Interview Ingo Knollmann: "Man sagt, ich sei wie Dr. Jeckyll und Mr. Hyde"

Ingo, als kleine Band in Ibbenbüren gestartet, jetzt ausverkaufte Konzerte, Festivalheadliner, Vorband der Ärzte und der Toten Hosen – die Donots-Biografie liest sich wie eine Aneinanderreihung von Erfolgen. Was ist euer Geheimnis? INGO KNOLLMANN: Vielleicht, dass wir weder verbissen sind noch große Pläne schmieden. Wir haben uns irgendwie immer treiben lassen und natürlich auch eine Menge Glück gehabt in den vergangenen 29 Jahren. Das lässt uns sehr demütig und wertschätzend sein. Was erdet euch als Band? Im Laufe der Jahre sind viele unglaublich tolle Dinge passiert, aber natürlich haben wir auch Fehler gemacht. Darüber sind wir uns durchaus bewusst und für alles, was passiert ist, dankbar. Alles hat seinen Sinn und hat letztlich dazu geführt, dass wir heute da sind, wo wir stehen. Auch nach fast drei Dekaden Bandgeschichte bedeutet es uns immer noch die Welt, wenn wir ein neues Album veröffentlichen. Ich bin froh, dass wir nicht von 0 auf 100 durchgestartet sind, möglicherweise wären wir als Band an dem Erfolg zerbrochen. Sie haben gerade das neue Album angesprochen. Was unterscheidet es von den Vorgängern? Wir haben noch nie so sehr nach uns selbst geklungen und es gleichzeitig geschafft, diesen Live-Moment, das Unmittelbare, das Unperfekt-Perfekte auf eine Platte zu packen. Früher haben wir drei oder vier Wochen Vorproduktion gemacht, das war diesmal anders. Wir sind morgens ins Studio und wussten nicht, was wir abends auf Band haben werden, weil wir uns vom Moment und von einzelnen Riffs haben kicken lassen. Genau das haben wir versucht einzufangen. Und dank unserer Producer-Doppelspitze Michel Wern und Kurt Ebelhäuser ist uns das auch hervorragend gelungen. Euer Album erscheint interessanterweise nicht nur auf CD und Vinyl, sondern auch auf Kassette, was mich zu drei Fragen veranlasst: Hat das nostalgische Gründe, wollt ihr damit etwas der Digitalisierung entgegensetzen und wer bitte schön hat noch einen Kassettenspieler? (lacht) Zum Beispiel meine Tochter. Sie hat einen in ihrem Kinderzimmer und gehört mit beinahe acht Jahren schon fast zur Zielgruppe. Ne, im Ernst: Das mit der Kassette hat weniger damit zu tun, der Digitalisierung entgegen zu wirken, sondern es sind tatsächlich nostalgische Gründe. Als wir anfingen, Musik zu hören, hat man noch vorm Radio gesessen und wenn eine gute Rocksendung lief, hat man schnell mitgetaped. Wir haben viele ältere Fans, die das früher genauso gemacht haben wie wir. Ich denke, dass es den ein oder anderen gibt, der das goutiert und sich freut, so ein nostalgisches Ding im Schrank stehen zu haben. Außerdem möchten wir uns mit den Kassetten vor dieser alten Zeit verbeugen. "Mit den Kassetten möchten wir uns vor der alten Zeit verbeugen." Wie hat sich im Laufe der Jahre Ihr persönlicher Musikgeschmack verändert? Ich stelle immer wieder fest, dass meine alte Plattensammlung die ist, die mir am meisten sagt. Von neuen Bands bin ich nur selten umgehauen. &bdquo;Blinker Links“ beispielsweise ist eine alte Klassikerplatte, die ich seit 30 Jahren immer wieder mal höre und die auch nach so vielen Jahren noch an den meisten Neuveröffentlichungen vorbeifährt. Allerdings bin ich ein One-Track-Mind, ich brauche nicht viel zum Glücklichsein. Wenn ich zum zehntausendsten Mal &bdquo;No Control“ von Bad Religion höre, dann brauch ich keine neue Punkrockband. Ansonsten bin ich viel entspannter geworden, was meine Hörgewohnheiten angeht. Im Sinne von ich lass mehr zu und lass mich von verschiedensten Stilen kicken und versuche herauszufinden, was zum Beispiel