Kreis Höxter Marathon der Hausbesuche

Kreis Höxter. Die Einwohnerzahlen in fast jeder Stadt im Kreis Höxter sind rückläufig, gleichzeitig werden die Menschen älter. Bei insgesamt hoher Mobilität wird jedoch die Gruppe der älteren Bewohner, die auf eine ärztliche Versorgung im Ort oder sogar Hausbesuche angewiesen sind, in jedem Jahr größer. Die Stadt Warburg stellt mit einer Abdeckungsquote von 140 Prozent bei den Hausärzten sozusagen ein Grand Dorado für die ältere Generation dar, dagegen schneidet Willebadessen mit 50 Prozent in Hinsicht auf eine gut erreichbare ärztliche Betreuung schlecht ab: "Aber da insgesamt im Kreis Höxter ein errechneter Überbedarf bei 111,2 Prozent mit insgesamt 103,2 Hausärzten besteht", erläutert Andreas Daniel von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), "ist der gesamte Kreis mittelfristig für Neuzulassungen gesperrt." Hier kommen die Niederlassungsbeschränkungen für Ärzte bundesweit zum Tragen, deren Urfassung 1992 aus der Feder von Horst Seehofer (CSU) stammt. Grund für diese Maßnahme war die Befürchtung, eine dauerhafte ärztliche Überversorgung mit ständig steigenden Kassenkosten könnte sich in Deutschland manifestieren und das Gesundheitssystem ruinieren. Man setzte Patientenschlüssel für alle Arztgruppen fest, jeweils auf Kreisebene wurde der Bedarf mit einer Messzahl festgesetzt: "Kleinere Raster wären in jedem Fall zutreffender und der heutigen Situation eher angemessen", gibt auch der Sprecher der KVWL, Andreas Daniel, zu. Gleichzeitig stellt eine älter werdende Gesellschaft andere Anforderungen, die zugrundegelegten Berechnungszahlen geraten immer mehr in die Kritik, nicht zeitgemäß zu sein. Als weitere Problematik werden die Hausärzte älter, auch im Kreis Höxter, 24 Prozent sind aktuell über 60 Jahre alt, vier der 104 praktizierenden Mediziner sind sogar über 70. Auch wenn im Altersvergleich mit den anderen Kreisen des Regierungsbezirks Detmold der Kreis Höxter nicht die negativste Bilanz hat, wird durch rückgängige Einwohnerzahlen (von 2002 bis 2008 ein Minus von über 5.300) die gleiche Problematik entstehen: "Die Überalterung steht uns bevor", sieht Dr. Michael Gemmeke, Vorsitzender des Hausärztenetzes Höxter, nicht sehr hoffnungsfroh in die Zukunft: "Landpraxen sind nicht attraktiv für die nachfolgende Ärztegeneration. Die Arbeitsmarktlage für den Partner ist oft schlecht, und eher selten gibt es für Familien ein breitgefächertes Schul- und Kulturangebot." Auf dem Land frei werdende Praxen sind schon heute deutlich weniger attraktiv für die nachfolgende Ärztegeneration, allein im aktuellen Westfälischen Ärzteblatt werden drei Hausarztpraxen im Kreis Höxter zur sofortigen Übernahme angeboten. "In den Städten gibt es häufig auf jede frei werdende Hausarztpraxis mehrere Bewerber", macht Andreas Daniel von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) die völlig unterschiedliche Situation von Stadt und Land deutlich. "Im Ländlichen dagegen arbeiten die Mediziner oft über das 70. Lebensjahr hinaus weiter, weil sie keinen Nachfolger finden können." Zudem hat Westfalen-Lippe, zu Nordrhein-Westfalen gehörend, einen weiteren Standortnachteil. In vielen anderen Bundesländern sind die Patientenpauschalen, die Regelleistungsvolumina, zum Teil deutlich höher, in Niedersachsen liegt der Satz beispielsweise bei 136 Prozent im Vergleich zu NRW: "Der sich niederlassende Mediziner muss heute mit jedem Cent rechnen. Früher fragten die Banken, wie hoch das Darlehen sein soll, heute spielen nur noch die Sicherheiten und der Verdienst eine Rolle", beleuchtet Dr. Michael Gemmeke die veränderte finanzielle Ausgangslage schon bei Praxiseröffnung. Weiter verschärft wird die Situation des drohenden Hausarztmangels dadurch, dass sich immer weniger Ärzte für eine Spezialisierung zum Allgemeinmediziner oder Internisten als Hausarzt entscheiden. Die Fachärzte sind mit heute 90 Prozent der Facharztausbildungen auf dem Vormarsch, während 50 Prozent Spezifizierungen bei Hausärzten zukunftsorientiert nötig wären. Auch das Ministerium für Gesundheit des Landes NRW hat die aufziehende Hausarztproblematik erkannt. Mit bis zu 25.000 Euro will Minister Laumann in zweiter Priorität in Gemeinden, "in denen die hausärztliche Versorgung auf mittlere Sicht gefährdet scheint", die Belegung einer frei werdenden Praxis mit Landesmitteln fördern.