Netzwerk It's OWL "Künstliche Intelligenz ist ein riesiger Gewinn – aber wir müssen aufpassen"

Herr Dumitrescu, Sie forschen schon sehr lange zu künstlicher Intelligenz. Würden Sie sagen, dass es gerade wild zugeht in Ihrer Branche? Roman Dumitrescu: Wir erleben derzeit eine gewaltige Dynamik. Künstliche Intelligenz entwickelt sich momentan so rasant, dass sie Ängste hervorruft, auch unter Fachleuten. Vor Kurzem warnte ein offener Expertenbrief vor "tiefgreifenden Risiken für die Gesellschaft und die Menschheit" durch künstliche Intelligenz. Die Entwicklung fortschrittlicher KI solle für sechs Monate angehalten werden. War der Aufruf zu einem Moratorium aus Ihrer Sicht gerechtfertigt? Ich hätte den Brief nicht unterzeichnet. Diesen Aufruf zu einer sechsmonatigen Denkpause halte ich für sinnlos. Die Büchse ist geöffnet, jeder hat durch ChatGPT gesehen, was möglich ist. Nun gibt es eine Goldgräberstimmung, es entstehen Start-ups, die ihre Geschäftsmodelle auf KI stützen. Gleichzeitig geht Angst um, weil nun auch Büroangestellte ihre Berufe durch die Maschinen gefährdet sehen. Über das Netzwerk It's OWL haben Sie eine Informationsplattform gegründet, mit der Sie erste Erfahrungen zu KI in der Arbeitswelt sammeln. Welche Erkenntnisse haben Sie bislang gewonnen? Wir haben innerhalb unseres Projekts Arbeitswelt Plus eine große Umfrage unter mehr als 300 Beschäftigten der beteiligten Unternehmen gemacht. Dabei hat sich gezeigt, dass die Beschäftigten extrem aufgeschlossen sind gegenüber KI. Sie sehen die Technologie erst mal als Hilfe, die manchmal stumpfsinnige Routinen ersetzen kann. Das erleichtert ihre tägliche Arbeit. Zu dem Projekt gehört die Firma Miele, die auf eine intelligente Personaleinsatzplanung durch KI setzt. In welchem Umfang werden dabei personenbezogene Daten erhoben? Der Algorithmus soll nicht den Vorarbeiter ersetzen. Wir haben zunächst mal Feedback gesammelt – anonymisiert und in enger Absprache mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft, sodass keine Rückschlüsse gezogen werden können etwa vom Alter eines Arbeitnehmers auf seine Leistungsfähigkeit. Mit dem von der KI geschaffenen Personalplan wollen wir eine gerechte, möglichst objektive Einheit schaffen, die die Einsatzzeiten gerecht regelt. Die Unternehmensberatung McKinsey schätzt, dass bis 2030 weltweit ungefähr 400 Millionen Jobs durch künstliche Intelligenz automatisiert werden können. Ist die Angst, von der Sie eben sprachen, also doch begründet? Ich finde diese Zahl jetzt nicht wahnsinnig verrückt. Die Jobs werden ja nicht ersatzlos gestrichen, sondern es entstehen neue Berufe. Insofern glaube ich nicht, dass wir vor einer großen Arbeitslosigkeit stehen. Im Gegenteil: Ohne KI können wir die heutige Arbeitsleistung gar nicht halten. Deutschland ringt mit einem frappierenden Fachkräftemangel, in den Verwaltungen geht es nur sehr schleppend voran. Wir sind auf die Technologie angewiesen. Worin liegt aktuell das größte Potenzial des maschinellen Lernens? Über die einfache Wissensabfrage im Wikipedia-Stil sind wir hinaus. Inzwischen geht es vielmehr um Programmcodes: Wir nutzen künstliche Intelligenz, um etwas zu gestalten. Bislang haben wir auf geeignete Software großer Firmen wie SAP gewartet, um die Abläufe in einem Unternehmen zu verzahnen. Nun können wir diese Werkzeuge selbst anfertigen. Wir sparen Zeit für aufwendige Schulungen und können uns auf das Kreative unserer Arbeit konzentrieren. Das ist ein riesiger Gewinn. Darin liegt die große Revolution. Kann man diese Revolution regulieren? Auch wenn wir davon noch weit entfernt sind, müssen wir vor allem an einer Stelle aufpassen: Wir wollen keine Systeme, die sich selbst entwickeln und sich selbst gestalten. Wir wollen Maschinen, die den Menschen unterstützen, keine Maschinen, die für den Menschen entscheiden. Die Handlungen der KI müssen nachvollziehbar sein, wir sprechen hier von Explainable AI (Artificial Intelligence, erklärbare künstliche Intelligenz, Anm. d. Red.). Wie würden Sie als Politiker vorgehen, um KI zu kontrollieren? Es ist am wichtigsten, jede Monopolstellung zu verhindern. Darin sehe ich die große Gefahr. Das geplante KI-Gesetz der Europäischen Union zielt genau darauf ab, trifft aber leider auch kleine Start-ups. Regulierung ist grundsätzlich sinnvoller als ein Moratorium. Wie früh sollte man Kinder an künstliche Intelligenz heranführen? Ich spreche mit meinem achtjährigen Sohn schon lange über künstliche Intelligenz. Er ist ein absoluter Roboter-Fan (lacht). Aus meiner Sicht sollte man Kinder schon in der Grundschule mit KI in Kontakt bringen. Wir würden uns als Gesellschaft einen Gefallen tun, wenn wir die Neigung zur Technik früher fördern als bisher. Lehrerinnen und Lehrer sind auf dem Themengebiet häufig nicht ausreichend geschult, weshalb nun auch gefordert wird, auf Expertise von außen zurückzugreifen. Wurden Sie schon mal von einer Schule angefragt? Nein, bisher noch nicht. Ich fände es aber spannend, mit Schülerinnen und Schülern über künstliche Intelligenz zu sprechen.

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