die haben die Bude komplett auf den Kopf gestellt“, sagt er im Gespräch. Gegen 11.30 Uhr sei der Einsatz zum größten Teil beendet gewesen, um 12 Uhr hätten die letzten Einsatzkräfte Ilserheide verlassen – ohne die Frau, gegen die kein Haftbefehl vollstreckt worden ist. Unternehmer aus Hessen soll Rädelsführer gewesen sein Zu den bundesweit Verdächtigen gehört Heinrich XIII. Prinz Reuß. Der 71-jährige Unternehmer aus Hessen, der ein Jagdschloss in Ostthüringen besitzen soll, steht laut Bundesanwaltschaft im Verdacht, ein Rädelsführer der mutmaßlichen Terrorgruppe gewesen zu sein. Verdächtigt werden außerdem unter anderem eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin aus Berlin sowie mehrere ehemalige Angehörige des Kommando Spezialkräfte (KSK) und der Fallschirmjäger der Bundeswehr, aber auch Ärzte und weitere Unternehmer. Die Gruppierung soll laut Ermittlern geplant haben, die staatliche Ordnung gewaltsam zu beseitigen und mit Waffengewalt einen Umsturz herbeizuführen. Sie soll auch Zugang zu Waffen haben. Insgesamt waren seit dem Morgen bundesweit 130 Häuser, Wohnungen und Büros in elf Bundesländern durchsucht worden. 19 der 25 am Mittwoch festgenommenen Verdächtigen sind nun in Untersuchungshaft. In den 19 Fällen hätten Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof die Haftbefehle in Vollzug gesetzt, teilte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am Abend mit. Damit seien die Vorführungen für Mittwoch abgeschlossen. Planmäßig sollen auch an diesem Donnerstag noch Verdächtige den Richtern vorgeführt werden. Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, geht davon aus, dass sich die Zahl der Beschuldigten noch erhöht. Münch sprach am Mittwochabend im ZDF-&bdquo;heute journal“ nach den 25 Festnahmen vom Mittwoch von 54 Beschuldigten und über 150 Durchsuchungen. Wahrscheinlich werde man weitere Beschuldigte feststellen und in den nächsten Tagen weitere Durchsuchungen durchführen. Schwerpunkte der Aktion am Mittwoch lagen in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Hessen und Thüringen. Auch in NRW waren die Ermittler im Einsatz. Konkret: In der Stadt Krefeld sowie dem Rhein-Erft-Kreis – und dem Kreis Minden-Lübbecke in Ostwestfalen. In OWL soll es an zwei Orten Durchsuchungen gegeben haben, berichtet ein Sprecher der Generalbundesanwaltschaft dieser Redaktion. Nähere Einzelheiten nennt er nicht. Nach Informationen dieser Zeitung gab es eine Durchsuchung bei einer Polizeivollzugsbeamtin, wohl in Minden. Sie gelte als beschuldigt, heißt es zudem. Ein Haftbefehl wurde – ebenso wie in Krefeld und dem Rhein-Erft-Kreis – nicht vollstreckt. Die Frau hat offenbar am Rande der Vereinigung mitgemischt. Ebenfalls durchsucht wurde im Kreis Minden-Lübbecke bei einer weiteren Frau, die aber nicht als beschuldigt gilt. Mit Angriff Unruhen auslösen Zudem heißt es von der Generalbundesanwaltschaft, dass die Beschuldigten um den Mann mit adeligen Wurzeln aus dem Raum Frankfurt seit November 2021 einen bewaffneten Angriff auf den Bundestag sowie die Festnahme von Politikern geplant haben sollen. Sie sollen offenbar darauf gehofft haben, dadurch Unruhen im Land auslösen zu können. An der Spitze des sogenannten &bdquo;Rates“ steht Heinrich XIII P. R., zudem soll es einen &bdquo;militärischen Arm“ innerhalb der Vereinigung gegeben haben. Laut Generalbundesanwaltschaft sollen die Beschuldigten Mitglieder einer terroristischen Vereinigung gewesen sein. Das Ziel der Gruppe sei es, &bdquo;die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland zu überwinden und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen“. Dabei soll sie bereit gewesen sein, militärische Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten anzuwenden. &bdquo;Hierzu zählt auch die Begehung von Tötungsdelikten.