Knapp 140 Fälle in NRW Geldautomatensprenger immer brutaler - Gefahr für Bürger in OWL wächst

Bielefeld. Sie kommen des nachts und lösen in Windeseile mit festem Sprengstoff eine Detonation gewaltigen Ausmaßes aus. Die Flucht treten die Täter mit oft halsbrecherischer Fahrt an, wobei nicht selten Geschwindigkeiten von mehr als 250 km/h erreicht werden. Die Überfälle auf Geldautomaten bergen ein immer größeres Gefahrenpotenzial für die Allgemeinheit. Es sei "bislang pures Glück, dass kein Mensch bei einer Sprengung oder bei einer Verfolgungsfahrt gestorben ist", bewertet NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) die zunehmend skrupelloseren Verläufe der Sprengungen. Bei den Verfolgungsjagden finden nach Auskunft des Landeskriminalamtes (LKA) Verkehrsregeln "keinerlei Beachtung und Gefahren für Leib und Leben von Unbeteiligten, der Täter selbst sowie Einsatzkräften werden billigend in Kauf genommen". Bislang haben sich laut LKA in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen bereits 139 solcher Automatensprengungen ereignet (Stichtag: 24. Oktober), davon gelten 56 Taten als Versuche, weil noch nicht geklärt ist, ob die Täter hierbei Bargeld erbeuten konnten. 15 dieser Taten ereigneten sich LKA-Angaben zufolge in Ostwestfalen-Lippe. Im Jahr 2019 gab es demzufolge insgesamt 104 solcher Taten, 2020 176 und 2021 insgesamt 150. Obwohl die Anzahl der Taten also nicht steigt, sind die Behörden zunehmend alarmiert. Denn wurden die Sprengungen in den Jahren 2015 bis 2019 weitgehend durch das Einleiten von Gasgemischen in die Geldautomaten ausgelöst, "hat sich die Anzahl der Taten, bei denen fester Sprengstoff zur gewaltsamen Öffnung der Geldautomaten benutzt wird, seit 2020 zunächst auf über 40 Prozent und bis 2022 auf knapp 90 Prozent erhöht", wie das LKA auf Anfrage berichtet. In Langenberg mussten 15 Menschen ihre Wohnungen verlassen Es kommt laut LKA an den Tatorten teilweise zu erheblichen Sachschäden. Die Polizei geht sogar davon aus, dass die Täter mehr Sprengstoff verwenden, als für die Öffnung des Geldautomaten eigentlich nötig wäre, um ein Scheitern des Überfalls auszuschließen. "Das heißt, dass immer öfter nicht ,nur' der Geldautomat zerstört wird, sondern auch Wohn- und Geschäftshäuser so stark in Mitleidenschaft gezogen werden, dass Anwohner evakuiert und Gebäude aufwendig saniert werden müssen", teilt das NRW-Innenministerium mit. Ein solcher Fall hatte sich in OWL zuletzt in Langenberg (Kreis Gütersloh) ereignet. Dort war in der Nacht zum 15. Oktober ein Geldautomat der Kreissparkasse Wiedenbrück im Ortsteil Benteler gesprengt worden. Zwar gab es keine Verletzten, doch das Gebäude wurde bei der Attacke derart stark beschädigt, dass 15 Personen die umliegenden Wohnungen zunächst verlassen mussten. Laut LKA gehen rund 80 Prozent aller Taten auf Tätergruppen aus den Niederlanden zurück. Diese Banden agieren demnach aus dem Raum Amsterdam/Utrecht heraus. Das LKA gründete im Jahr 2015 die Ermittlungskommission Heat, die sich auf dieses Deliktfeld spezialisiert hat. Die Polizeikräfte "sitzen mit den Banken und unseren internationalen Partnern den Tätern weiter im Nacken", sagt Reul. "Wir haben auf Anraten des LKA unsere SB-Foyers über Nacht geschlossen", sagt Rabea Giersch, Sprecherin der Sparkasse Bielefeld. Das gelte für die Zeit zwischen 23 Uhr abends und 6 Uhr morgens und sei auch bei den meisten anderen Geldhäusern so. Auch andere technische Vorkehrungen werden getroffen, dazu gehörten etwa Vernebelungsanlagen, die in die Räume mit den Geldautomaten eingebaut würden. Diese würden bei unbefugten Zutritten ausgelöst, wie Volker Willner, Sprecher des Sparkassen- und Giroverbandes Westfalen-Lippe, erläutert. Sparkassen haben in Westfalen-Lippe rund 2.200 Geldautomaten Doch allen Anstrengungen zum Trotz sagt Willner auch: "Sicher ist man vor solchen Sprengungen nicht." Deshalb würden in Einzelfällen auch Automatenstandorte an einsamen Orten geschlossen, um solche Sprengungen zu verhindern. Denn sie lösen für die Geldhäuser in der Regel einen hohen finanziellen Schaden aus. Immerhin unterhalten alleine die Sparkassen in Westfalen-Lippe rund 2.200 Geldautomaten. Ein neuer Automat koste alleine bis zu 25.000 Euro, der Gebäudeschaden sei erheblich. An einigen Standorten stellen Banken mittlerweile auch besonders massiv konstruierte Betonpavillons auf, die die Geldautomaten vor Sprengungen schützen sollen, wie zuletzt etwa in Werther und Halle. "Es wird viel gemacht", sagt Willner. Die Banken setzen nun auf einen erhöhten Fahndungsdruck der Polizei. Seit 2015 sind laut LKA 181 Tatbeteiligte von Automatensprengungen festgenommen worden, gegen die auch Anklage erhoben worden sei. Immerhin hat die Entwicklung auch einen kleinen positiven Nebeneffekt: Die klassischen Banküberfälle auf Filialen, bei denen Angestellte und Kunden mit Waffen bedroht werden, gibt es laut Willner "so gut wie gar nicht mehr".

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