NRW-FDP-Chef Vize-Regierungschef Stamp: „Vier Corona-Öffnungsschritte für NRW“

Herr Stamp, NRW will ab Mitte nächster Woche die Corona-Regeln lockern. Ihnen und der FDP kann es aber nicht schnell genug gehen. Warum? Joachim Stamp: Mir macht es große Sorge, dass im öffentlichen Diskurs immer wieder die Rede davon ist, man könne doch einfach noch eine Woche länger abwarten. Wir dürfen uns nicht an Grundrechtseinschränkungen gewöhnen. Jeder Tag, der nicht unbedingt notwendig ist, ist mit unserem Rechtsstaatsverständnis nicht vereinbar. Alle Einschränkungen müssen auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft werden. Wir müssen jetzt handeln. Was schlagen Sie denn vor? Mein Vorschlag ist, in drei oder vier Schritten, die Maßnahmen zurückzuführen, beginnend mit dem 16. Februar. Dann muss NRW die Regel einführen, dass im Handel kein 2G-Nachweis, sondern nur noch das Tragen von FFP2-Masken nötig ist, sowie Erleichterungen für die Gastronomie von 2G-Plus auf 2G gelten. Zudem sollten wir die Kontaktbeschränkungen für Geimpfte im privaten Raum abschaffen. Wie soll es dann weitergehen? Wenn wir zwei Wochen später weiter stabile Verhältnisse in Krankenhäusern haben, muss der nächste Schritt folgen, besonders für Kinder und Jugendliche, aber auch für körpernahe Dienstleistungen, Sport und Kultur, wo 2G wegfallen muss. Wiederum 14 Tage später kommt ein weiterer, indem ab dann nur noch die FFP2-Maskenpflicht gilt und im letzten Schritt die 2- oder 3G-Regel nur noch für besonders sensible Bereiche wie Diskotheken notwendig ist. Wenn die Zahlen schneller fallen, kann man schneller vorgehen. Unser Ziel sollte sein, dass die großen Einschränkungen in der zweiten Märzhälfte obsolet sind. Was ist mit Großveranstaltungen? Auch das kann gestuft gelockert werden, zunächst wieder 25 Prozent der Zuschauerkapazität zulassen, dann 50 Prozent und so weiter. Wovon machen Sie Lockerungsschritte abhängig? Für mich gilt die Gesamtbetrachtung von Inzidenz, R-Wert, die Situation auf den Intensivstationen und die Bewertung von Wissenschaftlern. Die Hospitalisierungsinzidenz täuscht, weil alle unter Covid registriert werden, auch wenn sie einen Beinbruch haben und die Infektion nur zufällig festgestellt wurde. Wenn wir eine stabile Entwicklung haben, müssen wir schrittweise aufmachen. Wie geht es mit den Corona-Tests in den Schulen weiter? Wissenschaftler sagen uns, dass mittlerweile sensitive Antigentests bei der Omikron-Variante präziser sind als Pool-PCR-Tests. Bei denen gibt es das Problem, dass sie eine Infektion viel länger anzeigen als jemand tatsächlich ansteckend ist. Das erklärt auch, warum mitunter PCR-Pooltests positiv und Nachtestungen mit Antigentests manchmal negativ sind. Wie beurteilen Sie die Kritik am Test-Wirrwarr in den Schulen? Ich würde nicht von Wirrwarr sprechen. In einer Pandemie läuft aber leider nicht alles nach Plan. Wissenschaftler kommen zu neuen Ergebnissen und wir müssen kurzfristig reagieren. Für alle Beteiligten – Eltern wie Lehrerinnen und Lehrer – natürlich eine enorme Herausforderung. Es ist eigentlich grotesk, dass sich Schul- und Familienministerium um Tests kümmern müssen. Das ist ja primär Aufgabe des Gesundheitsbereichs, der aber aufgrund der vielen Aufgaben in der Pandemie ohnehin schon überlastet war. Während Sie als FDP lautstark Lockerungen fordern, ist Regierungschef Wüst von der CDU eher vorsichtig. Dringen Sie zu ihm durch? Ja, unsere Zusammenarbeit erlaubt bei allen Unterschieden vernünftige Kompromisse. Die neuesten Anpassungen in der Corona-Schutzverordnung wären nicht passiert, wenn wir keinen Druck gemacht hätten. Wir werden jetzt in der NRW-Koalition die nächsten Öffnungsschritte verabreden und zu gemeinsamen Lösungen kommen. Müssen Lockerungen bundesweit einheitlich erfolgen? Das kann man mit einem Egozentriker wie Markus Söder gar nicht verabreden. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass alle Bundesländer mitziehen, das war auch im Rückblick nie der Fall. Es wird bei den MPKs immer eine riesige Erwartungshaltung aufgebaut, ein kluger Kopf wie der Chef der NRW-Staatskanzlei, Nathanael Liminski, bereitet die Sitzungen über Tage bis Wochen großartig vor und dann werden in den Runden Details nach außen durchgestochen. Und nach zwei, drei Tagen setzt jedes Land die Regeln um, wie es mag. Das ist – gelinde gesagt – unerquicklich. Wie stehen Sie zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht? Ich finde, dass sich Markus Söder wie ein Sonnenkönig verhält. Es ist unredlich auf der einen Seite ein Gesetz mit zu beschließen und es dann als Ministerpräsident nicht umzusetzen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt. Bei der Umsetzung muss aber sichergestellt werden, dass es nicht zu Engpässen in sensiblen Pflegeeinrichtungen kommt.

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