Interview Neues Album von Johannes Oerding: „Bei mir geht im Refrain die Sonne auf“

Johannes, du hast dein neues Album "Plan A" am 4. November rausgebracht. Wie war für dich der Endspurt vor der Veröffentlichung? JOHANNES OERDING: Die Anspannung ist täglich gestiegen, die Vorfreude auch. Wir haben uns auf der Zielgeraden jeden Tag mit dem neuen Album beschäftigt und Anfang Oktober nach &bdquo;Plan A“ und &bdquo;Kaleidoskop“ den dritten neuen Song veröffentlicht. &bdquo;Stärker“ ist ein türkisch-deutsches Duett mit meiner Kollegin Zeynep Avci. Als ich sie bei &bdquo;The Voice“ zum ersten Mal gehört habe, war ich direkt so geflasht und begeistert von ihrer Stimme, weil die bei mir etwas ausgelöst hat. Ich habe sie gecoacht und wir sind danach in Kontakt geblieben. Ich habe den Song geschrieben, ihr geschickt und sie gefragt, ob sie Lust hat, einen Part ins Türkische zu übersetzen. Sie war sofort Feuer und Flamme. Du singst im Song &bdquo;Stärker“ auch ein paar Sätze auf Türkisch. OERDING: Ja, es ist für mich eine schöne Herausforderung etwas Neues zu lernen. Das ist gut für den Kopf. Ich trainiere meine Sprache und Stimme, wenn ich auf diese Art singe. Es macht mir Spaß, in fremden Sprachen zu singen. Schon in der Schule hatte ich Bock, andere Sprachen zu sprechen, auch wenn ich sie nicht immer so gut lernen konnte (lacht). Dein Song &bdquo;Kaleidoskop“ widmet sich tiefgründigen Themen wie dem Klimawandel, Veränderungen und Chancen im Leben. Was ist deine Grundintention bei diesem Lied? OERDING: Bei Kaleidoskop war es so, dass ich mal wieder einen klassischen Oerding schreiben wollte. Ich mache gerne Songs, wo die Strophen melancholisch sind, aber im Refrain die Sonne aufgeht oder er ein Happy End anbietet. Oder anders formuliert, in den Strophen beschreibe ich oft ein Problem und in dem Refrain kommt dann die Lösung. Irgendwann hatte ich dieses Wort im Kopf, beziehungsweise das Bild eines Kaleidoskops vor Augen, wie es sich anfühlt, wenn man da reinschaut und durchschaut. Als Kind hat mich das immer wieder zum Staunen gebracht. Ich konnte mich daran selten satt sehen, denn es hat immer gefunkelt und reflektiert und sich verändert. Irgendwie hat mir das ein gutes Gefühl gegeben. Kaleidoskop ist für mich eine schöne Metapher für Veränderung und Aufbruch. Die Menschen können bei diesem Song viel reinlesen und interpretieren, das finde ich gut. Was inspiriert dich beim Songschreiben und wie wichtig sind dir Feedbacks – zum Beispiel von Ina Müller, deiner Lebenspartnerin und Kollegin oder Wincent Weiss, mit dem du befreundet bist und den Song &bdquo;Die guten Zeiten“ veröffentlicht hast? OERDING: Beim Songwriting inspiriert mich alles, was mich tagtäglich begleitet, was ich erlebe. Meine eigenen Gefühle, Dinge, die ich loswerden möchte und die ich aufschreiben möchte. Weil sie mich beeindrucken oder aber bedrücken. Wenn ich dann Songs geschrieben habe und vorstellen möchte, spiele ich sie meinem engsten Kreis vor. Das ist auch eine Ina Müller, die mir auch mal sagt, dass es eine gute Richtung ist oder das noch einiges fehlt. Da habe ich meine zwei, drei Kandidaten, bei denen ich weiß, dass sie mir nichts Böses wollen, sondern mir konstruktiv weiterhelfen möchten. Wie zeitaufwendig ist für dich der Prozess, zu entscheiden, welche und wie viele Songs es auf deinen Longplayer schaffen? OERDING: Meine Erfahrung zeigt mittlerweile, dass ich schon relativ früh weiß, ob es ein Song auf das Album schafft oder nicht. Ob er gut genug ist oder ob ich mich inhaltlich vielleicht wiederhole, dann fliegt der Song schnell raus. Ich bin keiner, der 100 Songs für ein Album schreibt. In der Regel sind es für ein Album 15 bis 18 Songs und da sind dann immer die 11, 12 starken Songs dabei. Denn frische Ideen und neue Sachen sind mir wichtig. Ich möchte mich immer weiterentwickeln. In Südafrika bei &bdquo;Sing meinen Song“ hast du zum Beispiel &bdquo;Flugmodus“ von Clueso interpretiert. Deine Kolleginnen und Kollegen waren begeistert und haben gesagt, dass du &bdquo;jeden Song zu deinem Song“ machst. Wie gelingt dir das? OERDING: Es soll nicht arrogant klingen, wenn ich das sage, aber es ist das bisschen Talent, das ich habe, was mich von anderen unterscheidet und warum ich wahrscheinlich auch da oben auf der Bühne stehe. Ich habe einfach Glück gehabt, dass ich diese Stimme als Transportmittel