André ist sauer. Nicht nur hat er Scherereien mit einer diebischen Haushaltshilfe, die ihm seine Uhr gestohlen hat. Nun eröffnet ihm auch noch seine Tochter Anne, dass sie nach London ziehen und ihn alleine in Hamburg lassen will. Warum kann sie nicht sein wie ihre Schwester Elise? Die hat er sowieso viel lieber. Obwohl sie sich nicht mehr so oft meldet. Warum nicht?, fragt sich André. Und warum zieht Anne nach London? Sie ist doch eigentlich verheiratet. Nein, sie ist geschieden, schon lange. Erinnert sich der Vater denn nicht?
Nein, er erinnert sich nicht. Nicht immer jedenfalls, denn sein Gedächtnis hat Lücken. Er muss sich immer häufiger fragen, was wann passiert ist und ob überhaupt. Zieht Anne nun nach London oder nicht? Wer ist diese Frau, die gerade mit dem Hühnchen in die Küche gelaufen kommt, und warum sieht der Ehemann seiner Tochter plötzlich ganz anders aus? Ist das überhaupt der Ehemann oder der neue Freund, warum zieht Anne nach London und wo ist eigentlich seine jüngste Tochter?
Florian Zeller befragt in Vater geschickt die Zuverlässigkeit von Wahrnehmung und Erinnerung und versetzt das Publikum in die Perspektive eines Demenzkranken. Indem Zeller dem Geschehen die Eindeutigkeit versagt, wird auch unser Blick darauf Teil der Erosion von Gewissheiten. So wird aus dem Demenz-Drama ein Rätsel-Stück, in dem sich die Zuschauer fast wie in einem Mystery-Thriller oder einem Krimi auf die Suche nach der Wahrheit begeben können.
Eine filmische Adaption des Stückes unter dem Titel „The Father“ mit Olivia Colman und Anthony Hopkins in den Hauptrollen wurde gleich mehrfach oscarprämiert. Nun findet die „tragische Farce“, wie der Autor sie nennt, in Bielefeld den Weg auf die Bühne und mit ihr sowohl die Tragik als auch die Komik einer Demenzerkrankung.
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