Regionales "Die Schere zwischen armen und reichen Kommunen bereitet Sorgen"

Herr Löb, in Kürze endet Ihre achtjährige Amtszeit als Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Was hat sich dort verändert? Matthias Löb: Nach innen war es mir wichtig, eine Kultur des Vertrauens und der gegenseitigen Wertschätzung aufzubauen. Das ist bei fast 19.000 Beschäftigten keine Selbstverständlichkeit. Wir haben priorisierte Investitionsprogramme für die Psychiatrie, den Kulturbereich sowie unsere Förderschulen auf den Weg gebracht, die Fusion der Provinzial-Versicherung, die Förderung von Inklusion, also des selbstverständlichen Zusammenlebens von Menschen mit und ohne Behinderungen auf allen unseren Aufgabenbereichen waren weitere wichtige Entwicklungen. Beson-ders freut es mich auch, dass es gelungen ist, dass westfalenweite Netzwerk &bdquo;Kultur in Westfalen“ dauerhaft in unserem Haushalt zu verankern. "Positive Auswirkungen auf den Tourismus" In Porta Westfalica hat der LWL ins Kaiser-Wilhelm-Denkmal 16 Millionen Euro investiert. Hat sich das gelohnt? Unbedingt! Sie müssen bedenken, dass wir ja ohnehin mindestens 7 Millionen Euro für die Sanierung des Ringsockels in die Hand hätten nehmen müssen. Ohne ein deutlich weitergehendes Konzept hätten wir auch nicht die Anerkennung als national bedeutende Denkmalstätte und über 5 Millionen Euro Förderung vom Bund erhalten. Ich habe selten ein Projekt erlebt, bei dem wir so viel positive Rückmeldung erhalten haben. Jede und jeder mit dem ich gesprochen habe, sagt, dass es richtig war, an diesem Standort, in diese bedeutende westfälische Landmarke zu investieren. Unter den nationalen Monumenten in Deutschland sind wir nun auch konzeptionell und von der Infrastruktur her eine der drei Top-Adressen. Und schon jetzt gibt es positive Auswirkungen auf Tourismus und Übernachtungszahlen in der Region. Stolze 38,5 Millionen Euro fließen in eine ab Oktober beginnende Modernisierung des Eingangsbereichs des Freilichtmuseums Detmold. Na, bei der aktuellen Baukonjunktur werden wir am Ende wohl eher über 40 Millionen Euro liegen. Dabei geht es aber um weit mehr als Toiletten und Kassenhäuschen: Mit der Neugestaltung des Eingangsbereiches organisieren wir den Verkehr neu, insbesondere wollen wir eine barrierearme Zuwegung. Es entsteht eine markante Architektur, die zu einer sichtbaren Adressbildung dieses größten deutschen Freilichtmuseums beiträgt. Der Neubau markiert auch eine Zeitenwende für unser Museum: Das Museum für Alltagskultur, wie es nun heißt, wird sich verstärkt in Ausstellungen Themen widmen, die uns in der Gegenwart beschäftigen. Und dafür braucht es auch Ausstellungsräume. Ganz nebenbei machen wir die historische Parkanlage in einer zeitgemäßen Interpretation wieder sichtbar. "Selbstständiges Wohnen auch für Menschen mit schwersten Behinderungen" Jüngst wurde in Lübbecke ein Wohnangebot für Menschen mit Behinderung eröffnet. Was steckt dahinter? Wir haben vor fünf Jahren unsere SeWo GmbH gegründet, um mit einem Förderprogramm zu zeigen, dass selbstständiges Wohnen auch für Menschen mit schwersten Behinderungen möglich ist. Dabei soll auch besondere Technik in den Gebäuden helfen und eine nachbarschaftliche Einbindung in das jeweilige Wohnquartier. Wir beraten und unterstützen die Träger der Wohnangebote dabei, in Lübbecke ist das der Wittekindshof. Die ersten Bewohner sind mit den Bedingungen dort sehr zufrieden. Wir setzen darauf, dass sich auch Kontakte zu den Nachbarn entwickeln werden. Ein erster Tag der offenen Tür fand eine große