Empörte Eltern aus ganz Deutschland schauen auf Gütersloh

Gütersloh. Wut, Empörung Ratlosigkeit, Verzweiflung, das sind die Gefühle bei Eltern, Erziehern und Lehrern im Kreis Gütersloh – und weit darüber hinaus. Weil der Fall Tönnies und vor allem der Umgang damit exemplarisch werden könnte, immer zuerst Kitas und Schulen geschlossen werden. Besonders bestürzend: Vorbereitet hat man sich im Bildungsministerium NRW auf die Situation scheinbar nicht im Geringsten. Die Wut ist groß – so groß, dass sich am Donnerstag bereits Eltern vor dem Privathaus von Tönnies Luft machten. Susann Purucker, Vorsitzende des Jugendamtelternbeirates Bielefeld (JAEB), kann das verstehen. &bdquo;Viele Eltern sind nach den Monaten ohne Betreuung vollkommen am Limit, sowohl in finanzieller als auch organisatorischer Hinsicht. Die wissen nicht mehr, wie sie arbeiten gehen sollen, wie sie die finanziellen Ausfälle ausgleichen sollen, sind von Arbeitslosigkeit betroffen." Tönnies um finanzielle Unterstützung gebeten Der JAEB hat Clemens Tönnies deshalb in einem Brief, der der Neuen Westfälischen vorliegt, um Wiedergutmachung in Form von finanzieller Unterstützung gebeten. &bdquo;Werden Sie sich nach der Welle in Ihren Unternehmen in den umliegenden Kindertageseinrichtungen revanchieren, indem Sie Projekte für eine Kinderbetreuung in den Sommerferien finanziell unterstützen oder für das nächste Kita-Jahr Ausbildungsplätze im Kita-Bereich fördern oder Spenden für eine bessere Ausstattung in den Kindertageseinrichtungen zur Verfügung stellen?" Auch einen Fond für Familien, die durch Corona in finanzielle Notlagen gekommen sind, schlägt der JAEB vor. Geantwortet hat Tönnies noch nicht, dabei gibt es diesen Fond bereits. Schon am Anfang der Corona-Zeit hatte der Unternehmer ihn genau zu dem Zweck, den der JAEB vorschlägt angekündigt, 500.000 Euro soll er umfassen. &bdquo;Das wird allerdings nicht reichen", sagt Purucker. &bdquo;Da kann er gut noch eine Null dranhängen." Doch nicht nur im Ostwestfalen ist die Schmerzgrenze von Familien erreicht. Eltern aus der ganzen Bundesrepublik schauen auf den Fall Tönnies, zeigt er doch in ihren Augen wie künftig mit Corona-Hotspots umgegangen werden wird. Karline Wenzel ist Mitgründerin der 14.000 Mitglieder starken Eltern-Initiative #elterninderkrise. &bdquo;Wir verstehen es einfach nicht: Warum bleiben etwa Geschäfte und Fitnessstudios geöffnet? Die Rationale dahinter ist für uns völlig schleierhaft. Es kann nicht sein, dass Eltern und Kinder schon wieder über den Tellerrand der Solidargemeinschaft fallen." Lehrergewerkschaft empört Auch die Lehrergewerkschaft GEW ist auf dem Baum. &bdquo;Abgesehen davon, dass Kinder und Lehrkräfte jetzt wieder in der Luft hängen – dass dieser Fall passieren wird, war doch seit Monaten klar", sagt Stephan Osterhage-Klingler von der GEW im Bezirk Detmold. &bdquo;Man wusste nur nicht, wann und wo. Und trotzdem gibt es für diesen Fall kein einziges Konzept und keine Vorgabe vom Ministerium. Dabei wäre reichlich Zeit gewesen, sich vorzubereiten." Auch betroffene Lehrer aus dem Kreis Gütersloh kritisieren die Landesregierung scharf. &bdquo;Schulen sind vollkommen auf sich gestellt, müssen sich selbst überlegen, wie Homeschooling, Online-Unterricht oder Digitalisierung vonstattengehen kann", sagt ein Pädagoge, der namentlich nicht genannt werden möchte. Beflügelt werden dürften die Empörung und Wut auch durch die Ergebnisse einer neuen Studie der Kinderklinik Ulm. Sie zeigt klar: Kinder stecken sich nur selten mit Corona an. Demzufolge seien sie auch nicht als Treiber möglicher Infektionswellen anzusehen, so Klaus-Michael Debatin, Ärztlicher Direktor der Kinderklinik. Aus den entsprechenden Ministerien vom Land NRW allerdings aussagekräftige Vorschläge oder Reaktionen auf die Emotionen der Eltern zu erwarten, scheint vergeblich. Für die aktuelle Situation eines erneuten Lockdowns in der Kita- und Schullandschaft scheint es hier keinerlei Planungen zu geben. Während das Gesundheitsministerium an das Gesundheitsamt des Kreises Gütersloh verweist und das Familienministerium auf den bereits bekannten Hilfekatalos hinweist, kam vom Schulministerium bis Redaktionsschluss gar keine Antwort.

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