Innere Sicherheit Rassismus bei der Strafverfolgung? NRW streitet über Clan-Kriminalität

Düsseldorf. Massenschlägereien, Schutzgelderpressungen, Drogengeschäfte – kriminelle Mitglieder sogenannter Clans traktieren mit ihrem Machtgehabe manchmal ganze Stadtviertel. Nordrhein-Westfalen gehört zu jenen Ländern, in denen sich "kriminelle Strukturen der Clan-Kriminalität verfestigt" hätten, heißt es in einem Lagebild zur Organisierten Kriminalität. Zur Bekämpfung empfahl Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eine hohe Polizeipräsenz an lokalen Brennpunkten. Es sei "wichtig, dass der Rechtsstaat durchgreift". Der Kampf gegen Clan-Kriminalität ist auch für die schwarz-grüne NRW-Landesregierung einer ihrer wichtigsten Schwerpunkte. Mit konzertierten Aktionen geht Innenminister Herbert Reul (CDU) regelmäßig gegen diese Strukturen vor. Worauf die Aktionen aber genau zielen sollen, ist immer noch nicht geregelt. Dabei hatten sich CDU und Grüne auf eine Festlegung geeinigt. In ihrem Koalitionsvertrag verständigten sich die Parteien darauf, eine "für die Erfassung der Straftaten maßgebliche, einheitliche polizeiliche und justizielle Definition zur Clan-Kriminalität zu schaffen, ohne Personen unter Generalverdacht zu stellen". "Die Grünen fallen hinter ihre Ansprüche zurück" Die oppositionelle SPD-Landtagsfraktion fragte jetzt, wann diese Definition vorgestellt werden soll. Die Antwort des Innenministeriums geriet vage: Eine gemeinsame Definition "Clan-Kriminalität" werde "nach Abschluss des Abstimmungsprozesses zwischen den zuständigen Ressorts veröffentlicht". Eigentlich halten die Grünen eine präzise Begriffsdefinition für zentral, um gezielt gegen kriminelle Clans vorzugehen. "Ich gehe davon aus, dass sich das Innenministerium und das Justizministerium möglichst zeitnah über eine gemeinsame Definition austauschen", sagte die innenpolitische Sprecherin, Julia Höller, bereits im August auf Anfrage dieser Redaktion. "Die neue Definition muss eine Stigmatisierung vermeiden." Die SPD findet diese Ansage wenig glaubhaft. "In der Koalition mit der CDU fallen die Grünen hinter ihre Ansprüche zurück, Menschen nicht unter Generalverdacht zu stellen", kritisierte die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Christina Kampmann. "Natürlich müssen kriminelle Clans bekämpft werden", Minister Reul habe die groß angelegten Razzien im Clan-Milieu jedoch stets als "Mittel zum Zweck für seine politische Agenda genutzt". "Wir dürfen den Begriff Clan-Kriminalität nicht tabuisieren" Die SPD-Politikerin aus Bielefeld warnte davor, die Organisierte Kriminalität einseitig auf Clans zu verengen. "Zu den Ergebnissen dieser PR-getriebenen Sicherheitspolitik gehört auch, dass man Gefahr läuft, viele andere Kriminalitätsphänomene von großer Bedeutung zu vernachlässigen." Dass NRW die "Clans" langfristig zum Schwerpunkt gemacht hat, betonte Reul zuletzt gegenüber der "Welt": "Niemand bestreitet das Problem, auch wenn wir in der Koalition den Begriff Clan-Kriminalität unterschiedlich bewerten." Weiter sagte der CDU-Politiker: "Es geht um Kriminelle, die sich in ethnisch abgeschotteten und streng hierarchischen Familienstrukturen bewegen. Diese machen sie sich für ihre strafbaren Zwecke zunutze." Natürlich seien nicht alle Familienmitglieder kriminell, schränkte Reul ein, trotzdem müsse man das Problem offen benennen können. "Wir dürfen den Begriff Clan-Kriminalität nicht tabuisieren." In Nordrhein-Westfalen habe es im Jahr 2021 in 18 von 90 Ermittlungsverfahren der Organisierten Kriminalität "Bezüge zu kriminellen Mitgliedern türkisch-arabischstämmiger Clan-Familien" gegeben, sagte der NRW-Innenminister. Nennung von Familiennamen erfolgt nicht Wie aber soll die Bekämpfung dieses Kriminalitätsphänomens frei von Rassismus gehalten werden? Auf diese Frage aus der SPD-Fraktion ging das Ministerium genauer ein: Es werde "regelmäßig darauf hingewiesen, dass selbstverständlich nicht jede Person mit einem Clan-Namen als Straftäterin oder Straftäter zu qualifizieren ist". Das Lagebild "Clan-Kriminalität NRW" erfasse ausschließlich Verdächtige von Straftaten. Eine Nennung von Familiennamen erfolge dabei nicht. Die Grüne Jugend wird derweil ungeduldig. "Die zuständigen Ministerien müssen sich schnellstmöglich zusammensetzen, um eine neue gemeinsame Definition zu erarbeiten", forderte Landessprecher Rênas Sahin. "Dabei muss man sich von pauschalisierenden und diskriminierenden Begriffen endgültig verabschieden. Sich in der Diskussion um Organisierte Kriminalität bloß auf ein Phänomen zu verengen und nur dieses öffentlichkeitswirksam zu bespielen, ist diskriminierend und politisch falsch."

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