Kaum Einsparmöglichkeiten Pflege in OWL wird deutlich teurer – nicht nur wegen der Energiekrise

Bielefeld. In Deutschland gibt es rund 4,1 Million Pflegebedürftige, die entweder zu Hause, ambulant oder stationär versorgt werden müssen. Sie und ihre Angehörigen sind derzeit mit steigenden Kosten konfrontiert. Grund dafür sind neben Inflation und Energiekrise auch Regelungen, die für verbesserte Arbeitsbedingungen und Gehälter sorgen sollen, um dem Personalnotstand im Pflegeberuf entgegenzuwirken. Für die kommenden Monate machen Pflegeheime und -dienste aus Ostwestfalen-Lippe deshalb wenig Hoffnung, dass sich an diesem Trend etwas ändern könnte. Die Arbeiterwohlfahrt OWL (AWO) betreibt insgesamt neun Seniorenzentren und bietet auch ambulante Dienste an. "Natürlich merken wir die Kostenerhöhungen, die wir aktuell durch unsere Eigenmittel tragen", sagt Beatriz Garcia, Sprecherin der AWO OWL. Zwar würden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Zentren zum Energiesparen aufgerufen, aber das Einsparpotenzial sei begrenzt. "Es ist nicht möglich, Seniorenzentren nur auf 19 Grad im Winter zu heizen", merkt Garcia an. Schlussendlich würden die gestiegenen Kosten von den Pflegebedürftigen selbst oder deren Angehörigen zu tragen sein. Das System der Pflegeversicherung sehe zwar vor, dass die Pflegekasse einen fest definierten Sockelbetrag übernehme, aber dieser sei gesetzlich limitiert, erklärt Garcia. Das bedeutet: Wenn es zu Kostensteigerungen kommt, müssen diese im Eigenanteil getragen werden. Um dem entgegenzuwirken, fordert die AWO einen sogenannten Sockel-Spitzen-Tausch. Dieser Tausch würde bewirken, dass zukünftig der Eigenanteil begrenzt ist, während die Pflegekassen den Rest zahlen. Dadurch würden Pflegebedürftige finanziell deutlich entlastet. Diese Pflegereform fordern zum Beispiel auch die Caritas und der Pflegeschutzbund Biva. Über die Initiative "Pro-Pflegereform" unterstützen das Vorhaben auch rund 200 Pflegeunternehmen mit über 1.000 Einrichtungen in ganz Deutschland. Im Rahmen der letzten Pflegereform, die seit dem 1. Januar 2022 gilt, waren die Zuschüsse für pflegebedürftige Menschen erhöht worden. Experten nannten die Maßnahmen aber schon damals nicht ausreichend. &bdquo;Pflege ist schon heute ein Armutsrisiko. Auch punktuelle Leistungsverbesserungen der vergangenen Jahre haben nichts daran geändert, dass die bisherige Teilkostenabsicherung der Pflege völlig unzureichend ist", sagt Michael Spörke, Politikwissenschaftler und Mitglied des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) in Nordrhein-Westfalen. Der gemeinnützige Verband fordert deshalb eine solidarisch finanzierte Bürgerversicherung, die dann bedarfsdeckende Leistungen erbringt und sieht deutlichen politischen Handlungsbedarf. "In NRW zahlen Pflegebedürftige an die 2.500 Euro monatlich selbst oben drauf, das ist kaum zu stemmen. Pflege darf nicht arm machen", sagt der Landespressesprecher des SoVD NRW, Matthias Veit. Die Politik müsse mehr liefern als kleine Verbesserungen. Zurück in die Praxis: Die Heizung auszustellen ist auch in den Pflegeheimen des evangelischen Johanneswerks in Ostwestfalen keine Option als Einsparmaßnahme. "Wir sorgen auch weiterhin dafür, dass die Menschen, die wir betreuen, in ausreichend beheizten Räumen leben", versichert Sprecherin Claudia Schröder. "Gleichzeitig achten wir darauf, dass wir Energie so sparsam wie möglich verbrauchen." Auch Schröder bestätigt, dass die Pflegebedürftigen mit höheren Preisen rechnen müssen. Diese würden jedoch nicht nur inflationsbedingt angehoben, sondern seien auch ein Resultat der höheren Personalkosten durch neue Tarifabschlüsse. Einen genauen Prozentsatz der Kostenerhöhung kann Schröder für das Johanneswerk nicht nennen, aber sie vermutet, dass dieser voraussichtlich über dem Schnitt der vergangenen Jahre und damit über 3,5 Prozent liegen wird. Weiterhin haben die Pflegedienste in OWL mit Personalmangel zu kämpfen. Dieser sei auch in den AWO-Seniorenzentren spürbar, sagt Garcia. Auch das Johanneswerk habe Schwierigkeiten, ausreichend Fachpersonal zu finden, obwohl es in drei eigenen Pflegefachschulen Personal ausbildet. Die Bundesregierung möchte derweil Pflegeberufe attraktiver machen – auch durch die Bezahlung. Das neue Gesetz mit dem Namen &bdquo;Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung“ (GVWG) verpflichtet Pflegeeinrichtungen deutschlandweit dazu, Pflege- und Betreuungskräfte spätestens ab 1. September nach Tarifvertrag zu bezahlen. Die Krankenkasse Barmer geht in einer Mitteilung davon aus, dass die Kosten für ambulante Pflege in diesem Jahr deshalb sogar um 20 bis 30 Prozent steigen können. Die Verbraucherzentrale betont, dass sich Pflegeunternehmen auch bei Preissteigerungen an bestimmte Vorgaben halten müssen. Die Zentrale empfiehlt Verbrauchern, die Entgelte anderer Einrichtungen zu vergleichen und auf das Preis-Leistungs-Verhältnis zu achten. Wer die Pflegekosten nicht mehr tragen kann, kann sich an das zuständige Sozialamt wenden und prüfen, ob Anspruch auf finanzielle Unterstützung besteht.

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