Silvester

Festlich, nervig, bedrohlich? Die große Böller-Kontroverse

«Wir können nicht warten, bis eine Polizistin oder ein Feuerwehrmann in der Nacht sein Leben lässt.» (Archivbild) | © Julius-Christian Schreiner/TNN/dpa

02.12.2025 | 02.12.2025, 05:05

Immer erbitterter diskutieren Initiativen, Verbände, die Politik und nicht zuletzt Privatleute über ein mögliches Verbot von privatem Feuerwerk. Es geht um liebgewordene Traditionen auf der einen Seite, aber auch um den Missbrauch von Böllern und Raketen in den Innenstädten, um illegale Pyrotechnik, verschreckte Tiere und Verschmutzung.

Geregelt ist der Verkauf und das Abbrennen des Feuerwerks an Silvester in einem Bundesgesetz. Nun versuchen einige Bundesländer, dies zu ändern, um selbst entscheiden zu können, ob sie Verbote erlassen.

Ein Bündnis #böllerciao, zu dem unter anderem die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die Gewerkschaft der Polizei (GdP), das Deutsche Kinderhilfswerks und ein Tierschutzverein gehören, wollen Druck auf die Innenminister machen. Heute stellen sie in Berlin Forderungen vor. Diese Argumente werden von Gegnern und Befürwortern vorgebracht:

Initiativen und Verbände fordern ein Verbot von privatem Feuerwerk. (Archiv) - © Marcus Brandt/dpa
Initiativen und Verbände fordern ein Verbot von privatem Feuerwerk. (Archiv) | © Marcus Brandt/dpa

Pro Verbot

Privates Feuerwerk ist gefährlich und verletzt viele Menschen

Böller und Raketen führen jedes Jahr zu zahlreichen Verletzungen. Sie reichen von leichten Verbrennungen bis hin zu schweren Augen- und Handverletzungen. Viele dieser Unfälle passieren durch unvorsichtiges Zünden von Böllern. Auch unbeteiligte Menschen sind unter den Opfern. Manchmal werden Kracher auch gezielt auf andere geworfen.

Krankenhäuser sind Silvester überlastet

«Menschen wollen zum Jahreswechsel sichtbar und gemeinsam feiern – sicher, legal und rücksichtsvoll», sagt der Pyrotechnik-Verband. (Archivbild) - © Moritz Frankenberg/dpa
«Menschen wollen zum Jahreswechsel sichtbar und gemeinsam feiern – sicher, legal und rücksichtsvoll», sagt der Pyrotechnik-Verband. (Archivbild) | © Moritz Frankenberg/dpa

Manche Notaufnahmen von Krankenhäusern sind rund um den Jahreswechsel besonders mit Verletzten von Knallkörpern ausgelastet. Vor allem Hand- und Augenverletzungen sind häufig. Die Versorgung anderer Notfälle verzögert sich. Ohne privates Böllern wäre das Risiko solcher Verletzungen deutlich geringer.

Zahlreiche Angriffe mit Böllern auf Polizei

Auch die Feinstaubbelastung der Städte ist seit Jahren ein Thema. (Archivbild) - © Sven Hoppe/dpa
Auch die Feinstaubbelastung der Städte ist seit Jahren ein Thema. (Archivbild) | © Sven Hoppe/dpa

In problematischen Vierteln von Großstädten wie Berlin werden in der Silvesternacht immer wieder auch Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter von aggressiven Gruppen vor allem junger Männer mit Böllern beworfen. Die Täter sind in der Dunkelheit schwer zu fassen. Ein generelles Verbot würde die Arbeit der Polizei erleichtern. Ein Verbot sei nötig, «damit die Kollegen von Polizei und Feuerwehr gesund aus der Nacht kommen», betont die Berliner Gewerkschaft der Polizei: «Wir können nicht warten, bis eine Polizistin oder ein Feuerwehrmann in der Nacht sein Leben lässt.»

Zu hohe Feinstaubbelastung

Initiativen und Verbände fordern ein Verbot von privatem Feuerwerk. (Archiv) - © Marcel Kusch/dpa
Initiativen und Verbände fordern ein Verbot von privatem Feuerwerk. (Archiv) | © Marcel Kusch/dpa

In der Silvesternacht steigt die Feinstaubkonzentration in vielen Städten durch Zehntausende Raketen und Böller auf das Vielfache des Normalwertes. Diese Belastung kann insbesondere für Menschen mit Atemwegs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen problematisch sein. «Das Abbrennen von Feuerwerkskörpern führt dazu, dass wir immer wieder mit schlechter Luft ins neue Jahr starten», kritisiert die Deutsche Umwelthilfe. Zusätzlich bleiben Müll auf den Straßen und in Parks zurück.