“ Gruppe glaubte an &bdquo;Deep State“ Die Mitglieder seien eine Mischung aus Anhängern von Verschwörungsmythen, die aus der Reichsbürger- sowie QAnon-Ideologie bestehen. Ihrem Glauben nach werde Deutschland beispielsweise von einem &bdquo;Deep State“ regiert, also geheimen Mächten. Eine Befreiung verspreche nach Einschätzung der Mitglieder der Vereinigung das unmittelbar bevorstehende Einschreiten der &bdquo;Allianz“, eines technisch überlegenen Geheimbundes von Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs verschiedener Staaten, einschließlich der Russischen Föderation sowie der USA. Die Bekämpfung der verbleibenden Institutionen und Repräsentanten des Staates sowie die Absicherung der Macht sollten demnach durch die Vereinigung sowie ein deutschlandweites Netz von ihr gegründeten Heimatschutzkompanien übernommen werden. Kontakt zur Russischen Föderation Hierzu sollte von der Vereinigung eine Übergangsregierung gebildet werden, die nach der Vorstellung der Vereinigungsmitglieder dem &bdquo;klassischen Reichsbürgernarrativ entsprechend“ die neue staatliche Ordnung in Deutschland mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs verhandeln sollte. Zentraler Ansprechpartner für diese Verhandlungen sei aus Sicht der Vereinigung derzeit ausschließlich die Russische Föderation. Heinrich XIII P. R. habe auch bereits Kontakt mit Vertretern der Russischen Föderation in Deutschland aufgenommen. &bdquo;Nach den bisherigen Ermittlungen gibt es allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ansprechpartner auf sein Ansinnen positiv reagiert haben“, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Schießtrainings durchgeführt Seit November 2021 sollen die Mitglieder mit der Vorbereitung begonnen haben, diesen &bdquo;Deep State“ zu bekämpfen. Dabei seien verwaltungsähnliche Strukturen geplant und aufgebaut, Ausrüstung beschafft, Schießtrainings durchgeführt sowie neue Mitglieder rekrutiert worden. Dabei im Fokus standen offenbar vor allem Angehörige der Bundeswehr und der Polizei. Die 25 Festgenommenen – 22 sollen Mitglieder einer terroristischen Vereinigung sein, drei Unterstützer – sollen am Mittwoch und Donnerstag den Ermittlungsrichtern am Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt werden. Minister spricht von &bdquo;Anti-Terror-Einsatz“ Bundesjustizminister Marco Buschmann hat die Razzia als &bdquo;Anti-Terror-Einsatz“ bezeichnet. &bdquo;Demokratie ist wehrhaft: Seit heute Morgen findet ein großer Anti-Terror-Einsatz statt“, schrieb der FDP-Politiker am Mittwochmorgen auf Twitter. Der Generalbundesanwalt ermittele gegen ein mutmaßliches Terror-Netzwerk aus dem Reichsbürger-Milieu. &bdquo;Es besteht der Verdacht, dass ein bewaffneter Überfall auf Verfassungsorgane geplant war.“ Bundesinnenministerin Nancy Feaser (SPD) betont derweil: &bdquo;Die Ermittlungen lassen in den Abgrund einer terroristischen Bedrohung aus dem Reichsbürger-Milieu blicken. Die heute aufgedeckte mutmaßliche terroristische Vereinigung ist – nach dem Stand der Ermittlungen – von gewaltsamen Umsturzfantasien und Verschwörungsideologien getrieben.“ Die weiteren Ermittlungen werden zeigen, wie zweit die Umsturzpläne seien. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) verurteilte die Umsturzpläne der &bdquo;Reichsbürger“-Szene. &bdquo;Reichsbürger sind eine gefährliche Mischung aus Rechtsextremisten, Anhängern von Verschwörungsmythen und renitenten Staatsleugnern; das sehen wir heute einmal mehr“, so Reul. &bdquo;Hier war eine Bande von Terroristen am Werk. Ihnen ist jedes Mittel recht, unsere bestehende freiheitliche Gesellschaftsordnung zu zerstören.“ Es sei für ihn schwer erträglich, dass Täter mit einer solch abstrusen und menschenverachtenden Ideologie vor massiver Gewalt und selbst vor Tötungen nicht zurückschrecken. &bdquo;Besonders erschüttert mich, dass unter den Beschuldigten auch Personen sind, die als Angehörige von Militär und Sicherheitsbehörden Zugang zu Waffen haben“, so Reul weiter. Die Festnahmen und Durchsuchungen von heute Morgen zeigten aber auch: die Sicherheitsbehörden sind wachsam und durchsetzungsstark. Sicherheitsbehörden rechnen bundesweit mehr als 20.000 Personen der Reichsbürger-Szene zu. Ein Teil von ihnen gilt zudem als rechtsextrem. In NRW spricht der Verfassungsschutz von mehr als 3.000 Anhängern der Ideologie. Ein regelrechter Hotspot ist OWL – hier hatten Ermittler in der Vergangenheit fast 500 Personen dem Milieu der Reichsbürger und Selbstverwalter zugeordnet. Ein großer Teil dieser Personen wohnt im Kreis Minden-Lübbecke, in dem zwei Objekte durchsucht wurden. Einzelheiten dazu blieben allerdings vorerst aus.

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