Resonanz. Wird der LWL auch künftig in der Lage sein, seine Aufgabe, für gleiche Lebensverhältnisse der Menschen in großen und kleinen Kommunen zu sorgen, wahrnehmen zu können? Ich bin seit vielen Jahren auch kommunaler Finanzpolitiker. Und mir macht die wachsende Schere zwischen armen und reichen Kommunen in der Tat große Sorgen. Es kann doch nicht sein, dass in einer Stadt wie Düsseldorf die Kitas gebührenfrei sind, in einer Stadt wie Duisburg aber mit die höchsten Kita-Gebühren zu zahlen sind. Und es ist nicht so, dass in den attraktivsten Städten die höchsten Grund- und Gewerbesteuern zu zahlen sind, sondern in den Städten, die finanziell bereits mit dem Rücken zur Wand stehen. Wir als LWL können im Kulturbereich, in der Psychiatrie, in der Jugendhilfe und bei den Hilfen für Menschen mit Behinderung für gleichwertige Lebensverhältnisse sorgen. Das ändert aber nichts an der berechtigten Forderung der Gemeinden und Städte, dass sie von Sozialausgaben entlastet werden müssen, um wichtige Zukunftsfragen aus eigener Kraft lösen zu können. "Wir müssen auch in erneuerbare Energien investieren" Bis 2030 will der LWL klimaneutral werden. Stehen Sie hinter diesem Ziel? Ja, ich stehe voll hinter diesem Klimaziel. Wir haben gerade in unserem Naturkundemuseum in Münster eine Klima-Ausstellung eröffnet, die deutlich zeigt, dass wir beim Klimawandel schon &bdquo;5 nach 12“ haben und dass daher Politik, Industrie aber auch jeder Einzelne und jede einzelne Institution gefragt ist, schnell umzusteuern. Der LWL hat jetzt schon 60 Prozent seiner CO2-Emissionen, gerechnet vom Jahr 1990, eingespart. Wir wollen bis 2030 die letzten 40 Prozent einsparen oder kompensieren. Dazu haben wir unseren politischen Gremien ein integriertes Klimaschutzkonzept mit ganz konkreten Handlungsfeldern und Maßnahmenpaketen vorgelegt. Wir müssen aber auch außerhalb unserer eigenen Fläche in erneuerbare Energien investieren, ohne dies können wir die unvermeidbaren CO2– Emissionen nicht ausgleichen. "90 Prozent der Ausgaben im sozialen Bereich" Werden die Kommunen künftig tiefer in die Tasche greifen müssen, damit der LWL seine Aufgaben noch vollumfänglich wahrnehmen kann? Im Kernhaushalt verwaltet der LWL 3,6 Milliarden Euro, davon entfallen etwa 90 Prozent auf unsere Aufgaben im sozialen Bereich. Die Entwicklungen der letzten Jahre, mehr leistungsberechtigte Menschen, oft auch mit schweren Behinderungen – das wird sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen. Dabei müssen Sie berücksichtigen, dass auch die Menschen mit schweren Behinderungen mittlerweile zum Glück alt werden können und wie bei uns allen steigen im Alter auch die Hilfebedarfe. Wir finanzieren über die Eingliederungshilfe die Leistungsangebote beim Wohnen und beim Arbeiten für Menschen mit Behinderung, die von der freien Wohlfahrtspflege organisiert werden. Das bedeutet aber auch, dass wir Tariflohnsteigerungen und sonstige Kostenentwicklungen über die Umlage abdecken müssen. Also: Auch künftig werden wir jährliche Steigerungen von mindestens 100 – 150 Millionen pro Jahr haben. Damit dürfen die Kommunen nicht alleine gelassen werden. Wohin wird es Sie künftig ziehen? Ich habe jetzt nicht auf Biegen und Brechen eine berufliche Anschlussperspektive gesucht. Ich habe einige Ideen im privaten wie im ehrenamtlichen Bereich. Vor allem werde ich die Ratschläge guter Freunde beherzigen, die mir gesagt haben: Erst einmal Abstand gewinnen, sacken lassen und dann entscheiden, was du machen willst.

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