Kreis Lippe Mutmaßlicher Brandstifter schoss seinem Nachbarn mit Luftgewehr ins Gesicht

Kreis Lippe. Glasscherben klaffen wie messerscharfe Splitter an einem der oberen Fenster, nebenan baumelt eine Decke aus dem von Ruß komplett geschwärzten Fensterrahmen. Der Himmel ist an diesem Montagvormittag grau wie Stein und passt damit in die Tristesse rund um die Brandruine an der Lageschen Straße. Hier soll ein 55-Jähriger absichtlich Feuer im Obergeschoss seines Wohnhauses gelegt haben, um seine Mutter (77) sterben zu lassen. Davon ist Staatsanwalt Alexander Görlitz fest überzeugt, auch wenn noch keiner die Brandstelle betreten konnte. Die Vorgeschichte des Beschuldigten macht den Fall dafür umso bitterer. Acht Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks Detmold prüfen an diesem Mittag, ob das Haus einsturzgefährdet ist oder das Obergeschoss endlich betreten werden kann. "Dazu öffnen wir die Decke von unten", sagt der THW-Einsatzleiter vor Ort. Man könne bei all dem Brandschutt und der Asche momentan gar nicht einschätzen, was vom Boden der Etage überhaupt noch übrig geblieben sei. Damit die Brandermittler gefahrlos ihrer Arbeit nachgehen können, müsse alles ordentlich geprüft und gegebenenfalls gestützt werden. "Wahrscheinlich werden wir frühestens morgen mit einem Gutachter durchgehen können", sagt ein Kripobeamter am Tatort. Doch das sei noch nicht sicher. "Mord als trauriger Höhepunkt von vielen Tiefpunkten" Die Nachbarschaft ist zu dieser Mittagsstunde wie ausgestorben. An den umliegenden Häusern öffnet niemand die Tür. Vielleicht möchten die Anwohner einfach nicht über das Offensichtliche reden. Der Tod der Mutter scheint nun wirklich der traurige "Höhepunkt von vielen Tiefpunkten" zu sein, wie es der Sohn (55) selbst vergangenes Jahr in einer Gerichtsverhandlung auf der Anklagebank beschrieben hatte. Sein teils unkontrollierbarer Jähzorn hatte ihn schon damals zu unvorstellbaren Taten getrieben, so empfand es auch das Gericht. Weil der 55-Jährige am Silvestertag 2020 einem Nachbarn mit dem Luftgewehr durch die Wange geschossen hatte, verurteilte ihn das Amtsgericht Detmold zu einer einjährigen Bewährungsstrafe. Der Grund für die Tat? Er hatte sich durch Gartenarbeiten gestört gefühlt. Schon damals ist der Detmolder, der jetzt wegen des Verdachts auf Brandstiftung in Tateinheit mit Mord in Untersuchungshaft sitzt, alles andere als ein unbeschriebenes Blatt gewesen. "Ich habe die Akte aufgeschlagen und mich gefragt, was hat er jetzt schon wieder gemacht...", sagte der Richter während des Prozesses. "Sie fühlen sich gereizt und dann bricht etwas in Ihnen aus." Den Angriff auf seine Nachbarn hatte der Detmolder sofort bereut und deshalb seine Mutter am nächsten Tag mit 1000 Euro und einer Entschuldigung zu den Geschädigten geschickt. Nun ist die 77-Jährige tot, gestorben an den schweren Verbrennungen in einer Spezialklinik. Weil ihr Sohn gegenüber Einsatzkräften und Polizei mehrfach betont hatte, es sei niemand mehr in dem brennenden Haus. "Er hat gelogen, so viel ist sicher", sagt Görlitz. Sohn schweigt in Untersuchungshaft Nun schweigt der Sohn in U-Haft. "Wir werden die nächsten Tage sehen, was sich für ein Bild zeichnet", sagt der Staatsanwalt. "Der Staub muss sich erst einmal legen." Alexander Görlitz kann aber schon bestätigen, dass der Detmolder im Januar eigentlich zu seiner Berufungsverhandlung vor dem Landgericht erwartet worden wäre. "Er war zuvor wegen exhibitionistischer Handlungen unter laufender Bewährung zu sechs Monaten Haft verurteilt worden", sagt Görlitz. Dann ging er mit seinem Verteidiger Johannes Salmen in Berufung. Der Rechtsanwalt aus Lage vertrat den 55-Jährigen nun schon mehrfach vor Gericht. Die letzte Sache, die Silvester 2021 passiert sein soll, beschreibt Salmen allerdings wie folgt: "Mein Mandant hat beim Nachbarn wohl grundlos einen Feuerwerkskörper weggetreten, dabei ist ihm die Schlafanzughose heruntergerutscht." Als sich Anwohner über ihn lustig machten, soll er komplett ausgerastet und kaum zu bändigen gewesen sein, berichtet Salmen. Nach dem Angriff mit dem Luftgewehr hatte der Detmolder noch versucht, mit einer Gesprächstherapie seinen Jähzorn in den Griff zu bekommen und damit Einsicht vor Gericht beteuert. "Er ist eigentlich ein sehr ruhiger und höflicher Mensch", sagt Verteidiger Johannes Salmen über den Beschuldigten. "Wenn ihm aber irgendetwas nicht passt, platzt ihm völlig unverhältnismäßig die Hutschnur." Vor Jahren soll der 55-Jährige schon einmal spielende Kinder auf der Straße bedroht und ein anderes Mal einen Nachbarn mit der Motorsäge eingeschüchtert haben. Nun steht er unter dringendem Mordverdacht.

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