Folgen der Energiekrise Preisexplosion um 150 Prozent: Geht NRW der Dünger aus?

Ausbleibendes Gas aus Russland wirkt sich auf die Produktion von Ammoniak aus, was ein wichtiger Bestandteil von Dünger ist. Je weniger Gas, desto weniger Ammoniak und desto weniger Dünger. Was bedeutet das für Landwirte in NRW – und wie ernst ist aktuell ihre Lage? Dazu gibt das NRW-Landwirtschaftsministerium nun Antworten. Landwirtschaftliche Betriebe sähen sich durch die hohen Preise "stark belastet", teilt das Ministerium auf Anfrage dieser Redaktion mit. Die Düngemittelherstellung, vor allem Stickstoffdünger, sei eng an den Energiepreis gekoppelt. Insbesondere Erdgas sei Ausgangsbasis für die Stickstoffdüngerherstellung. "Die Preise haben sich in Abhängigkeit von den Energiepreisen deutlich erhöht – zum Teil um 150 Prozent", so das Ministerium. Dadurch bekomme die Nutzung von organischem Wirtschaftsdünger in betrieblichen oder regionalen Nährstoffkreisläufen "eine zunehmend höhere Bedeutung". Wirtschaftsdünger würden also stärker nachgefragt. Eine Knappheit an Düngemittel ist in NRW aber laut Ministerium derzeit nicht erkennbar. Diese Einschätzung teilt auch OWL-Bauernpräsident Antonius Tillmann. Ob der Dünger knapp werde, hänge auch davon ab, ob man ihn nach Europa importieren könne, so Tillmann. Kanada und Nordamerika seien lieferfähig. Laut Tillmann ist der Absatz von Stickstoffdünger in diesem Jahr um 13 Prozent zurückgegangen. Die Folge seien hohe Preise, weshalb die Werke "auf Hochtouren" produzierten. "Darum ist nicht mit einer Mangellage zu rechnen", so der OWL-Bauernpräsident. Rote Gebiete machen ein Drittel der landwirtschaftlichen Flächen aus Die weitere Entwicklung werde wesentlich davon abhängen, wie lange die Energiekrise fortdauere, oder ob diese unter Umständen schon bald ausgestanden sein wird, teilt der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) auf Anfrage mit. Bisher sei kein Engpass zu erkennen. Das Thema Dünger wird in NRW seit einigen Tagen besonders diskutiert. Grund sind verschärfte Regeln, die seit Dezember auf vielen zusätzlichen Flächen in NRW gelten. Auf Gebieten, die stark mit Nitrat belastet sind, müssen Landwirte künftig weniger Dünger verwenden. Die sogenannten "Roten Gebiete" machen nun rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Flächen in NRW aus. Landwirte kritisieren die neuen EU-Vorgaben scharf und fühlen sich benachteiligt. Die neue Flächenausweisung berücksichtige nicht, dass einige Bauern bereits vorbildlich düngen würden – und andere wiederum für den hohen Nitratausstoß verantwortlich seien. Die neue Vorgabe nehme alle in Sippenhaft, so der Vorwurf. Der WLV bezeichnet das Verfahren als "nicht verursachergerecht". Auffallend ist, dass das auch der Bund für Umwelt und Naturschutz in NRW sowie der Naturschutzbund Nabu so sehen. Betriebe, die vorbildlich und nachweislich gewässerschonend arbeiteten, würden für die Folgen des Wirtschaftens ihrer Berufskollegen in Mithaftung gezogen, schreibt der Bund auf Anfrage dieser Redaktion. &bdquo;Hier sollte in der Tat nachgesteuert werden – zum Beispiel durch eine Verdichtung des Messnetzes. Und es sollten Ausnahmen möglich sein“, so Agrarreferent Ralf Bilke. Nabu-Referentin Eva Lisges spricht von einem &bdquo;ungerechten“ Verfahren. Naturschutzverbände halten die strengeren EU-Regeln größtenteils für richtig Die neuen EU-Vorgaben halten die Naturschutzverbände ansonsten aber für richtig. Deutschland verstoße seit mehr als 30 Jahren Jahr für Jahr gegen die Grenzwerte der EU-Nitrat-Richtlinie für den Schutz des Grundwassers. &bdquo;Verzögerungen in der Vergangenheit holen die deutsche Landwirtschaft nun wie ein Bumerang wieder ein“, so Bilke. Klar sei, dass Pflanzen, egal ob ökologisch oder konventionell angebaut, Dünger benötigen. Das Problem dabei seien die großen Nährstoffüberschüsse, die von den Pflanzen nicht aufgenommen und ins Grund- oder Oberflächenwasser ausgetragen würden. Vorrangiges Ziel müsse es daher sein, diese Überschüsse &bdquo;massiv zu reduzieren“, so Bilke. Da sie ohnehin bisher von den Pflanzen nicht aufgenommen würden, fehlten sie durch strengere Dünge-Regeln auch künftig nicht. Lisges fordert eine flächengebundene Tierhaltung. Sprich: Weniger Tiere führt zu weniger Dünger und somit zu gesünderen Böden, sagt die Nabu-Referentin. Die CDU-Fraktion im Landtag will "so schnell wie möglich" das neu vom Bund vorgegebene Regionalisierungsverfahren anwenden, damit ein als belastet eingestufter Grundwasserkörper in belastete und unbelastete Teilgebiete untergliedert werden könne. Das Land verpflichte sich, bis Ende 2024 70 neue Messstellen zu bauen, so CDU-Politiker Markus Höner. Wie und wann man Ausnahmen für vorbildliche Betriebe erreiche, hänge entscheidend vom Bund ab. "Wir werden uns in jedem Fall weiter dafür einsetzen."

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