AWO-Vorstand im Interview "Das Geld ist in den falschen Töpfen" - Bleibt das Berufskolleg erhalten?

Die Nachricht, dass die AWO Bezirksverband OWL e.V. (AWO OWL) einige Einrichtungen in OWL schließen muss, um zu sparen, war in dieser Woche ein richtiger Paukenschlag. Wie konnte es so weit kommen? Thomas Euler: Wir haben bei der Arbeiterwohlfahrt seit langem ein sehr umfangreiches Portfolio, was die sozialen Dienste und Angebote angeht. Früher sagten die Leute, wir liefern von der Wiege bis zur Bahre. Das hat dazu geführt, dass wir über die Jahre auch Nischenthemen bedient haben, die zunehmend wirtschaftlich nicht auskömmlich sind. Das Problem ist, dass die steigenden Anteile, die je nach Finanzierungsstruktur von Land, Kommune und Bund gefordert werden, über die letzten Jahre eine Differenz gebracht haben. Heißt: Das, was wir für unsere Dienste bekommen, ist weniger als die Kosten. Und diese Schere ist beispielsweise durch Tarifsteigerungen, durch gestiegene Sachkosten, aber auch durch unwägbare Risiken wie die Energiekosten immer größer geworden. Benjamin Kramer: Wir sind gemeinnützig, aber müssen trotzdem kostendeckend sein. Das Problem ist, dass in vielen sozialen Bereichen Eigenmittel von der AWO OWL erwartet werden, für Dienstleistungen, die wir im Auftrag von Bund, Land und Kommunen erbringen. Die jetzt veröffentlichten Maßnahmen sind für die Zukunftssicherheit der AWO OWL notwendig. Sie sind als Vorstand der AWO OWL erst seit neun Monaten im Amt. Waren diese finanziellen Probleme vorher zu erkennen? Euler: Die Entscheidungen haben wir aufgrund einer Ist-Analyse der aktuellen Finanzlage der AWO OWL getroffen. Die Probleme sind grundsätzlicher Natur und die Handlungsnotwendigkeiten waren offenkundig. Aber es ist auch eine Frage des Umgangs. Als Wohlfahrtsverband sind wir wertegebunden und haben eine emotionale Verbindung und eine soziale Verantwortung den Menschen gegenüber. Daran haben wir bisher bewusst festgehalten. Aber die Mittel von Bund, Ländern und Kommunen werden immer weniger und unsere Kosten steigen. Der "Break Even"-Punkt ist jetzt erreicht. Heißt das, Sie müssen die Identität der AWO OWL aus Kostengründen infrage stellen? Euler: Im Gegenteil, denn die jetzt veröffentlichten Maßnahmen sind ein Hilferuf. Wichtig ist uns dabei, dass wir uns aus den betroffenen Feldern nicht gänzlich verabschieden, sondern lediglich die Trägerschaft übertragen. Diese Feinheiten sind in der Wahrnehmung etwas untergegangen. Auch die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern liegt uns am Herzen, aber die Finanzierung von Berufsschulen an zwei Standorten können wir finanziell nicht weiter stemmen. Das heißt, Sie haben alles probiert, um die nun nötigen Schließungen zu verhindern? Wären keine anderen Lösungen möglich? Euler: Wir bilden rund 15 Prozent der Erzieherinnen und Erzieher in OWL aus, aber nur etwa 25 Prozent der Absolventen unserer Berufskollegs bleiben auch bei der AWO OWL. Aber ein Interesse anderer Träger, die Ausbildung mitzufinanzieren, gibt es fast nicht. Auch Initiativen und Stiftungen haben wir kontaktiert, aber es sind keine freien Mittel zu bekommen. Auch auf Landesebene haben wir alles probiert. Das Geld ist grundsätzlich da, aber es ist in den falschen Töpfen. Von den Maßnahmen sind auch das Gemeinschaftliche Wohnen am Spatzenberg in Löhne, eine Einrichtung für Menschen mit Autismus, und einige Wohnanlagen betroffen. Wie kam es zu den Entscheidungen? Euler: Die Autismuseinrichtung ist die einzige in unserem Verband, was einen hohen Aufwand für eine kleine Einrichtung bedeutet. Es gibt bereits Gespräche mit Interessenten, die die Trägerschaft übernehmen wollen. Die Behindertenhilfe ist nicht unser Kerngeschäft und wir wollen uns von der Solitärstruktur trennen. Anders sieht es mit Kitas aus, da sind wir Experten und die stehen auch nicht zur Diskussion. Kramer: Auch von einigen wenigen Wohnanlagen trennen wir uns aus wirtschaftlichen Gründen. Die Häuser, die unter anderem Mehrgenerationenhäuser werden sollten, werden den aktuellen Ansprüchen nicht mehr gerecht. Sie sind sanierungsbedürftig und bei den aktuellen Wohnungsbaukosten können wir das nicht sinnvoll leisten. Wir werden sie auf dem Markt verkaufen. Könnte es auch in zwei, drei Jahren weitere Schließungen geben? Kramer: Wenn es uns gelingt, die anfangs beschriebene Schere wieder zu schließen, dann wird es bei den jetzt beschlossenen Maßnahmen bleiben. Gibt es noch eine Chance, die Entschlüsse zu korrigieren? Euler: Bei den Einrichtungen, bei denen es um den Wechsel der Trägerschaft geht, ist die Entscheidung final. Anders sieht es beispielsweise beim Berufskolleg aus. Der vom Aufsichtsrat abgesegnete Beschluss sieht bis Ende Oktober noch vor, die Finanzierung sicherzustellen. Erst wenn das nicht gelingt, streben wir die Schulschließung an. Wenn ich einen Wunsch äußern könnte, dann, dass alle, die jetzt erst Anfang des Monats ihre Ausbildung begonnen haben, diese auch bei uns beenden können. Natürlich würde ich die Schule gerne erhalten. Aber dafür brauchen wir langfristige Sicherheit mit einer verbindlichen Finanzierungsstruktur.

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