Unklares Meldeverfahren NRW droht ein Blindflug bei Corona-Inzidenz

Düsseldorf. PCR-Tests im Land werden knapp – deshalb sollen sie nur noch bestimmte Personengruppen bekommen. Dazu zählen unter anderem Krankenhausbeschäftigte, Pflegebeschäftigte und Menschen in der Eingliederungs- sowie Behindertenpflege. Wer nicht zu diesen Gruppen zählt, und per Schnelltest positiv auf das Coronavirus getestet wird, muss das nicht mehr mit einem PCR-Test bestätigen lassen. Das hat Auswirkungen auf die Datenerfassung im Land. Davon sind auch die Kreise in OWL betroffen. Mit der Folge: Die tatsächliche Zahl der Neuinfektionen könnte künftig viel höher sein, als es die offiziellen Zahlen angeben. In die Statistiken des RKI fließen bisher nur die Fälle ein, die (auch) ein positives PCR-Testergebnis hatten. Wenn von nun an aber nur noch bestimmte Gruppen im Land einen PCR-Test benutzen dürfen, wird das die RKI-Statistik massiv verzerren. Das führt prompt zu Kritik: Die Priorisierung der PCR-Tests bedeute, dass die Regierung ab dann &bdquo;keine Ahnung“ habe, &bdquo;wie hoch die Infektionszahl wirklich ist“, so der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Im Kreis Paderborn gibt es in Wirklichkeit mehr Fälle Was das konkret für die Corona-Datenlage in den Kommunen bedeutet, zeigt sich am Beispiel des Kreises Paderborn. Der Kreis hat von Anfang an sowohl positive Schnelltestergebnisse als auch positive PCR-Ergebnisse in seine Fallstatistik aufgenommen – und an das Landeszentrum Gesundheit NRW (LZG) geschickt. Das RKI führt in der 7-Tage-Inzidenz jedoch nur die PCR-bestätigten Fälle – mit der Folge, &bdquo;dass die Fallzahlen und Inzidenzen auf Landes- und Bundesebene stets niedriger waren“, so Kreissprecherin Michalea Pitz.Mit anderen Worten: Im Kreis Paderborn gibt es in Wirklichkeit mehr Corona-Fälle als an den offiziellen RKI-Zahlen ablesbar. Da nun die PCR-Tests priorisiert werden, sei davon auszugehen, dass diese Schere weiter auseinander gehe und die vom LZG und RKI ausgewiesenen Zahlen noch geringer ausfallen werden als die tatsächliche Situation vor Ort, so die Sprecherin. Es werde in Zukunft also immer schwerer, ein möglichst genaues Bild des Infektionsgeschehens im Land zu bekommen.Im Kreis Lippe verhält es sich genauso. Auch dort fließen Corona-Fälle in die Statistik mit ein, die mit einem PoC-Schnelltest (Bürgertest) ermittelt wurden. Da das RKI diese Fälle aber nicht in seine Statistik aufnehme und somit geringere Infektionszahlen und Inzidenzen als der Kreis melde, verweise man von nun an auf die Inzidenz des LZG, welches positive Schnelltest-Fälle in der Statistik aufführe, heißt es vom Kreis Lippe. Behörden arbeiten an einem angepassten Verfahren Unklar ist, ob alle Kreise in NRW so vorgehen wie die Beispiele Paderborn und Lippe – und ob auch sie bereits ihre Schnelltest-Ergebnisse in die Statistik aufnehmen. Falls nein, würde das bedeuten, dass sich auch die Inzidenzen auf Kreisebene nicht mehr wirklich miteinander vergleichen lassen. Die Stadt Bielefeld beispielsweise befindet sich aktuell noch in Abstimmungen mit dem LZG, &bdquo;um zu hören, wie zukünftig verfahren werden soll“, teilt Stadtsprecher Daniel Steinmeier auf Anfrage mit.Werden also künftig auch Schnelltest-Ergebnisse in die offizielle RKI-Statistik einfließen – und das obwohl diese als nicht so zuverlässig gelten wie PCR-Tests? Das NRW-Gesundheitsministerium erklärt auf Anfrage, dass die PCR-Tests die Inzidenzen bestimmen. Inwieweit sich dies zukünftig ändern werde, liege in der Verantwortung des RKI beziehungsweise des Bundesgesundheitsministeriums.Kapazität von PCR-Tests soll hochgefahren werden Beide Behörden arbeiten derzeit an einem angepassten Verfahren. &bdquo;Ob und in welcher Form Antigenteste künftig in die Statistiken einfließen werden, wird gegenwärtig geprüft“, teilt das RKI auf Anfrage mit. Heißt: Es ist möglich, dass künftig Antigentest-Ergebnisse (Schnelltests) die Inzidenz mitbestimmen. Jedoch ergeben sie eine völlig andere Datengrundlage als die bisherigen PCR-Tests.Immerhin soll die Kapazität von 2,4 Millionen PCR-Tests pro Woche hochgefahren werden. Zudem ist der Bund dabei, sogenannte Poc-Nat-Tests zu beschaffen, von denen künftig eine Million pro Woche zur Verfügung stehen sollen. Sie sollen zehnmal präziser sein als einfache Schnelltests. Bis dahin ist angesichts dieser Unabwägbarkeiten jedoch davon auszugehen, dass die Verlässlichkeit der bundesweiten Sieben-Tage-Inzidenz in der nächsten Zeit deutlich abnehmen dürfte.

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