Geduldsprobe für Patienten Selbstversuch in OWL: Das lange Warten auf einen Arzt-Termin

Bielefeld. &bdquo;Nein“, sagt die Frau an der Anmeldung des Internisten freundlich, aber bestimmt. &bdquo;Nein. Die nächsten freien Termine für eine Darmspiegelung haben wir erst im März, oder frühestens im Februar.“ In fünf bis sechs Monaten. Ich schlucke und mache ein betroffenes Gesicht. &bdquo;Und wenn es akut ist? Mit Überweisung?“, frage ich. Die Medizinische Fachangestellte lächelt weiter: &bdquo;Eine Überweisung brauchen Sie ja sowieso. Aber wir sind voll bis unters Dach.“ Im Notfall, wenn es etwa Blutungen gibt, müsste ich mich halt in eine Klinik einweisen lassen, sagt sie. Ein Einzelfall? Ich will das prüfen und suche Allgemeinmediziner, Augenärzte, Orthopäden, Urologen und andere Fachärzte und -ärztinnen in Bielefeld auf. Die jüngsten Berichte über schimpfende Patienten, Drohungen und Übergriffe in Arztpraxen und Notaufnahmen haben für Betroffenheit gesorgt, bei den Lesern und Leserinnen genauso wie in der Redaktion. Es darf nicht sein, dass medizinisches Personal beleidigt und bespuckt wird, wenn die Wünsche von Patienten nicht erfüllt werden. Doch die Kehrseite dieser Medaille zeigt dieser Selbstversuch: Viele Patienten haben im Krankheitsfall Probleme, überhaupt zeitnah einen Termin bei einem Mediziner zu erhalten. Als 59-jähriges Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse bitte ich nun um ein paar Minuten Gehör in den Sprechstunden – mit Sehstörungen, Rückenschmerzen oder Schwindelgefühlen. Je nachdem. Getestet wird nur die Terminvergabe. Keinem Arzt soll die Zeit für Behandlungen gestohlen werden. Es sollte sich zeigen: So schnell würde ich ohnehin fast nirgends vorgelassen. Offene Sprechstunde ja - aber nicht für neue Patienten In einer großen Kardiologie-Praxis stelle ich mich mit Herzrasen vor. Dort soll ich besonders geduldig sein. &bdquo;Am 15. März wäre ein Termin für Sie“, sagt die Dame am Empfang ungerührt. Meint sie es ernst? Ich fühle mich auf den Arm genommen, mein Puls beschleunigt sich tatsächlich. &bdquo;Nein, ich habe doch jetzt Probleme“, sage ich. &bdquo;Dann brauchen Sie eine Überweisung vom Hausarzt mit Angaben der Dringlichkeit.“ Alles Weitere hänge davon ab, wie mein Hausarzt meinen Fall einschätzt. &bdquo;Immer erst zum Hausarzt“, gibt die Fachfrau mir als Ratschlag mit auf den Weg. Gesagt, getan. Bei einem Allgemeinmediziner stelle ich mich wegen meiner Herzprobleme als Neupatient vor. &bdquo;Termine für neue Patienten haben wir leider erst wieder im Januar“, höre ich. Ich frage nach einer offenen Sprechstunde für eilige Fälle. &bdquo;Ja, die haben wir – aber nicht für neue Patienten.“ Die Sprechstundenhilfe wirkt gestresst, bleibt aber freundlich. Ich bleibe ebenfalls freundlich und gehe. Mein Herz müsste heute wohl ohne Untersuchung bleiben. Denn es ist Mittwochmittag, kurz bevor viele Ärzte ihre Praxen für Patienten schließen. Die befürchteten längeren &bdquo;Vorlaufzeiten“ für einen Termin gibt es auch bei einem Augenarzt, wo ich als Neupatient einen Termin im Dezember angeboten bekomme (&bdquo;gehen Sie im Notfall doch zum Notdienst“). Und bei einem Neurologen: &bdquo;Wir haben eigentlich Aufnahmestopp“, erfahre ich, bekomme nach leichtem Quengeln dann aber immerhin ein Datum Anfang November genannt. &bdquo;Und wenn es schlimm wird mit meinen Beschwerden?