Debatte um Sicherheit Psychiaterin: "Männer, die Frauen angreifen, haben ein Selbstwertproblem"

Bielefeld/Gütersloh. Die Energiekrise ist überall spürbar, denn sie hat Auswirkungen auf alle Lebensbereiche. Um Energie zu sparen, schalten erste Städte nachts zeitweise die Straßenbeleuchtung aus, wie zum Beispiel Gütersloh. Vielen Menschen, vor allem Frauen, bereitet das Sorgen, weil sie in der Dunkelheit um ihre Sicherheit fürchten. Die Polizei rät deshalb inzwischen dazu, Wege in diesen Zeiten besser zu planen, zu zweit unterwegs zu sein oder währenddessen zu telefonieren, um sich sicherer zu fühlen. Ratschläge, die nach Einschätzung der Bielefelder Psychiaterin Solmaz Golsabahi-Broclawski zwar kurzfristig das eigene Sicherheitsempfinden steigern können, jedoch nicht das grundsätzliche Problem von Übergriffen lösen. Sie sagt: &bdquo;Das ist eine Stellvertreterdebatte.“ Golsabahi-Broclawski bewertet die Tipps der Polizei sowie die Diskussion über abgeschaltete Straßenbeleuchtung als Folge der aktuellen und vergangenen Krisen. &bdquo;Es herrscht ein Zustand der Hypererregung, in dem wir Emotionen wie Angst stärker empfinden. Und diese verstärkte Angst macht noch mehr Angst, weil wir das nicht gewohnt sind.“ So entstehen nach ihrer Einschätzung Stellvertreterdebatten, die am eigentlichen Thema vorbei gehen. &bdquo;Anstatt über das Gewaltproblem in der Öffentlichkeit zu sprechen und dafür Lösungen zu finden, sprechen wir über Straßenbeleuchtung, die ja keine Übergriffe verhindert“, erklärt Golsabahi-Broclawski. &bdquo;Es wird so getan, als schütze eine angeschaltete Laterne vor Gewalt und dass die Straßen vor der Debatte überall hell erleuchtet waren, doch so ist es ja leider nicht.“ Psychiaterin fordert: "Söhne besser erziehen" Stattdessen fordert Golsabahi-Broclawski eine Debatte darüber, wie Übergriffe künftig verhindert werden können. &bdquo;Zum einen müssen in unserer Gesellschaft Söhne besser erzogen werden, denn Männer, die Frauen verbal oder körperlich angreifen, haben ein Selbstwertproblem. Sie müssen andere abwerten, um sich selbst stark zu fühlen.“ Diese Männer wissen nach Angaben der Psychiaterin nicht, wer sie sind. &bdquo;Sie präsentieren sich als selbstbewusst, sind es aber nicht.“ In den sozialen Netzwerken zeigt sich dieses Problem laut Golsabahi-Broclawski in extremer Form. &bdquo;Viele Männer halten das Internet für einen rechtsfreien Raum, in dem sie andere aus der Deckung angreifen können. Dort müssen sie niemandem in die Augen schauen, denn das können sie in der realen Welt ja auch nicht.“ Dieses Verhalten sei ein Zeichen von Schwäche und Ausdruck von Hilflosigkeit. Eltern, Schulen und Gesellschaft in der Verantwortung Um das zu ändern, sieht die Bielefelderin Eltern, aber auch Schulen und die Gesellschaft in der Verantwortung. &bdquo;Verpflichtende Unterrichtsfächer wie Empathie oder Glück nach skandinavischen Vorbild können helfen, den respektvollen Umgang miteinander zu verbessern. Wenn Kinder von klein auf lernen, dass meine eigene Grenze dort endet, wo die meines Gegenübers beginnt, dann leben sie auch danach.“ Zudem müsse die Gesellschaft bei Übergriffen deutlicher machen, dass sie diese nicht duldet. Die Psychiaterin plädiert außerdem für Selbstverteidigungskurse. &bdquo;Das stärkt Frauen und Männer im Umgang mit Angst, wenn sie wissen, wie sie ihre Körper in Gefahrensituationen einsetzen können“, sagt sie. &bdquo;Vielen Menschen fehlen auch die mentalen Fähigkeiten im Umgang mit Angst, obwohl es sich dabei um ein Grundgefühl handelt. Dabei sind die sehr wichtig, um sich aufgrund überschießender Angst nicht in Panik zu verlieren.“ Die Psychiaterin rät dazu, die Intensität von Angst zunächst immer selbst einzustufen, wenn sie aufkommt. &bdquo;Ist die Angst berechtigt, weil eine Gefahr droht, oder läuft gerade nur ein Kopfkino? Von der Antwort auf diese Frage sollte man dann seine Reaktion abhängig machen.“ Diese Fähigkeiten, Signale der Angst zu verstehen und damit umgehen zu können, seien in Krisenzeiten besonders wichtig, erklärt Golsabahi-Broclawski.

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