Weniger Brände und Sachschäden

Gerade in dicht bebauten Stadtgebieten lösen glimmende Raketen oder Funkenflug leicht Brände aus. Jedes Jahr entstehen Schäden an Fassaden, Balkonen, Autos oder Grünanlagen, die hohe Kosten verursachen. Oftmals sind es Unachtsamkeit oder Alkohol, die zu gefährlichen Situationen beitragen. «Jeder einzelne dieser Einsätze war vermeidbar und jeder einzelne war ein Einsatz zu viel», sagt Karsten Homrighausen, Chef der Berliner Feuerwehr.

Schutz von Haus- und Wildtieren vor Stress

Der extreme Lärm von Feuerwerken führt bei vielen Tieren zu Angst- und Panikreaktionen. Haustiere verkriechen sich, verweigern Nahrung oder geraten in Stress. Wildtiere sind oft noch stärker betroffen, da sie instinktiv fliehen und dabei Unfälle oder Verletzungen erleiden können.

Mehrheit der Bevölkerung gegen private Böllerei

Die Mehrheit der Bevölkerung ist laut einer Umfrage von YouGov von Ende Oktober gegen private Böller und Raketen. 60 Prozent sagten, die würden das Feuerwerk überhaupt nicht oder eher nicht befürworten. 26 Prozent sehen es ganz oder eher positiv. Zudem sagten 63 Prozent der Befragten, sie würden persönlich bestimmt kein Feuerwerk zünden. 58 Prozent meinten, es sollte ein generelles Böllerverbot oder zumindest ein Verbot privater Böllerei geben.

Contra Verbot

Einschränkung persönlicher Freiheitsrechte

Für viele Menschen gehört das Zünden von Feuerwerk zum persönlichen Ausleben - ein Verbot wird von Manchen als übermäßiger staatlicher Eingriff wahrgenommen, der die individuelle Freiheit beschneidet. Gerade beim Feiern wollen viele lieber selbstbestimmt sein.

Verlust kultureller Tradition und emotionaler Bedeutung

Feuerwerk hat Tradition und ist im kollektiven Bewusstsein verankert. Für viele Menschen symbolisiert das Knallen den Übergang in ein neues Jahr und ist mit positiven Kindheitserinnerungen verknüpft, die gerne weitergeben werden. Traditionen sind ein Teil sozialer Identität.

Der Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk e.V. erklärt: «Menschen wollen zum Jahreswechsel sichtbar und gemeinsam feiern – sicher, legal und rücksichtsvoll.» Es gebe dabei einen Trend zu Qualitätsbewusstsein und auch leiseren Produkten. «Feuerwerk markiert das Besondere und stiftet Gemeinschaft.» Erst so werde Silvester «zu mehr als einem bloßen Datum».

Ein Verbot trifft auch die Falschen

Die Probleme mit privatem Feuerwerk treten meist in den Innenstädten auf. Am Stadtrand, in Kleinstädten und auf dem Land gibt es kaum Angriffe auf Polizei und Feuerwehr, weniger Brände und weniger Verletzte. Viele Familien zünden friedlich am Abend auf der Straße oder im Garten ein paar Raketen für die Kinder. Sie alle müssten verzichten, weil in Großstädten randaliert wird.

Wirtschaftliche Belastung

Die Feuerwerksbranche generiert jährlich hohe Umsätze, insbesondere in der kurzen Zeit vor Silvester. Ein Verbot würde Hersteller, Händler und Zulieferer treffen.

Schwierige Durchsetzung durch Behörden

Ein vollständiges Verbot privater Feuerwerke ist kaum flächendeckend zu kontrollieren. In vielen Städten fehlt es an Personal, um Regeln konsequent durchzusetzen. Verbote, die nicht umgesetzt werden, können das Vertrauen in staatliche Institutionen schwächen. Herbert Reul (CDU), Innenminister in Nordrhein-Westfalen, sagte dem Sender WDR: «Dann müssen sie an jeder Ecke einen Polizisten stehen haben, der dafür sorgt, dass keiner einen Böller wirft. Das schaffen wir ja nicht mal im Fußballstadion.»

Risiko der Verlagerung zu illegalem oder selbstgebautem Feuerwerk

Ein striktes Verbot könnte dazu führen, dass Menschen verstärkt auf illegale Produkte aus dem Internet zurückgreifen, die oft wesentlich gefährlicher sind. Zudem könnte es zu einem Anstieg selbstgebauter Böller kommen, deren Risiken kaum kontrollierbar sind.