Bielefelder Galerist Attacken auf Gemälde: "Das sind blindwütige Angriffe auf die Kunst"

Herr Baumgarte, Sie zeigen derzeit in Ihrer Galerie in Bielefeld eine große Ausstellung mit Werken von Alexander Calder und Jean Miró. Werke, die nicht nur einen großen künstlerischen, sondern auch einen hohen materiellen Wert haben. Haben Sie Angst, dass Klimaaktivisten auch in Ihrer Galerie Kunstwerke attackieren könnten, um für ihre Anliegen zu protestieren? Alexander Baumgarte: Von der Qualität her könnte unsere exponierte Ausstellung in Paris, New York oder London gezeigt werden und wäre dort sicherlich stärker gefährdet als hier in Bielefeld in unserer privaten Galerie, wo sie hoffentlich nicht so sehr in den Fokus dieser Aktionisten rückt. Daher bin zumindest gerade eher beruhigter. Haben Sie Verständnis für solche radikalen Protestformen? Nach der aktuellen Attacke vom Dienstag auf das berühmte Klimt-Gemälde ,Leben und Tod im Leopold-Museum in Wien, kann ich nur erneut empört den Kopf schütteln. Welcher blanke unverantwortliche Aktionismus wird hier an bedeutenden Kulturgütern betrieben? Noch sind es Werke mit geschützten Glasscheiben. Es ist für mich in keiner Weise nachvollziehbar, dass politisch motivierte Umweltschützer sich in dieser Art und Weise an der Kunst und in den Museen abreagieren, um auf Sponsoren von hochkarätigen Ausstellungen abzuzielen, die aus ihrer Sicht den Klimawandel durch ihre Unternehmen begünstigen und vorantreiben. Selbst wenn letzteres so wäre, letztendlich stoßen die Aktivisten mit ihren Aktionen auf komplette Ablehnung und treffen uns alle, die wir uns derartige Ausstellungen in weltberühmten Museen nur ansehen können, weil sie durch ein engagiertes Sponsoring entstehen. Es müsste doch jedem Menschen in der heutigen Zeit bewusst sein, dass Museen bei den knappen zur Verfügung stehenden öffentlichen Mitteln ohne Sponsoring schließen müssten. Wer zu solchen Mitteln greift, erweist seiner Sache und uns also letztendlich einen Bärendienst. Wie erklären Sie sich die Radikalität der Aktivisten? Diese blindwütigen Aktionen zeigen für mich, dass es den Akteuren an Werten und Unrechtsbewusstsein mangelt. Sie sind offenbar nur in einem begrenzen Rahmen fähig, ihr Tun zu reflektieren oder eben einfach nur rücksichtslos. Ein neues Denken der weltweiten Klimapolitik ist nach weit über 120 Jahren industriellen rasanten Fortschritts nur durch einen gemeinsamen weltweiten Willen aller möglich, aber ohne kapitalistisch gesellschaftspolitische Strukturen ein Wunschziel, das leider eine Fiktion bleiben wird. Sie werden auf jeden Fall weiter Kunst zeigen, auch sehr wertvolle? Ja, das ist unsere Aufgabe. Wir setzen auf unsere ohnehin schon hohen Sicherheitsstandards inklusive Videoüberwachung und Alarmsicherung. Kunst muss für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben. Ihre Schau &bdquo;Calder & Miró – Liberation from Earth“ bringt mehr als 50 herausragende Werke des US-Künstlers Calder, der vor allem für seine fantastischen Mobiles bekannt ist, und die des katalanischen Surrealisten Miró nach Bielefeld. Was hat Sie zu der Ausstellung motiviert? Unser Haus hat eine lange Tradition darin, herausragende Künstler aus den USA zu zeigen. Ich nenne nur Frank Stella, Sam Francis und Andy Warhol, so dass es nahe lag, nun auch Calder zu zeigen, dem kürzlich die Neue Nationalgalerie in Berlin zu ihrer Wiedereröffnung eine große Einzelschau gewidmet hat. Ihn zusammen mit Miró zu präsentieren lag auf der Hand, denn die beiden waren über Jahrzehnte hinweg eng und sehr emphatisch miteinander befreundet. Sie haben sich Zeit ihres Lebens gegenseitig auch in ihrer Kunst befruchtet, haben sogar gelegentlich gemeinsam ausgestellt und – egal, wie schwer die Zeiten für sie waren – immer an ihrer Freundschaft festgehalten. Es gibt den schönen Satz von Calder über sich und Miró, der da lautet: &bdquo;Bei Calder etwas Miró und bei Miró etwas Calder.“ Stimmt das oder ist das eine Übertreibung? Das stimmt einfach. Sie lebten eine Art künstlerische Ehe. Nehmen Sie zum Beispiel Calders leichte, schwebende, farbige, fast wie Vogelschwärme am Himmel anmutenden Mobiles, in ihnen wird das Werk Mirós mit seiner Zeichenwelt praktisch in den dreidimensionalen Raum fortgeführt. Wie schwer war es, all diese Schätze für Ihre Schau zusammenzutragen? Wir haben zweieinhalb Jahre daran gearbeitet die zahlreichen Sammler zu überzeugen, uns ihre Werke zu überlassen, um diese Ausstellung möglich zu machen. Corona kam uns dann auch noch in die Quere, so dass wir die für das vergangene Jahr geplante Eröffnung auf dieses Jahr verschieben mussten. Aber jetzt ist es so weit. Fast alle Werke in Ihrer Ausstellung stehen zum Verkauf. Dass sich Eigentümer von diesen Schätzen auch trennen würden oder müssen, ist ein für uns und neue Sammler glückliches Zeichen der weltwirtschaftlichen Gegebenheiten. Wie hoch stehen Alexander Calder und Jean Miró derzeit im Kurs? Sie haben die internationale Kunstwelt erheblich geprägt und werden sie weiter prägen. Das Interesse an ihren Werken wird sich nicht erschöpfen, da bin ich mir sicher. Wird Ihre Schau nach der Präsentation in Bielefeld noch an einem anderen Ort zu sehen sein? Nein, das ist ein Unikat, was bei Galerieausstellungen ja auch eher der Normalfall ist. Haben Sie eigentlich neue Seheindrücke gewinnen können durch die Ausstellung? Mich beeindrucken die außergewöhnlichen, lebhaften, positiven und lebensbejahenden Momente im Werk der beiden Künstler, die sie sich immer bewahrt haben – egal, wie schwierig die Zeiten für sie waren. Eine Botschaft, die wir gerade in diesen dunklen Zeiten gut gebrauchen können. Deshalb freue ich mich ganz besonders, diese Ausstellung zeigen zu können.

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