Krise, Krieg - Kultur „Das Kulturhaus Ostblock kommt zurück, sicher“

Bielefeld. Als das &bdquo;Kulturhaus Ostblock“ in Bielefeld im April 2019 eröffnet wurde, kamen 2.000 Menschen, um die neue Heimat von damals rund 70 Kreativen und Künstlerinnen und Künstlern zu erkunden. &bdquo;Wir waren begeistert. Endlich hatten wir es nach fünf Jahren Einsatz geschafft, dass es so eine Einrichtung auch in Bielefeld gibt“, sagt Stephan Berkowitz, der zu den Kulturhaus-Aktiven der ersten Stunde gehört, im zweiten Mittagsgespräch im Holzhaus zum Thema &bdquo;Krise, Krieg – Kultur, was nun?“. Es war die Corona-Krise, die das Haus mit seinen 40 Werkstätten und Ateliers, das sich schnell zu einem Kristallisationspunkt im Bielefelder Kulturleben gemausert hatte, nur ein knappes Jahr später mit voller Wucht traf – wie so viele Kultureinrichtungen. &bdquo;Die Krise drohte uns schon schwer aus der Bahn zu werfen, doch wir haben es dank einer großen Kraftanstrengung geschafft, das Kulturhaus und die mittlerweile 120 Nutzerinnen und Nutzer des ehemaligen Labortrakts der FH auf Kurs zu halten.“ Kaum jemand sei abgesprungen. Gelungen sei dies auch über neue digitale Formate, betont Crystal Johnson, Textildesignerin und Vorstandsmitglied des Vereins. &bdquo;Aber“, wirft der 55-jährige IT-Fachmann Berkowitz ein, &bdquo;der direkte Austausch hat dennoch sehr gefehlt, sodass wir wie alle Einrichtungen an Schwung verloren haben.“ "Zum 1. April 2023 können wir womöglich wieder einziehen" Den wollten sie im Frühjahr 2022 wiedergewinnen, blickten hoffnungsfroh auf sinkende Corona-Inzidenzen, hatten Projekte geplant. &bdquo;Doch dann ließ Putin am 24. Februar die Ukraine überfallen und die Flüchtlingswelle erreichte schon bald auch Bielefeld“, erzählt Berkowitz und fügt hinzu: &bdquo;Und damit auch uns.“ Als Mieter der Stadt, ohnehin wegen der ungeklärten Zukunft des Gebäudes immer nur mit Jahresverträgen ausgestattet, mussten die Kulturschaffenden das Gebäude, das schon früher als Flüchtlingsunterkunft diente, räumen. Berkowitz: &bdquo;Obwohl die Stadt uns frühzeitig diesen drohenden Schritt angekündigt hatte, war das ein Schock, als es so weit war.“ Trauer und große Verunsicherung hätten vorgeherrscht. Aber den Künstlerinnen und Künstlern sei auch sofort klar gewesen: &bdquo;Wir tragen das solidarisch mit, protestieren nicht, pochen nicht auf formale Kündigungsfristen, weil die Menschen aus der Ukraine in großer Not sind, unsere Unterstützung dringend brauchen“, so die 58-jährige Johnson. Innerhalb von nur neun Tagen hätten sie alle Ateliers, Werkstätten und Gemeinschaftsflächen geräumt. &bdquo;Ein riesiger Kraftakt war das.“ 70 Kulturschaffende auf der Warteliste Der Frust aber sitzt fortan tief, nach nur drei Jahren droht das Aus für das fulminant gestartete Projekt. Die Ostblock-Gemeinschaft drohte zu zerfallen, denn alle hätten sich individuell Ausweichquartiere suchen müssen – und das in einer Stadt, in der es viel zu wenig preisgünstige Räume für Kreative gebe. &bdquo;Wir hatten allein 70 Interessierte auf der Warteliste, was ja zeigt, wie prekär die Lage für Kulturschaffende in der Stadt ist, kostengünstige Arbeitsräume zu finden“, betonen die beiden Kulturhaus-Aktiven. Die Stadt habe ihnen in der Lage aber zumindest mit Lagerräumen geholfen, andere Kulturschaffende und -einrichtungen seien mit Ausweichquartieren eingesprungen. Viele hätten sich aber auch in ihren Wohnungen provisorisch eingerichtet. &bdquo;Doch das sind alles nur Notlösungen, ersetzen ein gemeinsam genutztes Haus nicht“, sagt Berkowitz mit Nachdruck. &bdquo;Deshalb wollen wir als Kulturhaus Ostblock zurückkommen und werden es auch, sicher“, zeigen sich beide kämpferisch. Und überraschen dann mit neuen Informationen. &bdquo;Wir haben positive Signale seitens der Stadt, dass wir zum 1. April 2023 womöglich wieder einziehen können.“ "Größter Schub für die Subkultur seit zehn Jahren" Konkret zugesagt sei, dass seitens der Verwaltung nun aktiv Gespräche mit dem Gebäudebesitzer, dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb (einer Landeseinrichtung), geführt würden, &bdquo;um eine zukunftssichere Lösung für uns zu finden. Auf Einjahresverträge werden und können wir uns aber nicht mehr einlassen.“ Mindestens einen Fünfjahresvertrag brauche man – &bdquo;besser noch langfristiger, um Sicherheit zu haben“, so Berkowitz und Johnson. &bdquo;Aber auch mehr Platz wäre gut, denn der Bedarf ist da, wie die Warteliste zeigt, und das Hauptgebäude der ehemaligen FH steht ohnehin leer.“ Ganz schön groß gedacht. Zu groß? &bdquo;Nein“, sagen die beiden und lassen durchblicken: &bdquo;Wir haben zudem einen Bielefelder Förderer an der Hand, der das Kulturhaus nicht nur ideell unterstützt, sondern auch finanziell fördern will.“ "Wir brauchen klare Signale von der Stadt" Auch daher sei man optimistisch für die Zukunft, brauche aber auch klare Signale von Stadt und Land. &bdquo;Wir haben doch drei Jahre lang gezeigt, dass wir solch ein großes Projekt stemmen können“, formuliert Berkowitz selbstbewusst und fügt an: &bdquo;Das Kulturhaus Ostblock war der größte Schub für die Subkultur in dieser Stadt in den vergangenen zehn Jahren und kann wieder zu einem solchen werden.“ Sie hoffen, &bdquo;dass die Stadt diese Chance und Perspektive nicht verspielt“. Bielefeld und die Künstlerinnen und Künstler bräuchten einen solchen Kristallisationspunkt zudem, &bdquo;weil die bleierne Zeit aus Krise und Krieg ja noch lange nicht vorbei ist“. Das nächste Mittagsgespräch geht am 20. Juli im Holzhaus über die Bühne. Zu Gast ist Finn Kollmeier.

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