habe und irgendwie ein Gefühl dafür, wie ich meine Geschichten oder auch die Geschichten der anderen erzähle. Aber dafür kann ich so viele andere Dinge nicht, deshalb bin ich froh, dass ich diese eine gute Gabe habe (lacht). Sind bei &bdquo;Sing meinen Song“ neue Freundschaften entstanden? OERDING: Absolut. Das ist auch sehr wichtig, dass da Freundschaften entstehen. Ich habe vorhin noch in meine alte Chatgruppe von vor zwei Jahren mit Gentleman, Steffi Heinzmann und Nura und so geschrieben. Wir sind da immer noch im Austausch, mal mehr und mal weniger. Aber wir laufen uns ja auch ständig über den Weg, gerade in der Open-Air-Saison oder auf Tour. Das sind einfach schöne Verknüpfungen und Highlight-Geschichten, die man miteinander teilt. Das wird man auch nicht vergessen. Jeder, der bei &bdquo;Sing meinen Song“ mit dabei war, wird was davon haben. Es ist ein sehr besonderes Ding, was wir da machen. Für Peter Maffay, Udo Lindenberg und Ina Müller schreibst du auch Songs. Was ist dabei die Herausforderung für dich? OERDING: Es kommt immer ein bisschen darauf an, wer es ist. Wenn du Peter Maffay nimmst, ist das Schöne, dass er aus einer anderen Generation kommt als ich. Er erzählt mir seine Geschichten und ich versuche, diese in Form zu bringen. Das Gleiche gilt für Udo und für Ina. Das Gute ist, dass ihre Themen an meiner Themenwelt ein bisschen vorbeigehen. Deshalb schreibe ich eher für andere Künstlerinnen- und Künstler-Typen und zum Beispiel nicht für Mark Forster, Max Giesinger oder Bosse und Bourani. Zeichnet das Entertainment neben der Musik die Konzerte von dir und auch von Ina Müller aus? OERDING: Die einen sagen so, die anderen so. Manche sagen auch &bdquo;Oerding, hör mal auf zu labern und sing lieber“ (lacht). Aber ich glaube, dass die Leute, die zu Inas oder zu meinen Konzerten kommen, genau deshalb da sind, weil es eine schöne Mischung gibt. Es wird nicht nur alles runtergesungen, sondern es entstehen auch viele Dinge spontan. So ist und bleibt jedes Konzert einzigartig. Als Support-Act von Joe Cocker bist du mit deiner Band 2013 in der Eventarena in Halle aufgetreten. Wie gut erinnerst du dich daran? OERDING: Ich kann mich total gut daran erinnern. Es ist für mich ein bleibender Eindruck, mit ihm gespielt zu haben. Die Backstage-Räume und die Begegnung mit Joe Cocker im Flur, als er mit mir gequatscht hat, waren noch sehr präsent, als wir Mitte September zum Konzert in Halle waren. Ist es für euch Musiker ein entscheidender Unterschied, ob das Stadiondach in Halle geöffnet oder geschlossen ist? OERDING: Es ist schon ein Unterschied, ob das Dach auf oder zu ist. Das Schöne an diesem – ich sag mal kleinen – Stadion ist, dass es sehr laut ist, egal ob das Dach geöffnet oder geschlossen ist. Weil sich der Schall sehr schön verfängt, hören die Leute auch sich selbst, wenn sie Party machen, mitsingen und feiern. Und das steckt an, finde ich. Wie wichtig ist deine Fitness und Gesundheit, wenn du auf Tour bist? OERDING: Ich bin ein Ganz-oder-gar-nicht-Typ und mache mich zwischen den Touren fit. Dann trainiere ich sehr viel, ernähre mich sehr gesund und passe auf, dass ich auf den Punkt, wenn eine Tour losgeht, am Start bin und genug Power habe. Damit ich mich auf der Tour auch so ein bisschen gehen lassen kann und nicht denke, dass ich nur Salat essen möchte. Denn auf Tour ist Rock n Roll angesagt. Der einzige Sport, den ich dann mache, ist auf der Bühne hin und her laufen und springen. Solange das noch geht, mache ich das. Generell ist mir Sport sehr wichtig. Ich spiele Fußball und Tennis, laufe, jogge und gehe ins Fitnessstudio. Wenn es um Social Media geht, bist du sehr aktiv. Was motiviert dich? OERDING: Ich habe mir gedacht, wenn ich Social Media mache, dann richtig, aber auch nicht zu privat. Ich poste fast nur Sachen, die mit meinem Beruf zu tun haben oder wenn ich unterwegs bin, innerhalb des Berufes. Aber man wird selten etwas von mir zu Hause sehen oder von privaten Geschichten. Aber Social Media ist ähnlich wie Radio oder Fernsehen einfach wahnsinnig wichtig geworden. Wenn ich meine Tour für 2023 annonce, mache ich das mit einem Klick. Dann gehen an den ersten Tagen Zigtausende von Tickets weg. Das ist wie früher ein Plakat aufzuhängen, aber einfacher. Deshalb nutze ich das Tool sehr gerne. Auch, damit sich die Leute noch CDs kaufen.

Mehr zum Thema