eine bestimmte Death-Metal-Band so geil macht. Außerdem habe ich in den vergangenen Jahren eine Liebe zu Singer-Songwriter-Sachen wie Johnny Cash entwickelt. Sie sind jetzt 46 – wie ist das für Sie, älter zu werden? Ich mag die Gelassenheit, die ich mittlerweile gewissen Dingen gegenüber habe. Beispielsweise renne ich nicht mehr jedem Trend hinterher oder muss versuchen, unbedingt den Zeitgeist einzufangen. Andererseits habe ich zwei Kinder, meine Tochter ist sieben, mein Sohn 17 Monate – das ordnet einen auf dem Lebenszeitstrahl noch einmal ganz anders ein, weil es bis zur 60, also dort, wo jetzt die Hosen und die Ärzte stehen, nicht mehr allzu weit ist. Da wird einem manchmal angst und bange. Ich möchte nicht kitschig klingen, wenn ich sage, dass der beste Tag immer heute ist und der beste Moment immer jetzt, aber da ist einfach was dran. Im Hier und Jetzt zu sein ist wichtiger als sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was möglicherweise in fünf Jahren sein könnte. Als Vater haben Sie Erziehungsverantwortung. Welche Werte vermitteln Sie Ihren Kindern? Zum Beispiel, dass es egal ist, welche Hautfarbe jemand hat oder welches Geschlecht. Und dass man Respekt haben muss, egal ob vor Menschen, vor der Natur oder vor Tieren, weswegen ich auch seit über 30 Jahren Vegetarier bin. Außerdem finde ich es wichtig, immer im Dialog mit anderen zu bleiben und über Dinge zu sprechen. Miteinander sprechen und Respekt – das sind Eigenschaften, die mir wichtig sind und die ich versuche, meinen Kids weiterzugeben. "Der beste Tag ist immer heute und der beste Moment ist immer jetzt.“ Neben den Donots und dem Familienvatersein haben Sie noch weitere Projekte: Sie sind Illustrator und Comiczeichner, mit Ihrer Zweitband Schrappmesser singen Sie plattdeutsch – die Donots lasten Sie nicht aus? (lacht) Wenn ich zu viel Zeit mit mir selbst verbringe, gehe ich mir nur unnötig auf den Sack. Deswegen bin ich auch ein notorischer Jogger geworden, ich gehe jeden Tag anderthalb Stunden joggen. Ich muss immer was zu tun haben, ich habe sonst zu viel Dampf auf dem Kessel. Deswegen bin ich auch passionierter Videospieler, habe eine Radioendung bei Radio Bob, wo ich alle zwei Wochen Moderator bin und mit Schrappmesser ein Quatschprojekt am Start, wo wir Hardcore auf plattdeutsch machen. Und zeichnen tu ich halt auch gern. Das hat weniger mit Selbstverwirklichung oder so zu tun, sondern das sind Sachen, die mich wirklich glücklich machen. Jeder braucht so ein Ventil, und okay, ich habe halt mehrere. Natürlich ist das alles etwas komplizierter geworden mit zwei Kids, alles unter einen Hut zu bekommen, aber das haben wir alle in der Band. Immerhin gibt es bereits insgesamt elf Bandkinder. Was passiert mit Ihnen, sobald Sie die Bühne betreten? Werden Sie zur &bdquo;Rampensau“? Sobald das Licht ausgeht und unser Spaghetti-Western-Intro ertönt, gehen auch bei mir komplett die Lampen aus. Man sagt, ich sei wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde, weil ich wohl einen leicht wahnsinnigen Eindruck mache. (lacht) Das Gefühl, was damit einhergeht, möchte ich nie verlieren. Es soll nie normal werden, auf die Bühne zu gehen, sondern immer etwas besonderes bleiben, damit wir uns immer anstrengen. Es mag klebrig und kitschig klingen, aber jedes Konzert, das man spielt, muss das Beste sein, egal, ob auf einem Festival oder in einem Mini-Club vor 50 Leuten. Schließlich hat jeder für das Konzert bezahlt und ist hingefahren und hat einen guten Tag verdient. Ganz nach dem Titel unseres neuen Albums: &bdquo;Heut ist ein guter Tag!“

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