NRW-Schulministerin: „In Schulen werden die Heizungen nicht abgedreht“

Frau Feller, am Mittwoch startet das neue Schuljahr, wir befinden uns in turbulenten Zeiten. Was bedeutet die aktuelle Debatte zum Thema Heizen und Energiesparen für die Schulen? Dorothee Feller: Die Schulen sind laut Bundesnetzagentur geschützte Kunden. Das heißt: In den Schulen werden die Heizungen nicht abgedreht. Das halte ich für ganz wichtig, denn wir brauchen in den Klassenräumen und Lehrerzimmern eine Temperatur, bei der die Schülerinnen und Schüler gut lernen und unsere Lehrkräfte den Unterricht gut vorbereiten können. Auch die Corona-Pandemie könnte ab dem Herbst wieder Probleme bereiten. Womit rechnen Sie? Wir müssen uns darauf einstellen, dass zeitweilig Lehrkräfte ausfallen. Wir empfehlen deshalb allen am Schulleben Beteiligten, in der Schule eine Maske zu tragen. Kinder, bei denen Symptome auftreten, sollen sich vor dem Schulbesuch zu Hause zu testen. Sie dürften künftig eine Maskenpflicht ab dem fünften Schuljahr verhängen, wenn sonst kein geregelter Präsenzunterricht mehr möglich wäre. Würden Sie dann im Zweifel nach den Herbstferien eine generelle Maskenpflicht verhängen? Ich habe bei der Vorstellung unseres Handlungskonzepts gesagt, dass wir genau verfolgen, ob sich durch die Überarbeitung des Infektionsschutzgesetzes neue Handlungsmöglichkeiten ergeben. Ein Entwurf, der noch vom Bundestag verabschiedet werden muss, liegt nun vor. Was daraus für unsere Schulen folgt, werden wir weiterhin in enger Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium und unter Einbeziehung der am Schulleben Beteiligten beraten und entscheiden. Wie sehr werden Sie die Entscheidungen von der Inzidenz abhängig machen? Für uns wird künftig die Situation vor Ort an einer konkreten Schule ausschlaggebend sein. Maßgeblich ist für uns die Expertise unseres Gesundheitsministeriums. Was betrachten Sie als größte Herausforderung im System? Die Grundherausforderung lautet: Wir brauchen mehr Köpfe, also mehr Lehrer und mehr Personal, das sie in ihrer täglichen Arbeit unterstützt. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag festgehalten, dass wir 10.000 zusätzliche Lehrpersonen an unsere Schulen bringen wollen. Wie ist es dann zu erklären, dass es immer wieder Lehrer gibt, die keine Stellen finden und zum Beispiel nur vertretungsweise angestellt werden? Es gibt regionale Unterschiede und sicherlich Orte, in denen die Herausforderung größer ist, Lehrkräfte zu gewinnen. In OWL ist die Versorgung unserer Schulen mit Personal vergleichsweise gut: Von rund 18.720 Lehrerstellen waren zuletzt mehr als 18.580 Stellen besetzt, also über 99 Prozent. Wir haben in NRW vor allem einen Überhang im Bereich der Gymnasiallehrer und einen Mangel in bestimmten Fächern. Gibt es zu viele Abiturienten? Mein Wunsch ist, dass wir der beruflichen Bildung und anderen Schulformen wieder mehr Bedeutung beimessen. Es wäre gut, wenn wir darüber in der Gesellschaft breit debattieren. Jeder junge Mensch soll bei uns die Bildung bekommen, die am besten zu ihm passt. Wenn Eltern sich entgegen der Empfehlung für das Gymnasium entscheiden, ist das auch nicht immer im Interesse der Kinder. Wir müssen jedem jungen Menschen den Weg ermöglichen, der zu einer hohen Lebenszufriedenheit führt. Das kann bei der einen ein Studium sein, bei dem anderen die berufliche Ausbildung und wieder bei einem anderen die Kombination aus beidem. Ein Grund dafür, dass es mehr Gymnasiallehrer gibt, könnte die ungleiche Bezahlung sein... Ja, deshalb wollen wir schon bis zu den Herbstferien in einer ersten von mehreren Stufen die Eingangsbesoldung A13 für alle Lehrkräfte auf den Weg bringen. Dazu führen wir bereits gute Gespräche mit dem Finanzministerium. Am Ende sollen alle, also sowohl die neuen als auch unsere erfahrenen Bestandslehrkräfte, mit A13 in den Lehrerberuf einsteigen. Das ist ein deutliches Zeichen der Wertschätzung, auch und gerade für unsere Grundschullehrkräfte. Gibt es in der Elternschaft mitunter zu hohe Erwartungen an das Schulsystem? Schon der frühere Bundespräsident Roman Herzog sagte einmal sinngemäß: Bildung ist Sache der Schule, aber die Eltern sind nicht außen vor. Um gute Bildung und Erziehung kümmern sich bestenfalls also Schule und Elternhaus gemeinsam. Wie entwickelt sich die Anzahl an ukrainischen Kindern und Jugendlichen an den Schulen? Wir hatten vor den Ferien 24.662 Kinder an unseren Schulen, die aus der Ukraine geflohen sind und von denen wir nicht genau wissen, wie lange sie bleiben. Viele wollen ja so schnell wie möglich wieder zurück. Deshalb war es in meinen Augen richtig, dass sie zunächst weiter per Distanzunterricht am Unterricht in der Ukraine teilnehmen konnten. Zugleich müssen die Kinder und Jugendlichen schnellstmöglich die deutsche Sprache lernen, um sich bei uns zurechtzufinden. Und das geht am besten in der Schule. Wo und wie sollen sie unterrichtet werden? Es ist gut, wenn die Schülerinnen und Schüler möglichst schnell in die bestehenden Regelklassen kommen. Mir ist bewusst, dass das die Schulträger mancherorts vor große Herausforderungen stellt; gerade, was die Räume angeht. Deshalb würde ich den Kommunen hier vorerst eine gewisse Flexibilität zugestehen. Unser Ziel sollte es aber sein, die Kinder und Jugendlichen möglichst schnell in den Regelunterricht zu integrieren. Es darf nicht der Eindruck entstehen: Ihr bleibt erstmal unter euch. Noch eine persönliche Frage: Wie beschreiben Sie das so unbeliebte Amt der Schulministerin nach fünf Wochen aus eigener Erfahrung? Ich beschreibe es zuerst einmal als ein wichtiges Amt, in dem ich wirklich gut aufgenommen wurde. Die ersten Wochen haben wir genutzt, um mit all jenen zu sprechen, die das Schulleben vor Ort mitgestalten. Wir wollen Vertrauen aufbauen, hören alle Argumente und werden sie auch in die Entscheidungsfindung einfließen lassen. Irgendwann werden wir jedoch Entscheidungen treffen müssen, wofür ich dann als Ministerin auch die Verantwortung übernehme. Dabei wird es sicherlich hier und da immer auch Kritik geben. Aber meine Hoffnung ist: Wer seine Entscheidungen gut erklärt, wird dafür Verständnis bekommen.

Dorothee Feller im Interview NRW-Schulministerin: „In Schulen werden die Heizungen nicht abgedreht“

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