Halle. Wie vom Blitz elektrisiert, springt auch der letzte Zuschauer von seinem Platz auf und klatscht berauscht zu AC/DCs Metal-Evergreen "Thunderstruck". Aber nicht nur das Ende des Konzerts gleicht einem Ausflug in ein Pop-Konzert, war das Programm doch fast ausschließlich gespickt mit eigenen Arrangements zu bekannten "Top-Ten-Hits" der Klassik und des Pop-Rock. Und der filmmusikalische Auftakt wird zum Programm: das Thema aus "Fluch der Karibik".
Zwar hat der Star des Abends, David Garrett, nicht ganz so einen kuriosen ersten Auftritt wie Johnny Depp im genannten Film, doch betritt er – spielenderweise – das mit 9.500 Zuschauern ausverkaufte Rund nicht etwa durch den Bühneneingang, sondern durch einen Eingang der Zuschauerränge.
Nach einer Anekdote über einen Londoner Open-Air-Auftritt, bei dem eine ältere Dame ihm bei Einsatz starken Regens Schutz unter ihrem Schirm bot, damit seine Haare nicht nass würden, folgt Brahms "Ungarischer Tanz" Nr. 5: doch weniger "ungarisch" als gewohnt – neben dem Orchester (Neue Philharmonie Frankfurt unter Franck van der Heijden) mit Band und durch Gitarrenklänge (Giorgio Serci) im mittleren G-Dur-Teil sehr verzärtelt.

Bei Vittorio Montis "Csárdás" und Max Bruchs 1. Violinkonzert (Originalversion) scheint Garretts Frage, wer denn das erste Mal ein klassisches Konzert höre, nicht ganz abwegig. Bereits nach den langsamen Teilen brandet (spontaner) Applaus auf. Auch die rein klassisch-romantische Musik zieht das Publikum in den Bann. Und gerade hier kommt Garretts süßlich-vibrierende Tongebung bestens zum Tragen. Dass er – trotz beharrlich auftretenden gestalterischen "Gleichschritts" – das Zeug zum Virtuosen hat, beweist er nicht nur im Finalsatz.
Den zweiten Teil des Konzerts im Haller Gerry Weber Stadion eröffnet Garrett – nun mit einem schwarzen Kopftuch mit Totenköpfen und Rosen – solistisch – mit einer Bach-Sonate. Es folgen Arrangements (Garrett/van der Heijden) von Vivaldis "Sommer" aus den "Vier Jahreszeiten", Bizets "Carmen-Fantasie", Theodorakis "Zorbas", Bachs "Air" aus der 3. Orchestersuite. Ein medleyartiges "Rock Prelude" von David Garrett ergänzt die teils eigentümlichen Versionen von "Who wants to live forever" (Queen), "Nothing else matters" (Metallica) und "Smooth Criminal" (Michael Jackson). Hier treten vor allem Band und Orchester sowie Soli von Matt Hodge (Percussion), John Haywood (Keyboards) oder Frank van der Heijden (E-Gitarre) in den Vordergrund.
Als in sich stimmig erweist sich Gershwins "Summertime", bei dem jazzige Trompeten- und Gitarren-Soli mitunter Gänsehaut verursachen. Im folkloristischen "Zorbas" dagegen sorgen E-Gitarre und Schlagzeug, in der Metallica-Ballade Flötentöne und Streicher-Vibrato für stilistisches Unwohlsein.
Dass Bachs Musik sich immer wieder gut in den Puls der Zeit integrieren und dann auch mit modernen Elementen verbinden lässt, offenbart sich beim "Air", das auch mit Schlagwerk, Klavier, Bass und Gitarre seine Zeitlosigkeit unter Beweis stellt. Zum alleinigen Trendsetter einer neuen Mode wird Garrett nicht avancieren, aber vielleicht zu einem weiteren Trendsetter der Vermarktung klassischer Musik und Instrumente – und das kann auch nicht schaden.