“ – &bdquo;Dann müssen Sie ins Krankenhaus.“ Für KinderärztInnen, die in Rente gehen, gibt es keine Nachfolger Wirklich schlimm scheint es vor allem bei den Kinderärzten und Kinderärztinnen zuzugehen. Die Lage sei in Bielefeld prekär, weil Ärzte in Rente gingen oder ganze Praxen schlössen, aber keine Nachfolger in Sicht seien, sagt eine Helferin. &bdquo;Wir haben eine offene Sprechstunde eingerichtet, können den Jungs und Mädchen aber keine Dauerversorgung anbieten.“ Eine Niederlassung als Kinderarzt sei für viele junge Mediziner, die auch Zeit für sich und ihre Familien wollten, zunehmend unattraktiv: Wegen der enormen Belastung und der hohen Ansprüche der besorgten Eltern vor allem. &bdquo;Als angestellter Arzt darf man auch selbst einmal krank werden – als Selbstständiger mit eigener Praxis ist das schwierig.“ Lesen Sie auch: Die nächste Bielefelder Kinderarztpraxis schließt Ich frage nach Zwischenfällen. Gibt es pöbelnde Patienten? &bdquo;Das kommt vor“, sagt eine Sprechstundenhilfe bei einem Orthopäden. &bdquo;Wenn Wünsche nach einer Physiotherapie oder einem kurzfristigeren Termin nicht erfüllt werden.“ Gelegentlich nutze der Arzt sein Hausrecht und werfe Patienten aus der Praxis. Es sei auch schon einmal die Polizei gerufen worden. &bdquo;Aber die meisten Patienten sind doch nett.“ In keiner Praxis höre ich laute Worte, unverschämte Patienten oder missmutiges Personal. Die Stimmung ist an diesem trüben Vormittag Ende September überall friedlich, gelegentlich geschäftig, aber nirgends herrscht Chaos. Der größte Andrang herrscht in einer Hautarztpraxis, die Schlange reicht bis auf den Hausflur. Aber ausgerechnet hier sind die Wartezeiten auf einen Termin unerwartet kurz: &bdquo;Heute geht es nicht mehr. Aber nächste Woche Donnerstag!“ Ich bin einverstanden, denn ich würde gern einmal etwas Auffälliges in Augenschein nehmen lassen. Etwas Zeit werde ich wohl im Wartezimmer zubringen müssen. "Akute Verletzungen schieben wir kurzfristig dazwischen" In der gleichen Praxis beobachte ich einen Betreuer, der offensichtlich einen Neupatienten bringt. &bdquo;Ja, den Termin haben wir online gebucht, und zwar relativ kurzfristig – das hätte ich bei einem Facharzt nicht erwartet“, sagt der Betreuer erstaunt. Bei zwei Orthopäden werden mir ebenfalls recht schnell Besuche in der Sprechstunde ermöglicht. Als Neupatient bekomme ich in der einen Praxis einen Termin in der kommenden Woche angeboten. In einer anderen Praxis würde der sogenannte &bdquo;Vorlauf“ drei bis vier Wochen betragen. &bdquo;Aber akute Verletzungen versuchen wir natürlich kurzfristig dazwischenzuschieben.“ Natürlich? Nach meinen Erlebnissen erscheint mir das gar nicht selbstverständlich. Bei &bdquo;meinem“ Internisten (in der offenen Notfallsprechstunde) und &bdquo;meinem“ Hals-, Nasen-, Ohrenarzt (über die Online-Terminvergabe) sind kurzfristige Konsultationen ebenfalls möglich. Mit beiden Ärzteteams bin ich seit Jahren sehr zufrieden. Lange Wartezeiten auf Termine sind kein Qualitätsnachweis. Wer Ärzte gefunden hat, die zu ihm passen, der hat es leichter. Lesen Sie auch: Immer mehr Gewalt in Praxen und Notaufnahmen in OWL

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