Filmtipp Soldat, schwarz, schwul

Zehn lange Jahre hat Ellis French (Jeremy Pope) auf der Straße gelebt. Nun verabschiedet er sich von seinen Freunden, kauft einen Strauß Blumen und sucht seine Mutter Inez (Gabrielle Union) auf. Ihm ist anzusehen, dass es ein schwerer Weg ist. Schon auf dem Flur hört man die Predigten auf irgendeinem Sender, den die streng religiöse Frau eingeschaltet hat. Inez öffnet die Tür einen Spalt weit und nimmt die Kette auch dann nicht weg, als sie ihren Sohn erkennt, den sie im Alter von 16 in die Wüste geschickt hat, weil er homosexuell ist. Erst, als Ellis seine Absicht verkündet, zu den Marines zu gehen, findet er Einlass. Der erste Akt des autobiografischen Filmes von Elegance Bratton ist intensiv und intim. Die Handkamera saugt den Zuschauer in die Handlung hinein, die beiden brillanten Darsteller liefern sich ein herzzerreißendes Duell. Inez glaubt nicht daran, dass Ellis seinen Weg gehen wird. Für den Fall des Versagens stellt die Vollzugsbeamtin ihrem Kind den endgültigen Abbruch aller Brücken in Aussicht. Wenig später sitzt der Rekrut im Bus zum Bootcamp, das der Schauplatz des weiteren Geschehens sein wird. Man schreibt das Jahr 2005 und im Fernseher laufen Berichte über die aktuellen Verluste der US-Armee im Irak. Die Begrüßung der Frischlinge erfolgt in bester &bdquo;Full Metal Jacket“-Manier. Etliche Bilder werden in der Folge an Stanley Kubricks meisterhaften Antikriegsfilm erinnern, was sicherlich beabsichtigt ist. &bdquo;Waren Sie schon einmal im Knast? Sind Sie Kommunist? Sind Sie homosexuell?“ brüllen die Drill Sergeants. &bdquo;Nein, Sir!“, lügt Ellis zurück. Zunächst fällt er durch nichts weiter auf als durch seine herausragenden sportlichen Leistungen, die ihm das Lob seines Ausbilders und den Hass eines ehrgeizigen Mitbewerbers einbringen. Auf den muslimischen Rekruten Ismael (Eman Esfandi), der fortan nur noch Osama genannt wird, schießen sich die Vorgesetzten hingegen sofort ein. Einmal wird er sogar für Zielübungen eingesetzt werden, weil er &bdquo;ungefähr so aussieht wie Eure künftigen Gegner.“ Ellis kann erahnen, was ihm blüht, wenn seine wirkliche sexuelle Orientierung offenbar wird . . . Die Arbeit an diesem eindrucksvollen Militär-Drama war für Elegance Bratton eine Katharsis. Der Autor und Regisseur war von 2005 bis 2010 im aktiven Dienst und wurde als Combat-Fotograf und -Filmer eingesetzt, was ihm letztendlich den Weg zu seinem heutigen Beruf ebnete. Die Szenen mit seiner Mutter zu Beginn und am Ende sind teilweise eins zu eins der Realität entlehnt. In seiner Einheit war es allerdings ein Muslim, der die schlimmsten Repressalien erdulden musst, während Bratton selbst wohl nicht ganz so sehr herabgewürdigt wurde wie sein filmisches Alter Ego. Der Authentizität des Geschehens tut das keinen Abbruch. Obwohl &bdquo;The Inspection“ detailliert die Ausbildung der US-Marines schildert, wird das Militär weder glorifiziert noch diffamiert. Der Zuschauer darf sich selbst eine Meinung bilden. Im Kern erzählt der Film ohnehin die Geschichte einer zerrütteten Familie. Der Protagonist kämpft nicht nur für sein Land, er kämpft in erster Linie um die Liebe seiner Mutter. Ob er sie am Ende erlangt, wird an dieser Stelle nicht verraten. Ellis wollte nicht als namenloser Obdachloser sterben, er hat seine Chance gesucht, jemand zu werden, vielleicht sogar ein Held. Nun, aus Elegance Bratton ist jemand geworden, nämlich ein vielversprechender Filmemacher, dem die Katharsis mit diesem Spielfilmdebüt geglückt sein sollte.

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