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Wirtschaftsingenieur Jan-Hendrik Goldbeck ist Geschäftsführender Gesellschafter im gleichnamigen Familienunternehmen. Er erklärt, warum die Zusammenarbeit von Start-ups und Mittelstand ein Gewinn für beide ist. - © Sarah Jonek
Wirtschaftsingenieur Jan-Hendrik Goldbeck ist Geschäftsführender Gesellschafter im gleichnamigen Familienunternehmen. Er erklärt, warum die Zusammenarbeit von Start-ups und Mittelstand ein Gewinn für beide ist. | © Sarah Jonek

Hinterland-Allianz Im Interview: Jan-Hendrik Goldbeck über das Miteinander von Start-ups und Unternehmen

Wer in der Region ein Start-up gründen möchte, braucht dazu keinen reichen Onkel oder einen Lottogewinn. Der Unternehmer erklärt, wie das dank des Engagements heimischer 
Unternehmer in der Hinterland-Allianz der Founders Foundation möglich ist.

Monika Dütmeyer
22.02.2020

Wenn Sie sich gegen eine Tätigkeit im Familienunternehmen entschieden hätten – hätten Sie auch Lust gehabt, ein Start-up zu gründen? Und wenn ja, welches?
Jan-Hendrik Goldbeck:
Ich hätte ein Start-up zum Thema systematisiertes und elementiertes Bauen gegründet. Ich hätte es Goldbeck genannt. Und dann hätte ich festgestellt, dass mein Vater das schon gemacht hat – so ein Mist! (lacht). Nein, ich fühle ich mich extrem wohl im Unternehmen.

Also keine Lust auf Start-up?
Goldbeck: Die Grundidee, mit Freunden völlig frei eine Idee zu entwickeln und Themen in einem dynamischen Umfeld voranzutreiben, hat natürlich eine Faszination. Aber sowas wie „Ich habe schon immer davon geträumt, ein Start-up in Richtung Damenoberbekleidung, Weltraumsoftware oder ähnliches zu gründen", das gab und gibt es bei mir nicht. (lacht)

Das Bewahren ist vielleicht auch noch etwas schwieriger als das Gründen? Der Gründer hat ja erstmal nichts zu verlieren …
Goldbeck: Es gibt ja diesen Spruch, die erste Generation gründet, die zweite bewahrt und die dritte verprasst alles.(lacht)

Oder studiert Kunstgeschichte …
Goldbeck: Leider haben wir das mit dem Bewahren in der zweiten Generation nicht geschafft. Wir haben das Unternehmen von vornherein weiterentwickelt und in viele neue Ideen investiert. Wenn man das Unternehmergen vom Vater hat, handelt man nicht nach dem Motto "absichern, was wir haben", sondern denkt weiter. Eine gewisse Start-up-Mentalität ist uns also zu eigen.

Was haben Start-ups und etablierte Unternehmen gemeinsam?
Goldbeck: Das wirtschaftliche Momentum, dass die Zukunft immer gestaltbar ist. Man kann von heute auf morgen sagen: „So möchte ich mein Geschäftsmodell weiterentwickeln– und diesen Weg verfolge ich ab heute konsequent."

Apropos Weg – wo steht Goldbeck bei der Entwicklung vom„Krauter aus Ummeln" hin zum Tech-Unternehmen?
Goldbeck:Wir sind von jeher technologisch geprägt, weil wir Bauprojekte nicht im klassischen Sinne realisieren, sondern mithilfe unserer Systeme. Diese Ingenieurskomponenten – oder wie mein Vater sagen würde, den Spaß am "Tüfteln", haben wir inklusive. Unsere Entwicklung zum Tech-Unternehmen würde ich darum als evolutionär und weniger als revolutionär beschreiben.

Zu seinem 80. Geburtstag würdigte Ihr Vater auch die Unterstützung eines Beraters der Handwerkskammer, der ihm mit einer 300.000-Mark-Bürgschaft sein Startkapital verschaffte. Und Ihre Mutter soll mit ihrem Gehalt als Lehrerin dafür gebürgt haben…
Goldbeck:Ja, diese Legende gibt es. Es ist richtig, dass meine Mutter mit ihrem Lehrerinnengehalt für die Kreditsicherheit gebürgt hat. Wenn man zu dieser Zeit einen Kredit bekam, verlangten die Kreditgeber so viele Sicherheiten wie nur möglich.

Ist Ihr Engagement als Unternehmen in der Hinterland-Allianz auch Ausdruck dessen, etwas von dieser Gründungsunterstützung „zurückgeben" zu wollen?
Goldbeck: Ich sage es mal etwas breiter: Jedes Ökosystem, jede Ökonomie, lebt von Erneuerung. Die finden wir in der Founders Foundation. Da gibt es neue, frische Ideen und Menschen, die diese Ideen umsetzen und gestalten wollen. Auf der einen Seite unterstützen wir mit der Allianz den Menschen, der gründet, und auf der anderen Seite die Gesellschaft.

