Bielefelder Power-Frau ist OWL-Ingenieurin des Jahres

Bielefeld. Feray Elbaylar ist schon seit langem technikbegeistert. Mit viel Ehrgeiz ist die türkischstämmige 43-Jährige ihren Weg durch Ausbildung und Studium gegangen, seit 20 Jahren arbeitet die Ingenieurin im Bielefelder Miele-Werk. Und vereint Beruf mit Familie. Deshalb bekam sie jetzt den Preis "OWL-Ingenieurin des Jahres 2012" verliehen. Mathematik, Physik und Chemie – das sind die Fächer, die Feray Elbaylar in der Realschulzeit leicht fallen. Schnell steht für sie fest: ein Maschinenbau- oder Elektrotechnikstudium, das wärs. "Aber viele aus meinem Bekanntenkreis und auch von meinen Lehrern haben mir von einem technischen Studium abgeraten", erinnert sie sich. Das Studium sei zu schwierig und Männersache. Dann hört Elbaylar von einer Elektrotechnik-Studentin an der Bielefelder Fachhochschule. "Ich war neugierig und musste sie kennenlernen." Die Studentin wurde Feray Elbaylar ein Vorbild. Vorbilder seien für Frauen mit Interesse an technischen Berufen wichtig. "Hätte ich die Studentin nicht kennengelernt – wer weiß, ob ich heute als Ingenieurin arbeiten würde."Einzige Frau im Studienjahrgang Doch Elbaylar wagt es: In Rheine macht sie ihr Fachabitur im Bereich Elektrotechnik. 1988 beginnt sie ihr Studium an der Fachhochschule Bielefeld: Elektrotechnik, Fachrichtung Informationsverarbeitung. "Mit mir haben drei andere Frauen anfangen, zu studieren. Doch die sind nach drei Monaten wieder abgesprungen." In der Regelstudienzeit und mit guten Noten schließt Elbaylar ihr Studium ab. Sie wird im Bielefelder Mielewerk zum Vorstellungsgespräch eingeladen. "Es war die erste Einladung und es hat sofort geklappt." Seit 1992 ist Elbaylar bei Miele. "Der 1. Oktober war mein erster Arbeitstag – das werde ich nie vergessen." Damals ist Elbaylar 22 Jahre alt. "Ich hatte überhaupt keine praktische Erfahrungen." Elbaylar arbeitet als Prüf-Ingenieurin im Labor Elektrotechnik – als einzige Frau. "Ich führe Systemprüfungen an Haushaltsgeschirrspülern durch." Dass sie nur mit Männern zusammenarbeitet, stört sie nicht. "Ich fühle mich sehr wohl und habe hier sehr nette Kollegen."Zwei Söhne hat die 43-Jährige. Und vereinbart ihr Familienleben mit ihrem Beruf. "Mit Kindern ist es nicht einfach – und dann noch volltags." Vier Jahre nach ihrem Berufseinstieg kommt ihr erster Sohn zur Welt. "Ich wollte nicht aus dem Job raus, weil es bei Technik-Berufen damals schon schwer war, wieder reinzukommen." Deshalb fängt sie nach zwei Monaten wieder an zu arbeiten. Ihr Sohn wächst drei Jahre lang bei seiner Oma in Osnabrück auf."Familie und Beruf zu vereinbaren ist nicht einfach" "Jeden Tag bin ich nach Feierabend mit dem Zug nach Osnabrück gefahren, um zwei Stunden lang mein Kind zu sehen." Dann findet Elbaylar einen Platz in einem katholischen Kindergarten. "Die Leiterin war klasse, sie hat sofort auf meine Not reagiert und gesagt, dass man Mutter und Kind nicht trennen darf."Jetzt ist ihr Sohn 15 Jahre alt – "und sehr selbstständig".Ihren siebenjährigen Sohn bringt Elbaylar derzeit vor der Arbeit zur Schule. "Nachmittags macht er im Offenen Ganztag seine Hausaufgaben und um 16.30 Uhr hole ich ihn dort ab." Sie ergänzt: "Familie mit Beruf zu vereinen ist nicht einfach, aber es ist zu schaffen. Mir war es immer wichtig, dass meine Kinder glücklich sind." Um anderen selbst ein Vorbild zu sein, begleitet Elbaylar Praktikanten in deren Zeit bei Miele. Mirjana Strahinovic vom Verein Deutscher Ingenieure unterstützt Elbaylars Engagement. Sie ist Teil der sechsköpfigen Preisjury. "Vorbilder vermitteln Spaß am Beruf und bauen Berührungsängste ab." Warum Feray Elbaylar den Preis verdient hat? "Sie setzt sich sehr für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein. "Sie steht nicht nur für Gleichstellung, sondern auch für Integration."Ihrer Meinung nach arbeiten noch immer zu wenig Frauen in technischen Berufen. Unternehmen und Frauen sollten daran arbeiten, es zu vereinfachen, Familie und Beruf zu vereinen. "Es gibt sehr gute Modelle: Teilzeitarbeit, Home-Office, Jobsharing." Sonst würden hochqualifizierte Fachkräfte fehlen. Und den Frauen rät sie: "Selbstinitiative zu zeigen, lohnt sich."

Wirtschaft-OWL