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Zukunft des Euros ungewiss

Überfluss an Liquidität führt zu neuen Krisen

VON MARTIN KRAUSE
20.01.2011 | Stand 20.01.2011, 10:34 Uhr
Zuviel Geld in der Welt - © WIRTSCHAFT
Zuviel Geld in der Welt | © WIRTSCHAFT

Bielefeld. Die Finanzkrise hatte auch positive Folgen: Das Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Uni Bielefeld, kurz ZiF, wird derzeit mit Geld aus dem Konjunkturprogramm renoviert. Mit dieser Feststellung und einem Schmunzeln eröffnete ZiF-Direktor Philippe Blanchard eine prominent besetzte Konferenz über Ursachen und Konsequenzen der Finanzkrise. Verblüffende Thesen waren zu hören.

Der streitbare Banker Hilmar Kopper (75) überraschte mit der Einschätzung, der wahre Grund für die Finanzkrise sei, dass es schlicht zuviel Geld gebe auf dieser Welt. Er verwies auf weltweit "irre Devisenreserven" nicht nur in China, sondern auch in Rohstoffländern wie Norwegen, Russland oder im Nahen Osten und auch im Exportland Deutschland: "Dieses Geld wird von wenigen Menschen verwaltet, und sie stehen alle unter Anlagedruck". Das notorische Leistungsbilanzdefizit von Ländern wie den USA sorge für eine Dollarschwemme, und das Problem werde durch den Herdentrieb der Akteure verschärft. Der Überfluss werde zu neuen Krisen führen, so Kopper, und die Aufgabe laute, entstehende Blasen rechtzeitig zu erkennen.

Wie geht es mit dem Euro weiter? - © FOTO: DPA
Wie geht es mit dem Euro weiter? | © FOTO: DPA

Der einstige Chef der Deutschen Bank, der 50 Millionen Mark für "Peanuts" hielt, ist als Aufsichtsratschef der HSH Nordbank heute im öffentlich-rechtlichen Bankensektor tätig. Doch er bekräftigte, dass er Landesbanken für überflüssig hält.

Jegliche Mitschuld der Banken bestritt er

Neun Bereiche zählte Kopper auf, in denen Konsequenzen aus der Finanzkrise fällig seien: Nötig sei die Erhöhung des Eigenkapitals, ratsam sei die Standardisierung von Finanzprodukten. Kopper plädierte für eine strengere Bankenaufsicht, und er räumte im Nebensatz die Eigennützigkeit der Branche ein. Wichtig sei Transparenz, etwa durch Meldepflichten für Hedgefonds. Keiner wisse, welche Papiere die eingesammelt hätten.

Leider wisse auch keiner, welche Bank wieviele faule Euro-Staatsanleihen gekauft habe, gestand Kopper. Jegliche Mitschuld der Banken an der aktuellen Eurokrise bestritt er aber. Dabei sehe er die Eurokrise sehr gelassen, "alle Länder können da herauskommen – ich glaube an den Euro" . Entscheidend sei es, schärfere Regeln (Maastricht II) durchzusetzen.

Der Bielefelder Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser hatte das Plenum zuvor mit der Feststellung provoziert, "Europa braucht den Euro eigentlich nicht". Möglich sei aber die Rückkehr zu einem System nationaler Währungen mit festen Wechselkursen. Eine gemeinsame Wirtschafts- und Fiskalpolitiksei in einer Vertragsgemeinschaft souveräner Staaten wie der EU "nicht vorstellbar".

Möglicher Kollaps des Euro-Systems

Die Bundesbank müsse sich auf einen möglichen Kollaps des Euro-Systems vorbereiten, sagte er zudem am Rande. Das Ende des Systems könne übers Wochenende kommen – "das kündigt sich nicht vorher an."

Mit Abelshausers Euro-Skepsis überhaupt nicht einverstanden war Reinhard Selten, der 1994 als erster und bisher einziger Deutscher den Wirtschafts-Nobelpreis erhalten hatte. Der von 1972 bis 1984 an der Uni Bielefeld tätige Volkswirt, der in einer kurzen Einleitung den übergroßen Marktoptimismus vor der Finanzkrise und das Versagen staatlicher Institutionen kritisiert hatte, glaubt im Gegenteil, dass sogar eine einheitliche Währung für die ganze Welt funktionieren könnte. Eine zentrale Politik sei dafür nicht nötig – wohl aber strikte Regeln, deren Missachtung sofort bestraft würde.


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