Interview Sasha: "Freiheit ist mein Mantra"

Sasha, der Titel Ihres neues Albums und der dazugehörigen Show wirkt wie ein Statement. Warum passt er gerade jetzt? SASHA RÖNTGEN-SCHMITZ: Ich wurde ja letztes Jahr 50, und da habe ich mir überlegt, was ich da machen kann. Meine Frau hat mich überredet, eine Biografie zu schreiben, und dazu wollte ich das passende Album und eine Show realisieren, um sozusagen ein Jahr lang zu feiern. Das war ein bisschen ein Geburtstagsgeschenk, auch wenn sich das zeitlich nicht ganz ausging, sodass das Album jetzt erst erscheint. Wollen Sie sich nicht mal Zeit für sich nehmen? Sie haben ja auch einen fünfjährigen Sohn, dem Sie ein Kinderbuch mit passender Musik gewidmet haben. In der Tat möchte ich nach der Tour auf die Bremse treten. Ich habe Bock, mich nur um meine Familie zu kümmern, durchzuatmen und zu überlegen, was als nächstes passieren kann. Eigentlich würde ich beruflich am liebsten nur noch mit einer Big Band durch die Gegend ziehen und coole Songs machen. Diese ganze digitale Streamingwelt dagegen ist für mich ein böhmisches Dorf. Sie sagten einmal, dass Sie am liebsten einfach mit ihrer Familie auf einer Bank über Ihrem privaten Weinberg sitzen möchten. Ich habe in der Tat überlegt, einen Wein zu machen. Ich muss nur noch einen Winzer finden, der Bock hat, einen Wein mit einem Laien zu produzieren, der gerne trinkt, aber keine Ahnung hat. Diesen Sommer waren wir mit der Familie am Gardasee, und das macht schon etwas mit einem, wenn man an diesen ganzen Weinbergen vorbeifährt. Wie ist Ihr Lebensgefühl mit 51? Als mein Sohn auf die Welt kam, hatte ich Panik, dass ich bestimmte Erfahrungen in seinem Leben nicht mehr mitbekomme. Ich weiß, dass ich um die 67 sein werde, wenn er vielleicht mal Abitur macht. Aber ich habe beschlossen, das alles jetzt ruhig auf mich zukommen zu lassen und einfach mehr Sport zu machen und gesünder zu leben. Sie haben ja Ihrem Sohn auch einen Song auf dem Album gewidmet – "Lighthouse" . . . Das war einer der ersten Songs, die feststanden. Wenn man als Musiker ein Kind kriegt, da wünscht man sich, dass einem etwas Schönes einfällt, das man ihm widmen kann. Aber das muss irgendwo aus dem Innersten kommen. Gerade bei den persönlichen Songs nicht krampfhaft versuchen, etwas auf die Beine zu stellen, denn dabei entsteht nur etwas Fades. Wenn man sich hinsetzt und sagt: Ich muss unbedingt, dann passiert es nicht. So habe ich auch die letzten Jahre geschrieben. Wenn mir etwas einfällt, dann super, wenn nicht, dann nicht. Freiheit ist mein Mantra. Für das Album haben Sie auch eine neue Version Ihres ersten großen Erfolgstitels aufgenommen, wo Sie singen "If You Believe in Love". Wann haben Sie zum ersten Mal an die Liebe geglaubt? Schon recht früh. Mein Bruder und ich sind zwar unter verrückten Umständen aufgewachsen, weil sich meine Eltern zweimal voneinander haben scheiden lassen, aber es war auch sehr liebevoll. Und meine Mutter hat nie aufgehört, daran zu glauben, obwohl sie viele gescheiterte Beziehungen hinter sich hatte. Können Sie sich noch an Ihren ersten Schwarm erinnern? Da war ich um die elf, das war auf einer Garagenparty. Seinerzeit war "Hello" von Lionel Richie sehr angesagt, und bei dem Song hat eines der Mädchen keinen Tanzpartner gefunden. Sie war die Größte von allen, mindestens einen Kopf größer als ich. Sie war wirklich sehr süß, aber eben zu groß für die meisten Jungs. Da habe ich mein Herz in die Hand genommen und gesagt, das kann doch nicht sein. Ich habe mir eine Colakiste genommen, mich drauf gestellt und gesagt "Lass uns tanzen." Das war ganz toll. Damit war auch der erste Kuss verbunden und das erste Hängenbleiben in der Zahnspange. Danach war ich ein bisschen verknallt und gleichzeitig ein bisschen stolz, weil ich mir dachte: Das habe ich gut gemacht. Ich mag es, Frauen die Tür aufzuhalten oder in den Mantel zu helfen. Das ist ein Zeichen von Respekt.