Germanist Jörg Koch liefert Überblick über Werke zu "Jud Süß"

Bielefeld. Fast 275 Jahre ist es her, dass Joseph Süß Oppenheimer, ein jüdischer Finanzier und Berater des württembergischen Herzogs Karl Alexander, 1738 zu Unrecht verurteilt und an einem Galgen hingerichtet wurde. Dennoch bewegt sein Schicksal die Menschen bis heute: Zahlreiche Bücher, Theaterstücke und Filme haben sich dem Thema gewidmet - zuletzt vor wenigen Monaten die Wormser Nibelungenfestspiele. Dies war der Anlass für den Wormser Germanisten und Historiker Jörg Koch, ein Buch über die Rezeptionsgeschichte des brisanten Stoffes ("Joseph Süß Oppenheimer, genannt ,Jud Süß") in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt zu veröffentlichen. Der 43-Jährige hat in Bielefeld und Mannheim studiert und für sein Werk auch in der hiesigen Uni-Bibliothek recherchiert. Neben einer Schilderung der historischen Fakten und einem kurzem Überblick über die Rezeptionsgeschichte findet sich in dem Buch auch der Volltext der "Jud Süß"-Novelle von Wilhelm Hauff aus dem Jahre 1827. Dieses Buch, das sich als erste auf fiktionale Art und Weise mit dem historischen Fakten auseinander setzte, ist laut Koch im Handel sonst nicht erhältlich. Der Germanist hat die Novelle, die er übrigens im Vergleich als "harmlos" antisemitisch beurteilt, mit Erklärungen versehen und ihre Rechtschreibung angepasst."Man muss zu den Quellen zurück gehen" Weitere Schwerpunkte des Buches von Koch sind der Jud Süß-Roman von Lion Feuchtwanger aus dem Jahr 1925 ("Ein Unterhaltungsroman im besten Sinne") sowie natürlich Film von Veit Harlan aus dem Jahr 1940 ("Ein Propagandafilm mit perfider Intention"). "Mir schwebte ein Überblick vor, ich wollte nicht allzu sehr in die Tiefe gehen", sagt Koch. Diese Zusammenfassung der wichtigsten literarischen, filmischen und dramaturgischen Werke zu Jud Süß sieht er als die Hauptleistung seines Buches. Auch den Neuabdruck der Hauff-Novelle hält er für hilfreich für Studenten und andere an "Jud Süß" interessierte Menschen. "Man muss zu den Quellen zurück gehen", sagt er. Die Tatsache, dass die Geschichte eines Juden, der stellvertretend für die unbeliebte Politik eines verstorbenen Herrschers hingerichtet wird, auch heute noch im Gespräch ist, führt Koch auf den Propagandafilm von 1940 zurück. "Wenn es diesen Film nicht gegeben hätte, würde kein Hahn mehr nach den Büchern krähen, sie wären eine Randnotiz der Literaturgeschichte." Rund 20 Millionen Menschen sollen den "gut inszenierten, effektvoll vertonten und mit prominenten Schauspielern besetzten Film" gesehen haben. Wobei diese Zahl mit Vorbehalt zu betrachten ist: So wurden manche Zuschauer gezwungen, den Film zu sehen, andere hatten Kino-Abonnements. "Was verboten ist, fasziniert außerdem umso mehr" Koch hält das Verbot des Films, der in Deutschland als Vorbehaltfilm nur mit Kommentierung gezeigt werden darf, für "nicht sehr sinnvoll": "Wir sind mündig genug, um den Film einordnen zu können. Alles, was verboten ist, fasziniert außerdem umso mehr." Jörg Koch: "Joseph Süß Oppenheimer, genannt ,Jud Süß". Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 2011, 144 Seiten, 14,95 Euro.