Ärger vor Landtagswahl „Wüst kneift“: NRW-Chef wegen öffentlicher Auftritte in der Kritik

Düsseldorf. Acht Wochen vor der Landtagswahl in Deutschlands wichtigstem Bundesland gerät NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) wegen öffentlicher Auftritte in die Kritik. Die Opposition wirft ihm vor, öffentlichen und fachlichen Diskussionsrunden mit seinen Herausforderern bewusst aus dem Weg zu gehen, indem er sich vertreten lasse und nur kurze Grußworte halte. Dahinter stecke Wüsts Methode, sich nicht auf die Ebene der Spitzenkandidaten &bdquo;hinabzulassen“. Die CDU sieht das völlig anders.Vor politischen Wahlen ist es üblich, dass die Spitzenkandidaten der Parteien an Diskussionsrunden teilnehmen, damit sich die Wählerinnen und Wähler im direkten Streitgespräch selbst ein Bild von ihnen machen können. Doch Ministerpräsident Wüst scheint diesen Gesprächen bislang aus dem Weg zu gehen. Die Industrie- und Handelskammern (IHK) Aachen, zu Köln und Mittlerer Niederrhein hatten am 25. Februar zu einer Diskussionsrunde geladen. An der nahmen SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty und Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur teil.Die Spitzenkandidaten von CDU und FDP, Hendrik Wüst und Joachim Stamp, fehlten jedoch und ließen sich vertreten. Wüst sprach zu Beginn ein Grußwort, diskutierte dann aber nicht mit. So war es auch beim &bdquo;Krankenhausgipfel“ Anfang März, zu dem Vertreter geladen hatten, um &bdquo;mit der Spitzenkandidatin und den Spitzenkandidaten“ über die Zukunft der Krankenhäuser zu diskutieren. So stand es in der Einladung. Doch auch bei dieser Veranstaltung ließ sich Wüst vertreten – diesmal von Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.Drittes Beispiel: Am 6. April, also einen Monat vor der Wahl, lädt die IHK NRW zu einer Wahlarena mit den Spitzenkandidaten, um über zentrale Herausforderungen der heimischen Wirtschaft zu diskutieren. Wüst wird sich laut Einladung auch diesmal vertreten lassen, von Fraktionschef Bodo Löttgen. &bdquo;Ministerpräsident Hendrik Wüst wird zu Beginn ein Grußwort sprechen“, heißt es. Die politischen Mitbewerber halten das für ein Unding und werfen Wüst vor, zu kneifen. &bdquo;Hendrik Wüst geht den Zukunftsfragen der Menschen und der Verbände in NRW offensichtlich aus dem Weg“, sagt Nadja Lüders, Generalsekretärin der NRW-SPD. Wer ein Grußwort halten könne, könne sich auch der Podiumsdiskussion direkt danach stellen. Auch die NRW-Grünen üben Kritik. &bdquo;Der Sinn und Zweck von Wahlkämpfen ist es, den Bürgerinnen und Bürgern ein politisches Angebot für die Zukunft des Landes zu machen. Es geht um Positionen, aber eben auch um Personen. Die Menschen wollen wissen, wer mit welchen Ideen das Land regieren will“, sagt Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur. Politikwissenschaftler Detlef Sack von der Uni Wuppertal ist der Meinung, dass sich Wüst im Wahlkampf &bdquo;natürlich“ zu Fragen zu verhalten habe, die die Menschen umtreiben würden. Dabei könne Wüst sogar seinen Amtsbonus ausspielen. &bdquo;Doch dafür muss er sich diesen Situationen auch stellen“, sagt Sack. Ihnen aus dem Weg zu gehen und stattdessen voll und ganz die Rolle des Ministerpräsidenten einzunehmen, sei &bdquo;wirklich keine kluge Kommunikations-Strategie“, so Sack. &bdquo;Wenn er das weiter macht, setzt er sich leicht dem Vorwurf der Feigheit aus, sich der demokratischen Debatte nicht zu stellen.“Der Bielefelder Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner von Mentefactum sieht die CDU vor dem Problem, mit den derzeitigen Themen wie Finanzierungslücke, Inflation und Energiepolitik keine Diskussion erfolgreich bestreiten zu können. Das erkläre auch die derzeitige &bdquo;Sprachlosigkeit“ der CDU, die in den &bdquo;Wahl-Bundesländern“ derzeit vor der großen Gefahr stehe, den Wahlkampf &bdquo;ohne zündendes Thema“ bestreiten zu müssen, so Schöppner. Diese Sprachlosigkeit werde unter anderem dadurch dokumentiert, dass Wüst Diskussionsrunden aus dem Weg gehe, so Lüders. &bdquo;Wüst kneift regelmäßig.“ Dabei gehöre die offene Diskussion zur Demokratie.Die NRW-CDU entgegnet, dass für Wüst jetzt noch keine Wahlkampfphase sei und dass er vor dem Hintergrund von Putins Krieg in der Ukraine, der nach wie vor schwierigen Corona-Lage und der Herausforderungen eines Regierungschefs &bdquo;klare Prioritäten“ setze, so Generalsekretär Josef Hovenjürgen. Die Menschen hätten jetzt kein Verständnis für parteipolitische Streitereien, &bdquo;während mitten in Europa ein Krieg herrscht“, so Hovenjürgen. Deshalb lege Wüst seinen Fokus auf das Regieren des Landes. Gleichwohl stelle er sich &bdquo;selbstredend den anstehenden fachlichen Debatten“ – wie beispielsweise am Donnerstag in Bielefeld zum Thema klimaneutrales Wohnen und bezahlbare Miete, sagt Hovenjürgen und verweist darauf, dass an diesem Format &bdquo;alle Spitzenkandidaten“ teilgenommen haben. Tatsächlich nahmen die Kandidaten aber nur einzeln teil – und nicht im direkten Streitgespräch.

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