“ Sie waren ziemlich mutig. Mut gehörte auch dazu, aber es war ein bisschen aus der Not heraus geboren. Ich habe einen Gentleman-Move gemacht, weil es nicht sein durfte, dass dieses Mädchen alleine sitzt. Diese Einstellung habe ich meiner Mutter zu verdanken. Ich weiß nicht, ob das heute noch modern ist, das ist mir auch egal, aber ich liebe die Gentleman-Haltung. Ich mag es, Frauen die Tür aufzuhalten oder in den Mantel zu helfen. Das ist ein Zeichen von Respekt. Haben Sie jemals den Glauben an die Liebe verloren? Nach dem Ende meiner vorherigen Beziehung hatte ich drei Jahre, wo ich dachte: Das wird nichts mehr. Seinerzeit hatte ich geglaubt, dass das Ganze hält, und das hat sich als Irrtum herausgestellt. So war ich eine Zeit lang enttäuscht, bis dann meine jetzige Frau kam. Und Sie haben sofort wieder an die Macht der Liebe geglaubt? Jein. Ich habe sie auf der Tanzfläche unseres Lieblingsrestaurants, das unserem späteren Trauzeugen Tim Mälzer gehört, gesehen. Und mir war klar: Das ist die Frau, mit der ich im Alter von 80 von einer Bank auf unseren Weinberg schauen möchte. Das ist mein größter Traum. Ich sagte zu ihr: "Da bist du ja endlich", obwohl wir uns nie zuvor gesprochen hatten. Aber trotz dieses krassen magischen Moments habe ich mich lange geziert, weil ich eben aus dieser Phase der Enttäuschung kam. Ich wollte auch sie nicht enttäuschen, und deshalb habe ich lange gekniffen. Bis ich begriffen habe: Wenn ich jetzt nichts unternehme, um sie für mich zu gewinnen, dann begehe ich den größten Fehler meines Lebens. Mit Ihrer Frau haben Sie auch das Kinderbuch "Toto und der Mann im Mond" herausgebracht, in dem es um die Fragen geht, die Kinder gerne stellen. Welche Frage Ihres Sohns war für Sie besonders wichtig? Eigentlich ist jede Frage, die Otto uns auf dem Weg mitgibt, wert, gestellt zu werden. Für uns als Kinderbuchautoren war das ein unerschöpflicher Fundus. Wir halten auch die Härten der Realität nicht von ihm weg. Aber wir wollten nicht zu moralisch werden. Deshalb haben wir das alles im Buch in eine magische Welt auf dem Mond verpackt, wo alles glitzert und bunt ist. So waren wir auch sehr glücklich, dass unser Sohn Corona nicht mitgekriegt hat. Auf dem Album gibt es neben vielen positiv aufgeladenen Songs auch nachdenklichere Töne. Etwa "Radio", wo es darum geht, dass Musik auch nach dem Tod eines Interpreten gespielt wird. Habe Sie die Hoffnung, dass Ihre Songs in 100 Jahren noch laufen? Ich habe diesen Song über meine Helden gemacht. Es gab ein Todesjahr, in dem einer nach dem anderen gestorben ist. Erst David Bowie, dann Prince und zum Schluss George Michael. Da habe ich gesagt: Stopp, was ist denn hier los? Ich musste das verarbeiten. Und der Gedanke war: Wenn ich diese Sänger höre, dann leben sie weiter. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich mit einem David Bowie oder Prince vergleichen kann, aber insgeheim habe ich schon die Resthoffnung, dass Songs von mir, ob "If You Believe", "Lucky Day" oder "Radio" auch in Zukunft noch Gehör finden.

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