PCR-Pooltest vor Aus? "Vergiftetes Angebot": NRW setzt in Kitas weiter auf unsichere Schnelltests

Bielefeld/Ahlen/Düsseldorf. Eine Woche lang testete Hendrik W. aus Gütersloh die Lollytests seiner Tochter aus der Kita. Weil er selbst einen Impfdurchbruch hatte, offiziell per PCR-Test coronakrank diagnostiziert, war für ihn der Moment gekommen, seinem schon lange gehegten Verdacht nachzugehen. Der sich bestätigte: Nur ein Test aus seinem Sortiment zeigte über sieben Tage stets falsch negativ an - der Lollytest aus der Kita. Es ist ein Vorwurf, der in Elternkreisen schon lange im Raum steht: Dass die vom Land verteilten Lollytests, besonders die der Firma Watmind, absolut unzuverlässig sind. Für Hendrik W. war nach der Woche Selbstversuch klar: "Die kann man machen mit seinem Kind. Oder sie beim Autofahren lachend aus dem Fenster schmeißen. Der Effekt für die Sicherheit in den Kitas ist der gleiche." Er ist nicht der einzige, der diese Erfahrung gemacht hat. Auch Familie F. aus Bielefeld meldete sich auf einen Bericht auf nw.de über weniger sensitive Tests an Schulen nw.demit ihren Erlebnissen. Alle drei Kinder waren PCR-positiv, zwei davon Kitakinder. "Vor allem bei unserer jüngsten Tochter, die wirklich starke Symptome hatte, war es erschreckend. Sechs Lollytests waren negativ, erst der siebte zeigte dann ein ganz schwaches zweites Strichlein an." "Uns überrollt die Coronawelle" Auch bei Facebook wird das Thema rege diskutiert, berichten viele Eltern von ähnlichen Erfahrungen. "Unsere Kita-Tests waren auch alle negativ obwohl mein Sohn PCR-postitiv war", schreibt eine Userin. "Bei uns auch" antwortet ihr darauf eine andere, die Erzieherin ist. "Bei zig Kindern. Uns überrollt die Coronawelle." Dennoch gilt zum Beispiel in Bielefeld folgende absurde Regelung: Fehlt am Folgetag nach einem positiven Pooltest morgens noch der Einzeltest für Kinder, können sie nach Absolvierung eines Lollyselbsttests trotzdem betreut werden, bis das eindeutige PCR-Ergebnis vorliegt. Ist dieses dann positiv, muss das Kind unverzüglich abgeholt werden. "Dann kann man es gleich lassen" ist der Tenor vieler Eltern dazu im Netz. Auch problematisch: Die überwiegende Testart in Kitas in NRW sind Schnelltests - immer noch. Nach Angaben des Familienministeriums ist bislang erst ein Drittel, das entspricht 39 Kommunen in NRW, auf PCR-Tests umgestiegen. Die Förderung übernimmt das Land, allerdings müssen die Städte oder Kreise dazu selbst Verträge mit Laboren schließen. Eine flächendeckende Versorgung mit PCR-Tests sei aufgrund fehlender Kapazitäten nicht möglich. Alle Kommunen bleiben bei PCR-Strategie Nun hat das Familienministerium allerdings ein Schreiben veröffentlicht, in dem es auf die mangelnden Laborkapazitäten hinweist und mitteilt: "Den an der PCR-Pool-Testung in Kindertagesbetreuungsangeboten teilnehmenden Kommunen haben wir daher angeboten, mit einem zeitlichen Vorlauf von einer Woche kurzfristig in das Liefersystem von Antigen-Schnelltests des Landes zurückzukehren."Dennis Melzer, Sprecher der SPD in Landtag kritisiert das scharf: "Das ist ein vergiftetes Angebot an Städte, die sich auf den Weg gemacht haben, Testkapazitäten zu erschließen und den Kita-Betrieb sicherer zu machen." Statt dessen wäre es eine Hilfe des Landes, die PCR-Pooltestungen im Vorfeld durch zusätzliche Schnelltests zu unterstützen. "Dadurch könnte ein Teil der positiven Fälle bereits vor der Pooltestung aufgedeckt werden", meint er. "Das würde dann letztlich auch die Laborkapazitäten schonen helfen." Ohnehin ist aber an dem Angebot des Landes derzeit wohl keine Kommune interessiert. Denn scheinbar ist es bislang allen gelungen, die Auswertung der PCR-Pooltests zu sichern. So teilte das Land mit, bislang sei von allen Städten signalisiert worden, dass die PCR-Strategie aufrecht erhalten werden solle - bis auf Dortmund.Auf Anfrage teilte eine Sprecherin der Stadt nun mit: "Das von der Stadt Dortmund beauftragte Labor kann ab dem kommenden Montag die Einzel-Nachtestungen von positiven Lolli-Pooltests wieder als PCR-Tests durchführen." Das zuständige Labor habe seine technischen Möglichkeiten erweitert und Abläufe anders organisiert. "Es kann nun zusagen, täglich bis zu 800 Einzel-PCR-Tests als Nachtestungen aus positiven PCR-Pooltests zu analysieren. Bis zu dieser Kapazitätsgrenze werden wir somit verlässlich die Nachtestungen durchführen können." Düsseldorf lässt nur Bürgertests bei Kindern zu Auch Düsseldorf, Köln, Bonn und Ahlen halten an dem Verfahren fest - weil die Erfolgsquote groß ist. "Insgesamt ist die Stadtverwaltung sehr zufrieden mit den Pool-Testungen in den Einrichtungen" teilt ein Sprecher mit. "Auch wenn die Tests nicht verpflichtend sind, nehmen viele Kinder an den wöchentlichen Testungen teil."Die Stadt Düsseldorf reagiert auf die Unzuverlässigkeit der Selbsttests mit einer sichereren Lösung: Für den Fall, dass nach einem positiven Pooltest die Einzelauswertungen ausbleiben, bietet die Stadt an, dass Eltern ihre Kinder durch einen Antigen-Schnelltest in einer Bürgertesteinrichtung freitesten lassen. "Die Kinder können dann weiter zur Kita kommen, sofern der Antigen-Schnelltest negativ ist." In Bielefeld wird das PCR-Pooltest-Verfahren erst seit vergangener Woche praktiziert. Ein Fazit oder Vergleichswerte zu den Vorwochen liegen hier noch nicht vor. "Wir werden das nächste Woche auswerten", sagt Sozialdezernent und Krisenstabsleiter Ingo Nürnberger. Er sieht die Zukunft der PCR-Tests nüchtern: "Sobald wir Schwierigkeiten bekommen, die Einzelauswertung der Pooltests sicherzustellen, müssen wir zu den Schnelltests zurückkehren."

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