Wie profitiert die Gesellschaft davon?
Goldbeck: Es hat auch einen sozialen Aspekt, wenn man so ein Ökosystem – mit Wissen von Seiten der Founders Foundation und Kapital von Seiten der Unternehmen – ins Leben ruft. Denn so entsteht die Möglichkeit, dass Menschen aus dem Nichts, also auch ohne großes Erbe, Unternehmer werdenkönnen. Und das ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, die wir gerne unterstützen.

Gibt es unter den Allianzunternehmen ein Spannungsfeld zwischen Synergien und Wettbewerb? Wie offen geht man da miteinander um?
Goldbeck: Die Zusammenarbeit macht was mit einem: Man bekommt frische Denkansätze und sieht mehr Chancen. Daraus ergeben sich Entwicklungspotenziale für das eigene Unternehmen und man denkt in verschiedene Richtungen. Wettbewerb spüren wir untereinander kaum. Ganz im Gegenteil: Was ich extrem positiv beurteile, ist zum Beispiel die Kollaboration mit Schüco. Wir haben viele Anknüpfungspunkte und realisieren beispielsweise zusammen eine neue Stiftungsprofessur an der Hochschule OWL im Bereich „Digitales Bauen".

Stichwort Zusammenarbeit – wie kann diese zwischen Start-up und Traditionsunternehmen auf Augenhöhe gelingen, wenn einer schon total etabliert und der andere noch ganz am Anfang ist?
Goldbeck: In Bezug auf die Unternehmensgröße bin ich null Komma null borniert. Es geht um gute Ideen – und die sind völlig hierarchie- und größenfrei. Und viele Ideen der Start-ups machen neugierig: Wieso ist eine Idee anders und frisch? Wie kann sie mir jetzt helfen? Eine Zusammenarbeit ist dann etwas sehr Synergetisches: Wir bekommen neue Ansätze und Innovationen, Start-ups bekommen neben Kapital im übertragenen Sinne einen „Verprobungsraum" für ihre Geschäftsmodelle, können sich „austoben".

Nach welchen Regeln funktioniert das gemeinsame „Toben"?
Goldbeck: Auch wenn es sich erstmal populistisch anhört, bin ich kein Freund von völlig basisdemokratischen Geschichten. Gerade in Projekten muss jemand sagen: „Das ist jetzt das Ziel und das machen wir jetzt so!" Es gibt nun mal Divergenzen und die kann man nicht alles zusammen auskuscheln. Wir erachten Hierarchien aber nicht als etwas Böses, sondern pflegen sie offen. Jeder kann mit jedem reden, da gibt es keinen Standesdünkel zwischen Hierarchieebenen. Das ist enorm wichtig für das menschliche Zusammenagieren, für die Stimmung und die Kultur im Unternehmen.

In welchen Bereichen arbeiten Sie mit Start-ups zusammen?
Goldbeck: In den verschiedensten. Zum Beispiel haben wir bald einen Pitch-Day zum Thema Einkaufsplattform. Das wird ganz konkret unsere Einkaufsprozesse verändern und ein Start-up glücklich machen. Da merkt man, wie direkt solche Thematiken ins Kerngeschäft Einfluss nehmen. Außerdem ziehen wir gerade unser Travel-Management auf links. Da haben wir uns auch für eine Start-up-Lösung entschieden, die die Prozesskette agiler und ganzheitlicher abbildet als die von Wettbewerbern.

Gibt es weitere Engagements?
Goldbeck: Zum Beispiel haben wir uns an dem Start-up „Roomhero" aus Frankfurt beteiligt, das im Digitalen Innenausbau tätig ist. In Bielefeld gibt es per se keinen Bauschwerpunkt, da sind andere Städte stärker aufgestellt. Deshalb suchen wir auch dort den Dialog mit Bauingenieuren und Architekten. Wenn man nach einer frischen neuen Lösung sucht, kommt man häufig zu einem Start-up. Kürzlich habe ich in dem Zusammenhang auch den Begriff „Corp-up"gelesen.

Was ist das denn?
Goldbeck: Ein Beispiel dafür ist „e-Space" von Dr. Wolff: Das Unternehmen hat den Arbeitsplatz ausgewählter Mitarbeiter in ein Coworking-Space verlagert – und damit die Verbindung von einem traditionellen Unternehmen zu „start-uppigen" Geschäftsideen hergestellt. Dahinter steht die Idee, sich neu zu erfinden, um auch in 20 Jahren noch eine Daseinsberechtigung zu haben. Wenn dieser Impuls nicht mehr da ist und man das Gefühl hat „Läuft ja, ich bin ohnehin der große, saturierte Marktperformer", dann schläft man irgendwann ein.

Und aus so einem gemütlichen Schlaf gab es für manches Unternehmen schon ein böses Erwachen, wenn andere plötzlich schneller oder besser waren als man selbst. Könnte Ihnen das auch passieren?
Goldbeck: Die gute Nachricht ist bei unserem Geschäftsmodell, dass wir – Stand heute, „einfach" unser bestehendes Geschäftsmodell konsequent weiterentwickeln müssen, um auch zukünftig eine Daseinsberechtigung zu haben. Aber wir analysieren uns und den Markt beständig und schauen, wo eventuell Technologiesprünge die Branche stärker verändern. Die identifizierten Felder verfolgen wir und versuchen, unsere Lösungen zu finden, damit wir mit unserem Geschäftsmodell dauerhaft stark bleiben – und besser werden.

