Ermittlungen

Eine mysteriöse Jacht aus Rostock steht im Zentrum der Nord Stream-Ermittlungen

Die Bundesanwaltschaft bestätigt Teile der Berichte über die Ermittlungsergebnisse zu den Explosionen. Bisher sind alles noch Spekulationen, warnen andere.

ARCHIV - 27.09.2022, Dänemark, Bornholm: NEU - mit Bezug zu Eilmeldung - HANDOUT - Das vom dänischen Verteidigungskommando zur Verfügung gestellte Foto zeigt das Nord Stream 2-Gasleck in der Nähe von Bornholm aus der Luft. Bei ihren Ermittlungen zu den Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 hat die Bundesanwaltschaft im Januar ein verdächtiges Schiff durchsuchen lassen. Es bestehe der Verdacht, dass es zum Transport von Sprengsätzen verwendet worden sein könnte, teilte die Karlsruher Behörde am Mittwoch auf Anfrage mit. Belastbare Aussagen zu Tätern, Motiven und einer staatlichen Steuerung könnten derzeit nicht getroffen werden. Foto: -/Danish Defence Command/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++ | © dpa

Es sollte aussehen wie ein ganz normaler Sommertörn durch die Gewässer der Ostsee. Am 6. September vergangenen Jahres verließ eine Jacht den Rostocker Hafen. Sechs Personen sind an Bord, fünf Männer und eine Frau. 20 Tage später explodieren drei der vier Untersee-Röhren der Ostsee-Pipelines Nordstream 1 und 2 nahe der dänischen Insel Bornholm. Das Schiff soll später noch im kleinen Hafen Wieck am Darß gesehen worden sein. Der dortige Hafenmeister erinnert sich im Gespräch mit der "Ostsee-Zeitung" nicht an eine solche Gruppe.

Laut Berichten von ARD und „Zeit“ bestand die Gruppe auf dem Boot aus einem Kapitän, zwei Tauchern, zwei Tauchassistenten und einer Ärztin. Über die Nationalität ist nichts bekannt, da sie sehr gut gefälschte Reisepässe verwendet haben sollen. Der letzte bekannte Hafen der Jacht auf diesem harmlos scheinenden Törn war die dänische Insel Christiansø nordöstlich von Bornholm, ganz in der Nähe von einem der Explosionsorte.

Zwei Taucher und zwei Tauchassistenten hätten in 70 bis 80 Metern Tiefe den Sprengstoff an den Pipelines befestigt. Dann sollen sie das Boot zurückgebracht haben, ohne es vorher zu reinigen. Ermittler haben offenbar Rückstände von Sprengstoff entdeckt.

Bereits im Herbst soll es Hinweise gegeben haben

Ein westlicher Geheimdienst soll bereits im Herbst, also kurz nach der Zerstörung, einen Hinweis auch an deutsche Stellen übermittelt haben, dass ein ukrainisches Kommando für die Zerstörung verantwortlich sei. Danach folgten weitere Geheimdienst-Hinweise, dass eine pro-ukrainische Gruppe verantwortlich sein könnte.

Drei Tage lang, vom 18. bis 20. Januar, ließ die Bundesanwaltschaft dann das verdächtige Schiff durchsuchen. Es bestehe "der Verdacht, dass das betreffende Schiff zum Transport von Sprengsätzen verwendet worden sein könnte, die am 26. September 2022 an den Gaspipelines 'Nordstream 1' und 'Nordstream 2' in der Ostsee explodierten", teilt die Karlsruher Behörde mit. Die Auswertung der sichergestellten Spuren und Gegenstände dauere an. Die Identität der Täter und deren Tatmotive seien "Gegenstand der laufenden Ermittlungen". Gegen den deutschen Jachtcharterer werde nicht ermittelt.

Sechs Personen und eine Jacht - reicht das für eine Kommandoaktion dieser Tragweite? Sicherheitsexperten halten es für unwahrscheinlich, dass die Schiffsbesatzung allein operiert haben. „Die Tiefe der Pipelines, die notwendige Planung und die Menge an Sprengstoff deuten sehr darauf hin, dass eine staatliche Stelle in den Anschlag involviert ist“, sagt Sebastian Bruns, Experte für Maritime Sicherheit an der Universität Kiel, dieser Redaktion. Denkbar seien staatlich ausgebildete und trainierte Personen, die zum Beispiel in der Vergangenheit als Kampftaucher bei den Seestreitkräften gedient haben. Der US-Geheimdienst geht laut "New York Times" davon aus, dass es sich um Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putins handelt. Wer die Operation geleitet und finanziert hat, bleibt unklar.

Von Notz: "Reine Spekulationen, vor denen ich nur warnen kann."

Unklar ist weiterhin, wie die Täter die knapp 500 Kilogramm Sprengstoff gelangt sind und wo dieser verladen wurde. "Es ist nahezu unmöglich, Hunderte Kilo Sprengstoff zu kaufen, ohne dass die Behörden dies bemerken", gibt Experte Bruns zu bedenken.

Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags für die Nachrichtendienste, Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz, sagte der Redaktion: "Zum jetzigen Zeitpunkt sind Rückschlüsse auf die Urheberschaft des Sabotageaktes reine Spekulationen, vor denen ich nur warnen kann. Die Antwort auf eine so relevante Frage, wie die der Urheberschaft dieses Sprengstoffanschlages auf Versorgungsinfrastruktur, kann man nicht auf Teilerkenntnisse und Mutmaßungen stützen." Er vertraue darauf, dass Generalbundesanwalt und Sicherheitsbehörden "die Ermittlungen auch weiterhin entschlossen voranbringen und Parlament und Öffentlichkeit zum richtigen Zeitpunkt über informieren werden".

Auch Unionsfraktionsmanager Thorsten Frei (CDU) warnte vor Spekulationen. "Der Generalbundesanwalt steckt mitten in den Ermittlungen. Ich gehe fest davon aus, dass er diesem spektakulären Fall ebenso zügig wie hartnäckig nachgeht", sagte Frei. "Spekulieren hilft da zurzeit nicht weiter."

Frei lenkte den Blick auf die Klimastiftung, die die Inbetriebnahme von Nordstream 2 in Mecklenburg-Vorpommern vorantreiben sollte. In der vergangenen Woche war ans Licht gekommen, dass eine Finanzbeamtin Steuerakten der Stiftung vernichtet hatte. "Mehr Sorgen bereiten mir die Aussagen der Ministerpräsidentin Schwesig", sagte Frei. „Mit ihrer Vertuschungspolitik in Fragen der Klimastiftung nährt Frau Schwesig Zweifel, ob sie noch für ihr Amt geeignet ist. Es wird Zeit, dass sie die Verantwortung für diese dubiosen Vorgänge übernimmt.“ Schwesig hat zurückgewiesen, über den Vorgang gewusst zu haben.