Bertelsmann: Gut gefüllte Kassen helfen Konzernchef Rabe beim Umbau

Gütersloh. Ein erfolgreicher Konzern ist immer eine Baustelle. Hier wird entwickelt, dort wird beschnitten. Der Medienkonzern Bertelsmann befindet sich auch jetzt, mitten in der Coronakrise und daher kaum beachtet, im Umbau. Die globale Pandemie hat damit nur auf den ersten Blick etwas zu tun. Für Unternehmen mit starker digitaler Ausrichtung war die Krise sogar eine Chance - so wie für Bertelsmann. Das Jahr sei "phänomenal gut gelaufen", verriet Vorstandschef Thomas Rabe bereits im Januar. Obwohl der Umsatz des größten ostwestfälischen Unternehmens in den ersten neun Monaten um 6,3 Prozent schrumpfte, zeigte Rabe sich zufrieden mit der Entwicklung wichtiger Sparten, die von den ungewöhnlichen Umständen profitieren konnten. Der Streaming-Dienst TV Now etwa, der künftig unter RTL+ firmiert, steigerte kräftig seine Abonnentenzahlen, die Logistiktochter Arvato Supply Chain Solutions freute sich über hohe Auftragseingänge aus dem Onlinehandel. Nach dem ersten Lockdown war der Gewinn noch immer fast auf Vorjahresniveau. Im ersten Halbjahr 2020 verdiente Bertelsmann immerhin 488 Millionen Euro netto. Im weiteren Jahresverlauf dürfte sich die Lage weiter verbessert haben. Rabe ist weiterhin an ProSiebenSat1 interessiert Die Kassen des Konzerns sind also gut gefüllt. Zwar werden gerade auch 2,2 Milliarden Dollar in die Übernahme des US-Großverlags Simon & Schuster investiert, aber Rabe bekundete im Interview mit dem Spiegel, dass er durchaus Appetit auf mehr hat. Er sehe "selbstverständlich" weiterhin eine Chance für die Übernahme des direkten RTL-Konkurrenten ProSiebenSat1, so der Top-Manager, der neben seinem Spitzenamt bei Bertelsmann auch den Vorstandsvorsitz bei der börsennotierten RTL Group innehat. Die Kartellbehörden müssten den Werbemarkt insgesamt berücksichtigen und nicht nur den klassischen TV-Werbemarkt, so appelliert er. Und er "glaube nicht, dass die Sendervielfalt bei einem Zusammenschluss abnehmen würde", so Rabe. Klar ist, dass er neben der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz und Pay-TV-Sendern wie Sky vor allem Streaming-Wettbewerber vom Schlage Netflix, Amazon und Disney im Blick hat, die die Zuschauer mit Serien- und Film-Abos anziehen. Verkauf einer amerikanischen Tochter spült Milliardenbetrag in die Kasse Der Bertelsmann-Chef muss natürlich aufpassen, dass es seinen etablierten Mediengeschäften nicht irgendwann ähnlich ergeht wie vielen deutschen Internetunternehmen, die vor 20 Jahren versuchten, mit Online-Suchmaschinen und Online-Netzwerken gegen die US-amerikanische Konkurrenz anzutreten - und eines nach dem anderen aufgaben. Deswegen will er sich auf Märkte konzentrieren, in denen sein Unternehmen bereits eine starke Position hat oder in denen er die Chance sieht, sich durchzusetzen. Rabe spricht von der Bildung "nationaler Champions", die sich gegen die globalen Angreifer behaupten sollen. In Frankreich will er demnach das Feld für den französischen Medienkonzern Vivendi räumen, der das bisher zu Gruner+Jahr gehörende Verlagshaus Prisma Media übernehmen will. Die französische TV-Sendergruppe M6, an der RTL maßgeblich beteiligt ist, steht ebenfalls zur Disposition. Geld in die Kassen spült auch der Anfang Februar verkündete Verkauf des US-amerikanischen Werbevermarkters SpotX, der fast 1,2 Milliarden Dollar einbrachte. So werden Kräfte frei für aussichtsreichere Geschäfte: Der Verkauf stehe "im Einklang mit unserer Strategie, sich auf das Wachstum unserer europäischen Digitalgeschäfte in den Bereichen Streaming, Werbetechnologie, digitales Video und Audio sowie auf unser globales Inhaltegeschäft Fremantle zu fokussieren", erklärte Rabe dazu. Gruner + Jahr gibt seine internationalen Ambitionen weitgehend auf Der Konzernumbau bei Bertelsmann ist dem verschärften Wettbewerb geschuldet. Alte Strukturen bleiben dabei auf der Strecke. Für Gruner + Jahr, das einst stolzeste und größte Verlagsschiff Deutschlands, könnte die Entwicklung zur Zäsur werden und zum Verlust der Eigenständigkeit führen, denn Thomas Rabe will zumindest einige Geschäftsbereiche des Hamburger Verlags mit dem TV-Unternehmen RTL vereinen. "Aber es ist auch denkbar, die Geschäfte insgesamt zusammenzuschließen", sagte Rabe dem Spiegel, an dem Gruner+Jahr beteiligt ist. Im dritten Quartal soll die Entscheidung fallen, kündigte Rabe an. Und macht kein Hehl daraus, dass er für die "Zusammenführung" will: "Nichts ist für die Ewigkeit", antwortete er auf die Frage, ob Gruner+Jahr eine eigene Division bei Bertelsmann bleibt. Wenn Gruner+Jahr (9.000 Mitarbeiter, 1,4 Milliarden Euro Umsatz) nun auch noch die französische Tochter Prisma Media (1.200 Mitarbeiter, 300 Millionen Euro Umsatz) verliert, gibt der Verlag, dessen Umsatz sich in den vergangenen Jahren durch die Aufgabe von Titeln, schrumpfende Auflagen und Verkäufe bereits halbiert hatte, seine internationalen Ambitionen wohl vollends auf. Trotz großer Titel von Stern und Geo bis Gala und Capital wird der Verlag im großen Konzern zu einem kleinen Licht. Rabe spricht nun davon, dass RTL und Gruner+Jahr mit vereinten Reichweiten den Kern eines nationalen "Cross-Media-Champions" bilden könnten. Ob das Sinn macht, wird wohl noch für Diskussionen sorgen. Auf der Hand liegt aber die Möglichkeit, Kosten zu sparen. Er sei bereit, in zusätzliche Geschäfte zu investieren, "die Mittel dafür stehen bereit", so der Konzernchef. "Gleichzeitig würden durch die Zusammenführung von Strukturen auch Kosten wegfallen, das ist klar."

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