Politische Straftaten Plötzlich deutlich mehr Reichsbürger in OWL - das sind die Gründe

Bielefeld. Der Bielefelder Staatsschutz zählt immer mehr Reichsbürger in Ostwestfalen-Lippe. Doch auch die Straftaten von Rechten sowie Corona-Leugnern sind im Jahr 2021 gestiegen. Das berichtet der Bielefelder Staatsschutz.Mittlerweile gibt es laut der Abteilung der Bielefelder Polizei, die für politische Straftaten zusträndig ist, exakt 468 Reichsbürger in OWL. Zum Vergleich: Ein Jahr zuvor wurde die Zahl noch mit 395 beziffert. Den Hotspot stellt bereits seit Jahren der Kreis Herford dar, in dem 2021 91 Anhänger der Bewegung verortet werden. Gefolgt von Minden-Lübbecke (75) sowie Gütersloh und Lippe (je 67). Auch in ganz NRW ist die Zahl der Reichsbürger laut Verfassungsschutz zuletzt gestiegen. Experten sehen vor allem Gründe in der Corona-Pandemie und dem Demonstrationsgeschehen, in dessen Rahmen es zu einer Flut an Verschwörungsmythen kam, die zum Teil auch Bezug zur Reichsbürger-Szene haben. Zudem beteiligten sich Anhänger der Bewegung an den Protesten gegen die Maßnahmen.Auch die Polizei Bielefeld führt den Zuwachs der Szene auf die Corona-Proteste zurück. Und nicht nur das: Die Polizei verzeichnete im Umfeld der Corona-Leugner und Impf-Skeptiker im vergangenen Jahr ein deutliches Plus an Straftaten, erfasst in der Kategorie "sonstige politische Motivation". Hier stieg die Zahl von 181 auf 240. Dabei kam es in vielen Fällen zu Sachbeschädigungen. Übrigens: Die meisten solcher Straftaten erfasste der Staatsschutz im Kreis Minden-Lübbecke."Der mit der Corona-Pandemie entstandenen Querdenken-Bewegung haben sich weitere Akteure wie Reichsbürger, aber zum Teil auch Rechtsextreme angeschlossen", heißt es vom Bielefelder Staatsschutz. "Sie versuchen, die Stimmung zu nutzen, um in der Mitte der Gesellschaft verfassungsfeindliches und extremistisches Gedankengut zu verankern und die staatliche Ordnung zu delegitimieren." Insgesamt zeigt auch ein genauer Blick nach OWL, wie Rechtsextreme mittlerweile Teil der Demos geworden sind. So zum Beispiel Tim K., Autor und ehemaliger Polizist sowie Chef der Rocker-Gruppe "Brothers Guard". K. aus Horn-Bad Meinberg (Kreis Lippe) gilt als ein einflussreicher Youtuber (mehrere hunderttausend Fans) und wird mittlerweile regelmäßig in Lagebildern des NRW-Innenministeriums zum Protestgeschehen erwähnt. Zum einen, weil er sich in seinen Youtube-Filmen immer wieder gegen Staat und staatliche Maßnahmen richtet, zum anderen, weil er mittlerweile selbst an Demos teilnimmt.Zum Beispiel in Paderborn. Oder vor einigen Wochen in Lippstadt. Hier wurde er von mehreren mutmaßlichen Reservisten begleitet, darunter eine weitere bekannte Person der rechtsextremen Szene in OWL: einem Funktionär der verbotenen "Heimattreuen Deutschen Jugend" aus dem Raum Detmold. Der Mann organisiert zudem regelmäßig Schilder-Demonstrationen im Raum Lippe. Zudem werden auf den Demonstrationen in ganz OWL immer wieder Anhänger der Partei "Die Rechte" oder der rechtsextremen "Identitäre Bewegung" gesichtet. Im Raum Minden legen Social-Media-Einträge nahe, dass Personen aus dem Umfeld der NPD regelmäßig an Demos teilnehmen. Hinzu kommen Personen aus dem Umfeld der AfD oder extrem rechter Burschenschaften.Insgesamt verzeichnete die Bielefelder Polizei 640 politisch motivierte Straftaten in OWL, ein Plus von mehr als acht Prozent. Ein Großteil der Delikte wird dem rechten Spektrum zugeschrieben - insgesamt mehr als 280, Tendenz steigend. Die meisten erfasste die Polizei in Bielefeld und Herford (jeweils mehr als 50 rechte Straftaten). Sorgen bereitet dem Staatsschutz zudem der Anstieg von politisch motivierten Gewalttaten - von 17 auf 25, die meisten (14) von Rechts. Hinzu kommt eine höhere Zahl an antisemitischen Straftaten (37 Taten im vergangenen Jahr, zuvor 13 weniger). Nahezu alle Taten wurden durch Rechte begangen, in einem Fall war der Täter allerdings Sympathisant der islamistischen Hizb Allah.In den Phänomenbereichen "Links", "Ausländische Ideologie" und "Religiöse Ideologie" gingen die Fallzahlen laut Staatsschutz im vergangenen Jahr zurück. Im Bereich "Links" reduzierten sich die Fälle von 106 auf 93 Delikte, im Bereich "Ausländer" - also zum Beispiel türkischer Links- oder Rechtsextremismus - von 22 auf 16 und im Bereich "Religiöse Ideologie" von 9 auf 8. Der Staatsschutz sieht vor allem digitale Medien wie Telegram, über die sich etwa Rechtsextreme oder Corona-Leugner vernetzen, als besondere Herausforderung. "Wir stellen uns darauf ein, dass die andauernde Pandemie, aber auch die veränderte Sicherheitslage durch den Ukraine-Krieg Einfluss auf die politisch motivierte Kriminalität nehmen und damit auch auf unsere Arbeit einwirken wird", heißt es vom Staatsschutz Bielefeld.

Mehr zum Thema