Interview „Ich will noch viele Lieder singen“

Herr Wader, Sie leben seit kurzem wieder in Ihrer Heimatstadt Bielefeld, die Sie 1963/64 in Richtung Berlin verlassen haben, um ihre Karriere als Liedermacher zu starten. Was hat Sie dazu bewogen, zurückzukehren? HANNES WADER: Schon vor längerem habe ich auf dem Kirchdornberger Friedhof in der Absicht, dort mal begraben zu sein, das Wadersche Erbbegräbnis für weitere 20 Jahre gepachtet. Erst die Aktion meiner langjährigen Freunde, mir schon zu Lebzeiten einen Gedenkstein in Bielefeld zu stiften und meinen ehemaligen Schulweg als Hannes-Wader-Aue zu benennen, hat mir das Gefühl gegeben, hier schon zu meinen Lebzeiten – und nicht erst in der Urne – willkommen zu sein. Was ist das für ein Gefühl, nach rund 60 Jahren wieder daheim zu sein? Das kann ich gar nicht beschreiben. Ich bin ja erst seit ein paar Wochen hier und noch gar nicht richtig angekommen Ist Heimat für Sie überhaupt wichtig? Sie waren ja immer &bdquo;heute hier, morgen dort“, wie Sie selbst es in einem Ihrer bekanntesten Lieder ausgedrückt haben? Wenn ich mir vor Augen führe, dass etwa ein Drittel der Seiten in meiner 600 Seiten umfassenden Autobiografie mit dem Titel &bdquo;Trotz alledem“ meiner Kindheit und Jugend gewidmet sind, dann ist das hier wohl meine Heimat. Ernst Bloch hat Heimat einmal so definiert: &bdquo;So entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat.“ Das trifft es. Sie haben sich vor vier Jahren in Berlin von der Bühne verabschiedet. Im vergangenen Jahr haben Sie dann das kleine mit einer Lesung aus ihrer Autobiografie verbundene Konzert in der alten Wassermühle Deppendorf in Bielefeld gegeben um sich so für die Ehrung mit dem schon erwähnten Gedenkstein bei ihren Freunden zu bedanken. Inzwischen ist der Mitschnitt dieses Abends unter dem Titel Poetenweg als CD erschienen. War dieses Konzert der Abschied vom Bühnenabschied? Ich habe das gerne gemacht, nur sind weitere Auftritte nicht geplant – aber auch nicht ausgeschlossen. Haben Sie Pläne für weitere Alben? Ja, habe ich. Das erste mehrerer geplanter Alben ist bereits fertig produziert und wartet auf seine Veröffentlichung zu meinem 80. Geburtstag im Juni dieses Jahres. Verraten Sie mehr darüber? Nein. Es widerstrebt mir, jetzt schon detailliert über etwas zu reden, was erst in einigen Monaten akut wird. Nur so viel: Das Album enthält eine Mischung aus ganz neuen und ganz alten Liedern. Und der Titel – wenn ich mir bis dahin nicht noch einen anderen überlege – soll lauten: &bdquo;Noch hier. (Was ich noch singen wollte 1)“. Mit der Zahl 1 im Titel drücke ich nur meine Absicht aus, in den kommenden Jahren – wie schon gesagt – noch weitere Alben aufzunehmen. Vorausgesetzt, ich bleibe gut bei Stimme. Es gibt so viele Lieder die ich unbedingt noch singen will. Zur Person Hannes Wader ist neben Konstantin Wecker, Reinhard Mey und Franz-Josef Degenhardt einer der berühmtesten Liedermacher des Landes. Er hat 35 Studio- und Livealben veröffentlicht. Geboren wurde er im Juni 1942 in Bielefeld. Er verbrachte seine Kindheit und Jugend am Poetenweg im Stadtteil Hoberge-Uerentrup, wo er mit zwei älteren Schwestern in einfachen Verhältnissen aufwuchs. In Bielefeld machte er zunächst eine Lehre als Schaufensterdekorateur. Bekannt als Sänger wurde er ab den 60er Jahren, zunächst vor allem als Chansonnier und sozialkritischer Liedermacher, später auch mit seinen Interpretationen von Volksliedern und plattdeutschem Liedgut. Er beendete seine Bühnenkarriere am 30. November 2017 in Berlin. In seiner Autobiografie &bdquo;Trotz alledem“, die 2019 erschien, blickt er auf sein Leben zurück. Vor wenigen Wochen erschien der Mitschnitt von seinem Lesungskonzert vom 4. September 2021 in der Alten Wassermühle in BielefeldDeppendorf unter dem Titel &bdquo;Poetenweg“.

Mehr zum Thema