Also keine Gefahr in Sicht?
Goldbeck: Es gibt dort draußen schon spannende Ansätze, die teilweise mit sehr viel Geld versehen sind. Eskann immer sein, dass irgendwo ein neues Geschäftsmodell aus dem Gebüsch kommt. Deshalb müssen wir die ganze Welt auf dem Radarschirm haben und uns permanent fragen: Wo sind die Technologien und Geschäftsmodelle, die uns gefährlich werden können? Wenn wir die zu spät erkennen, dann sind wir eventuell bald überflüssig. Wenn wir es aber rechtzeitig erkennen, können wir uns selbst bewegen oder uns verbünden. Deswegen ist dieser globale Blick von enormer Wichtigkeit.

Ein globaler Blick stand auch im Mittelpunkt der diesjährigen Hinterland of Things-Konferenz, die unter dem Motto„Responsibility" stattfand. Was bedeutet unternehmerische Verantwortung für Sie?
Goldbeck: Ich sage immer ein bisschen scherzhaft: Wir zahlen gerne Steuern auf den Erfolg, den wir haben, das sollte für alle Unternehmen ein Bestandteil von Verantwortung sein. Denn eine soziale Infrastruktur, der ordnungspolitische Rahmen und das Rechtssystem wollen bezahlt werden. Neben der Umverteilung geht es uns aber auch darum, akzentuiert besondere Projekte zu fördern. Zum Beispiel, wenn es um soziale Belange geht oder Technologien, die einen positiven Effekt auf Gesellschaft und/oder Umwelt haben können. Das Thema Responsibility ist derzeit akut, hier dreht sich natürlich ganz viel um Nachhaltigkeit und Klima.

Worum geht es da genau?
Goldbeck: Unternehmen übernehmen durch die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit per Definition Verantwortung über das eigene Portemonnaie hinaus. Da ist auf der einen Seite plakativ die ökologische Komponente, mit Feldern wie Ressourcenschonung und Klimaneutralität, hat aber auch viele andere Komponenten.

Was gehört noch dazu?
Goldbeck: Die soziokulturelle Komponente: Das Soziale und Menschliche im und außerhalb des Unternehmens und das Umfeld, das man positiv prägen kann. Und nicht zu vergessen die Wirtschaftlichkeit! Ein Unternehmen funktioniert nur, wenn die Produkte am Ende der Verbraucher auch bezahlen kann. Auf all diese Themen können wir als Unternehmen einzahlen. Man darf das Verantwortungsthema nicht auf den Klimabegriffreduzieren.

Haben Sie einen Literaturtipp für alle, die gründen oder im eigenen Unternehmen etwas verändern wollen?
Goldbeck: Da empfehle ich „Goldbeck. Seit 1969" von teNeues, kann man kaufen! (lacht) Da steht alles drin, was man braucht, um ein gutes Bauunternehmen zu gründen.

Vielleicht entsteht ja bei entsprechend vielen Lesern doch noch ein Bauschwerpunkt in Bielefeld …
Goldbeck: Ja, absolut, wir scheuen uns nicht vor neuen Konkurrenten und viele haben sich hier auch schon angesiedelt. (lacht) Ansonsten gibt es natürlich viele Klassiker wie „Zero to One – wie Innovation unsere Gesellschaft rettet" von Peter Thiel. Nett zu lesen ist „Silicon Valley – was aus dem mächtigsten Tal der Welt auf uns zukommt" von Christoph Keese. Spannend sind auch Biografien von den Tech-Gründern wie Elon Musk. Die Bücher sind unterhaltsam und zeigen einem auch, was alles so möglich ist. Sie inspirieren dazu, auch mal ein bisschen querzudenken. Bei allen erfolgreichen Startups - bei allen erfolgreichen Unternehmen - merkt man, dass es nicht nur die Arbeit als solche ist, sondern dass die Innovatoren und Unternehmern Spaß am Schöpferischen haben - das ist wichtig!

Warum muss ein bisschen Spaß sein?
Goldbeck: Wir sehen Wettbewerb im positiven Sinne. Mir möchten niemanden im darwinistischen Sinne mit Messer im Mund und blutunterlaufenen Augen unterbuttern. Lieber konzentrieren wir uns auf uns und schauen, wie wir selber besser werden, welche Chancen es gibt, wie man sie nutzen kann und wie man sich immer wieder mit neuen Menschen zusammentun kann, damit etwas Kreatives und Zukunftsfähiges entsteht. Der Spaß an der Sache, an Kollaborationen und an neuen Ideen treibt Start-ups an undlässt größere Unternehmen nicht saturiert werden. Spaß gibt das Momentum, sich zu entwickeln.

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