Bielefeld. Die Zeitarbeitsbranche ist unzufrieden mit der Neufassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Seit dem 1. April 2017 gilt die Novelle, und es reift auf Seiten der Unternehmen die Erkenntnis, dass höhere Kosten, mehr Bürokratie und verstärkte Unsicherheit auf Seiten der Beschäftigten die Folgen sind. „Probleme ergeben sich vor allem für die Arbeitnehmer selbst", sagt Louis Coenen, Geschäftsleiter West beim Bielefelder Personaldienstleister Piening.
Die Zeiten, in denen Leiharbeit oder, wie es die Branche lieber hört, Zeitarbeit als modernes Sklaventum verpönt war, ist eigentlich vorbei. Dennoch hat sich der Gesetzgeber wiederholt zu Änderungen veranlasst gefühlt. Vorwürfen, dass die Lebenssituation von Zeitarbeitern „prekär" sei, sollte begegnet werden: Bekräftigt wurde nun, dass den Beschäftigten der gleiche Lohn und die gleichen Vergünstigungen zustehen, wie den festangestellten Kollegen beim „Entleiher" (Equal Pay und Equal Treatment). Zugleich wurde die Höchstüberlassungsdauer auf nun maximal 18 Monate reduziert. Kürzere Überlassungszeiten werden addiert, sofern nicht mehr als drei Monate zwischen den Einsatzzeiten vergangen sind. Tarifverträge können jedoch Abweichungen ermöglichen.
Piening und Brunel
- Die Bielefelder Piening GmbH bietet Personaldienstleistungen wie Personalvermittlung und Zeitarbeit bis zu Outsourcing oder Outplacement. Das 1979 von Holger Piening gegründete Unternehmen beschäftigt inzwischen mehr als 7.000 Mitarbeiter an bundesweit mehr als 70 Standorten. Als Einsatzbereiche werden Industrie, Logistik und Handwerk, aber auch IT, Medizin, Pflege und Engineering genannt.
- Die niederländische Brunel-Gruppe sieht sich als Spezialist für Ingenieurdienstleistung von der Entwicklung bis zum Management. Allein in Deutschland werden 2.500 Mitarbeiter an über 30 Standorten beschäftigt. In OWL arbeiten 70 Ingenieure und Spezialisten vor allem im Maschinenbau. 2016 war für Brunel ein starkes Jahr: In Deutschland wuchs der Umsatz um 14 Prozent auf 211 Millionen Euro.
„Was machen wir, wenn ein Projekt, für das wir Arbeitskräfte überlassen, zwei oder drei Jahre dauert", fragt Melanie Burg, Bielefelder Niederlassungsleiterin des internationalen Ingenieurdienstleisters Brunel. Das Unternehmen setzt weltweit mehr als 10.000 Ingenieure, Techniker, Informatiker und Spezialisten ein. Sie unterstützen Kunden in Technologiebranchen bei anspruchsvollen Aufgaben von Entwicklung und Prototypenbau bis zum Management: „Oft geht es um Projekte mit jahrelanger Dauer", so Melanie Burg. Die überlassenen Mitarbeiter sind wie branchenüblich unbefristet bei Brunel eingestellt („wir wollen langfristige Zusammenarbeit").
"Einsatzplanung wird komplizierter"
Eine Option wäre es, die Mitarbeiter künftig für drei Monate und einen Tag aus einem Projekt zu nehmen, um sie anschließend dort wieder einzusetzen. Ein kompletter Wechsel wäre eine Alternative: „In jedem Fall macht die Novelle die Einsatzplanung für uns komplizierter", klagt die Brunel-Managerin.
Zusätzlicher Aufwand entstehe auch durch die Pflicht zur gleichen Bezahlung: Dafür müssten erst die Vergleichsentgelte beim Kunden ermittelt werden. „Das bedeutet eine bürokratische Belastung und entsprechende Kosten für uns und für die Kunden". Bei Verstößen gegen das Gebot gleicher Bezahlung drohen Bußgelder von bis zu 500.000 Euro. Ob die Mitarbeiter durch die Auflagen am Ende tatsächlich besser entlohnt werden, sei zweifelhaft: „Wir haben immer schon marktgerechte Löhne bezahlt", sagt Burg.
Die Piening GmbH rechnet durchaus damit, ihren Mitarbeitern nach 9-monatiger Einsatzzeit künftig (inklusive aller Sonderzahlungen und Zuschläge) mehr bezahlen zu müssen als bisher. „Unter dem Strich bedeutet das höhere Kosten für die Kunden", sagt Louis Coenen. Er befürchtet daher, dass Arbeitskräfte schon nach 9 oder – wegen der reduzierten Höchstüberlassungsdauer – spätestens nach 18 Monaten ausgetauscht werden. Das sei ein Hemmnis für längerlaufende Projekte, und es schade zugleich den Interessen der Mitarbeiter: „Wir haben eine klare Integrationsfunktion, denn ein Drittel der Zeitarbeiter kommt aus der Arbeitslosigkeit", erinnert Coenen. Der „Klebeeffekt" (bei fester Übernahme durch den Auftraggeber) könnte dadurch beeinträchtigt werden.
Hürden für kurzfristige Einsätze
Auch Coenen kritisiert die erhöhte bürokratische Belastung, etwa durch die Auflage, dass vor Arbeitsantritt nun unterschriebene Dokumente zwischen der Zeitarbeitsfirma und ihrem Kunden ausgetauscht und der entsandte Mitarbeiter im Vorfeld konkret benannt werden müssen. Dies seien Hürden für kurzfristige Einsätze: „In Zeiten der Digitalisierung ein klarer Rückschritt", findet Coenen.
Neben der erhöhten Unsicherheit für die Arbeitnehmer sieht Coenen in der Gesetzesnovelle auch einen Widerspruch zum geltenden Branchentarifvertrag: „Da ist die Tarifautonomie jetzt komplett ausgehebelt worden."