Folgen des Konfliks Hunderte Straftaten mit Bezug zum Ukrainekrieg in NRW

Bielefeld/Düsseldorf. Die Sicherheitsbehörden registrieren im Zusammenhang mit dem Krieg hunderte Straftaten auf den Straßen in NRW. Erschütternd: Die meisten richten sich gegen die ukrainische Seite. Ein Ermittler über den Stand der Dinge. Björn Ekhoff (47) ist Leiter der Abteilung 6 beim Landeskriminalamt (LKA) in NRW und damit zuständig für Staatsschutzdelikte. Also; Politisch motivierte Kriminalität. Er berichtet im Gespräch mit nw.de: "Seit Kriegsbeginn haben wir in NRW 749 Straftaten mit Bezug zum Ukrainekrieg erfasst." Bei einem Großteil der Straftaten handele es sich um Sachbeschädigungen (283 Fälle) sowie Beleidigung (65). In 48 Fällen kam es zudem zur Bedrohung, erfasst wurden auch 65 Gewalttaten, davon 41 Körperverletzungen. Eine Besonderheit: "In 93 Fällen wurden Anzeigen wegen der Billigung von Straftaten geschrieben", sagt Ekhoff. Der Grund: das "Z"-Symbol, das zur Solidarität mit der russischen Seite genutzt wird. "Wenn dieses Symbol die Solidarisierung mit Russlands Angriffskrieg zum Ausdruck bringen soll, kann es einen Straftatbestand erfüllen", sagt Ekhoff. Er nennt zur Verdeutlichung ein Beispiel: "Wenn jemand mit einem großen 'Z' am Auto vor einer ukrainischen Flüchtlingsunterkunft vorbeifährt und in gewisser Weise einschüchtert, kann der Bestand erfüllt sein. Wenn er mit dem Symbol nur über die Autobahn fährt, muss das nicht der Fall sein." Auch bei aufgesprühten "Z"-Symbolen, die immer wieder auftauchen, müsse der Tatbestand der Billigung von Straftaten nicht immer gegeben sein. "Dann bleibt es gegebenenfalls bei einer Sachbeschädigung mit Bezug zum Krieg", so Ekhoff. Nur wenig Sexualstraftaten Mit Beginn des Flüchtlingsstroms wegen des Krieges warnten Experten vor der Gefahr für Ukrainer. "Wir haben immerhin vor allem geflüchtete Frauen und Kinder hier", sagt Ekhoff. Der Grund für die Warnung: Die alleinreisenden Frauen könnten in die Fänge von Menschenhändler geraten oder Opfer von Sexualstraftaten werden. "Wir haben bisher 22 Sexualdelikte mit Bezug zum Ukrainekrieg erfasst, davon 19 gegen ukrainisch assoziierte Personen", berichtet Ekhoff. "Die Zahlen bleiben im niederschwelligen Bereich - wenngleich jede Tat für das Opfer eine Katastrophe ist." Im Bereich des Menschenhandels habe man nach vorläufigem Stand zudem vier Straftaten erfasst. Ekhoff spricht generell mit Blick auf die Zahlen der Straftaten von einer "absolut außergewöhnlichen Situation", die kaum vergleichbar sei. Auch nicht mit dem Nahostkonflikt, in dessen Folge es etwa im vergangenen Jahr zu einer Häufung antisemitischer Straftaten in NRW kam. Ekhoff berichtet: "Wir haben beim Ukrainekrieg die Gefahr, dass ukrainische und russische Lager sich auf der Straße begegnen und dass es knallt." Dabei müsse es nicht nur bei Beleidigungen bleiben. "Die Wahrscheinlichkeit, dass Gruppen mit ukrainischen oder russischen Flaggen einfach aneinander vorbeigehen, ist derzeit schwach ausgeprägt", so Ekhoff weiter. "Ich glaube, da wird noch einiges auf uns zu kommen." "Konfliktpotenzial kann auch nach dem Krieg bestehen bleiben" Generell, so der 47-Jährige, nehme das Mobilisierungspotenzial aber ab. "Wir haben nicht mehr so viele Demonstrationen wie zu Beginn des Krieges - und auch keine Versammlungen mit hunderttausenden Teilnehmern", sagt Ekhoff. Auch die Zahl der Delikte nehme mittlerweile ab. Interessant sei allerdings ein Blick auf die Geschädigten der Straftaten: "Im ersten Monat des Krieges waren die meisten Geschädigten russisch assoziiert, insgesamt 64. Dagegen wurden 52 Opfer im ukrainischen Lager verortet", so Ekhoff. "Doch seitdem haben sich die Zahlen enorm verändert. Mittlerweile sind etwa dreiviertel der Opfer ukrainisch assoziiert und nur ein kleiner Teil russisch." Und wie ist es nach einem möglichen Kriegsende? Nehmen die Straftaten mit Bezug zu dem Krieg dann ab? "Wir haben aktuell viele Straftaten, die als Reaktion auf eine Solidaritätsbekundung zurückzuführen sind", sagt Ekhoff. Ein Beispiel: "Jemand hängt eine Ukraine-Flagge in sein Fenster - ein russischer Sympathisant sieht das und wirft die Scheibe ein. Solche Straftaten werden wir nach dem Krieg wohl nicht mehr haben", schätzt Ekhoff die Situation ein. "Das Konfliktpotenzial zwischen ukrainisch- und russischstämmigen Personen kann aber auch nach dem Krieg bestehen bleiben."

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