Bielefeld Städten in NRW entstehen Millionenschäden durch Sozialbetrug

Bielefeld. Falsche amtliche Ausweise und der Missbrauch von Ausweispapieren sind ein wachsendes Problem für viele Kommunen in NRW. Aus einem aktuellen Schreiben des Deutschen Städtetags, das der NW vorliegt, geht hervor, dass Städte &bdquo;zunehmende Probleme" bei der Erkennung von gefälschten Identitätsdokumenten haben. Dies liege insbesondere an gestiegenen Flüchtlingszahlen und der stärkeren Zuwanderung aus südosteuropäischen Ländern. Der neuen Polizeistatistik des Landes NRW ist zu entnehmen, dass Delikte im Zusammenhang mit falschen Ausweispapieren um rund 24 Prozent gestiegen sind. Der Deutsche Städtetag spricht von &bdquo;immensen Schäden für den öffentlichen Sektor". Häufig werden falsche Pässe genutzt, um Sozialleistungsbetrug zu begehen – eine Straftat, bei der die Polizeistatistik für das Jahr 2016 gestiegene Fallzahlen verzeichnet hatte. Wie groß das Problem ist, zeigte zuletzt die Jahresbilanz 2017 der Bundesagentur für Arbeit zur &bdquo;Bekämpfung von Leistungsmissbrauch" im Sozialgesetzbuch II, das die Grundsicherung für Arbeitsuchende regelt. In der Bilanz ist von 148.524 Straf- und Bußgeldverfahren wegen Leistungsmissbrauch die Rede. Immerhin ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr (149.653). Behörden zu schlecht ausgestattet Die Dunkelziffer bei Sozialleistungsbetrug sowie bei der Urkundenfälschung liegt nach der Einschätzung des Städtetags deutlich höher. In NRW ist das Ausmaß des Sozialbetrugs nach offiziellen Zahlen der Polizeistatistik 2017 ebenfalls leicht zurückgegangen. Das wachsende Problem mit falschen Pässen veranlasst nun aber immer mehr Städte dazu, bei der Ausweisprüfung genauer hinzusehen. Viele Behörden sind derzeit technisch nicht gut genug ausgestattet, um Identitätsbetrug aufzudecken. Die Fälschungen seien &bdquo;durch einfache Inaugenscheinnahme meistens nicht zu erkennen", heißt es in dem Schreiben des Städtetags. Trotzdem verfahren viele Städte genau so. &bdquo;Dokumente werden in aller Regel ausschließlich durch Inaugenscheinnahme geprüft", heißt es seitens des Bielefelder Sozialdezernenten Ingo Nürnberger. Dabei geht es auch anders, wie das Beispiel Hamm zeigt. Die Stadt verwendet seit einem Jahr neue Prüfgeräte. Seither werden Dokumente bei Behördengängen routinemäßig mittels der Geräte überprüft. In 35 Fällen wurde eine Strafanzeige wegen eines gefälschten oder verfälschten Dokuments gestellt. Kommunen kennen Ausmaß des Problems nicht Zwar eine überschaubare Zahl, doch die Einführung hat sich für Hamm gelohnt: Pro gefälschtem Dokument geht man durchschnittlich von einer Schadenshöhe von 55.000 Euro aus. Bei 35 unterbundenen Fällen ist somit ein finanzieller Schaden von 1,75 Millionen Euro verhindert worden. In den Kommunen ist die Größenordnung des Problems oft gar nicht bekannt. Wie hoch der finanzielle Schaden durch Urkundenfälschungen und Sozialbetrug ist, konnten Vertreter aus Bielefeld, Herford und Bünde auf Nachfrage nicht beantworten. Der Bielefelder Sozialdezernent Ingo Nürnberger teilte mit, dass bei Hartz-IV-Anträgen keine Erkenntnisse über Dokumentenfälschung vorliegen. Er weist aber darauf hin, dass ein gefälschter Pass alleine nicht ausreichen würde, um Sozialleistungen zu erhalten. OWL-Kommunen denken über Anschaffung nach Nach Aussagen des Deutschen Städtetags ist die Nutzung von Falsch- und Doppelidentitäten aber ein wachsendes Problem. Weist eine Person sich mit einem gefälschten Identitätsdokument aus und wird dies im Bürger- und Meldeamt nicht erkannt, heißt es in einem Schreiben des Städtetags, &bdquo;kann sie mit der unrechtmäßig erhaltenen Meldebescheinigung vielfältige Rechtsbrüche begehen, unter anderem mehrfach Sozialleistungen beantragen". Der Städtetag fordert die Länder daher auf, die Städte so schnell wie möglich mit ausreichend Prüfgeräten zur Feststellung gefälschter Identitätspapiere auszustatten. Das Dokumentenprüfgerät der Bundesdruckerei sei das einzige Gerät, das die Dokumente zuverlässig überprüfen kann. Die Städte Herford, Bünde und Rheda-Wiedenbrück haben sich in Hamm über die neue Technik informiert. Bünde arbeitet bereits mit einem vergleichbaren Gerät. Herford und Rheda-Wiedenbrück prüfen den Einsatz. Organisierter Leistungsbetrug nimmt zu Neben der gestiegenen Zahl der missbräuchlichen Nutzung von Pässen, beschäftigt die Bundesagentur für Arbeit seit etwa zwei Jahren das Problem des organisierten Sozialbetrugs . Die Betrüger sind häufig bandenmäßig organisiert. Mit falschen Versprechen locken sie Menschen, häufig aus osteuropäischen Ländern wie Bulgarien und Rumänien, nach Deutschland, stellen ihnen einen Scheinarbeitsvertrag aus, mit dem sie ein nicht ausreichendes Einkommen erzielen. Als EU-Bürger haben sie Anspruch auf aufstockende Hilfen. Diese Hilfen fließen dann aber zu großen Teilen in die Taschen derjenigen, die den Leistungsbetrug organisieren, indem sie etwa die Scheinarbeitsverträge ausstellen oder die Papiere für die Anträge beim Jobcenter ausfüllen. Dass es in Deutschland möglich ist, Sozialleistungen zu bekommen, ohne Anspruch darauf zu haben, machte das Beispiel eines Familienclans aus Leverkusen vor einigen Wochen besonders deutlich. In mehreren Städten in NRW sind von Polizei und Steuerfahndung Razzien in fast 70 Objekten durchgeführt worden. Die Untersuchung galt einer weit verzweigten Großfamilie, die ihren Sitz in Leverkusen hat. Die Behörden werfen Mitgliedern des Clans bandenmäßigen Betrug vor. Es geht auch um den Betrug von Sozialleistungsträgern. Mehrere Mitglieder der Familie gelten offiziell als arm, sind Empfänger von Hartz IV. Laut einem Bericht des Kölner Express fanden Beamte bei den Clan-Mitgliedern aber unter anderem hochwertigen Schmuck, Bargeld, drei Porsche und einen in der Schweiz zugelassener Rolls Royce &bdquo;Phantom". Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit ist das Phänomen des organisierten Sozialleistungsbetrugs in OWL wenig verbreitet.