„Wertschätzung fällt unter den Tisch“: Paderborner Hebammen blicken in unsichere Zukunft

Paderborn. Gute Hebammen sind für werdende Eltern unerlässlich. Sie begleiten Frauen vor, während und nach der Geburt. Ein neuer, bundesweiter Hebammenhilfevertrag, der Leistungen, Abrechnungen und Vergütung regelt, soll ihnen seit dem 1. November die Arbeit erleichtern. In der Praxis sieht das anders aus. Der Grund: Das Abrechnen bestimmter Leistungen ist nicht mehr vorgesehen. &bdquo;Das gilt zum Beispiel für ambulante Leistungen oder telefonische Beratungen in der Klinik oder dann, wenn Frauen ihre nachsorgenden Hebammen per Whatsapp oder SMS kontaktieren und Beratung wünschen“, sagt Alexandra Kemmerich. Sie ist Sprecherin des Kreises Paderborn im NRW-Landesverband der Hebammen und arbeitet im Belegteam der St.-Louise-Frauenklinik in Paderborn. Und auch Nacht-, Feiertags und Wochenenddienste seien schlechter vergütet. 2023 hatten die angestellten Hebammen in den St.-Vincenz-Kliniken, zu denen neben der St.-Louise-Frauenklinik auch die Geburtshilfe des St.-Josefs-Krankenhauses in Salzkotten gehört, auf die Arbeit im Belegsystem, also die Arbeit auf freiberuflicher Basis innerhalb eines Hebammen-Teams, umgestellt. Auch Kerstin Jessen, Leiterin des Geburtshauses Paderborn und ebenfalls Sprecherin für den Kreis Paderborn im Hebammen-Landesverband, befürchtet deutliche Abstriche in den Gehältern genau dieser Beleghebammen. &bdquo;Wir rechnen mit 20 bis 30 Prozent Einbußen“, sagt sie. Jessen habe von Kliniken gehört, aus denen sich in den vergangenen Monaten die Beleghebammen zurückgezogen haben. In Paderborn arbeite man an Maßnahmen und Lösungen. Lesen Sie auch: Neues Hebammen-System in Paderborner Klinik Paderborner Hebammen sehen gute Betreuung in Gefahr Ziel des neuen Vertrags ist laut GKV-Spitzenverband (Bund der Krankenkassen) unter anderem die bessere Gewährleistung einer 1:1-Betreuung der werdenden Mütter unter der Geburt und die Abrechnung in der Belegbetreuung nach Arbeitsminuten, nicht mehr pro betreuter Frau oder Hausbesuch. Genau dieses Ziel, nämlich die besonders umfangreiche Betreuung, sieht Hebamme Kemmerich jetzt in Gefahr. &bdquo;Das Belegsystem war extra dafür gedacht, Frauen intensiver zu betreuen“, sagt sie. Für Beleghebammen gibt es zukünftig für die Betreuung einer Frau jedoch nur 80 Prozent des vorgesehenen Stundensatzes für freiberufliche Hebammen, für die zweite und dritte gleichzeitig betreute schwangere Frau soll es nur noch 30 Prozent geben. Kemmerich erklärt außerdem: &bdquo;Die Zulage entfällt, wenn wir die 1:1-Betreuung nur eine Minute zu spät gestartet haben, einen Notfall kurz vor Ende der nachgeburtlichen zwei Stunden annehmen mussten, oder die Frau statt zwei Stunden vor der Geburt ihres Kindes nur 1,5 Stunden vorher im Kreißsaal war.“ .responsive23-jUQDaY4HtbzMprFm-bar-vertical-zahl-der-lebendgeborenen-im { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-jUQDaY4HtbzMprFm-bar-vertical-zahl-der-lebendgeborenen-im { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-jUQDaY4HtbzMprFm-bar-vertical-zahl-der-lebendgeborenen-im { padding-top: 166.67%; } } Viele Hebammen fühlen sich nicht wertgeschätzt Dass das Gefühl von Wertschätzung im Hebammenberuf sinkt, zeigt eine aktuelle Studie der Opta-Data-Zukunfts-Stiftung aus dem Jahr 2025, auf die der NRW-Landesverband der Hebammen verweist. 43,6 Prozent der befragten Hebammen denken über einen Berufswechsel nach. Obwohl mehr als 80 Prozent ihre Arbeit grundsätzlich als erfüllend empfinden, nennen viele massive Belastungen und mangelnde Wertschätzung. Diese Erfahrung macht auch Maria Roebers, Sprecherin des Beleghebammen-Teams des St.-Josefs-Krankenhauses in Salzkotten. Roebers arbeitet seit 30 Jahren als Beleghebamme. &bdquo;Die Wertschätzung fällt unter den Tisch, Hebamme sein, ist kein Hobby. Und es tut mir leid, dass es mit Hebammen und werdenden Müttern jetzt wieder die Frauen trifft“, sagt Roebers. Neben den Hebammen trifft es vor allem die werdenden Mütter. &bdquo;Wir müssen schauen, was wir noch anbieten können und wo wir den Frauen vielleicht Leistungen privat in Rechnung stellen müssen“, sagt Kemmerich. Und welche Folgen sieht sie im Geburtsalltag und in der Zeit nach der Geburt? Unbezahlte Mehrarbeit, viel Bürokratie und: &bdquo;Die Frauen werden bei Ärzten und ihren Gynäkologen Rat suchen, was natürlich nachts, am Wochenende und an Feiertagen nicht möglich ist. Oder sie suchen den Kreißsaal auf, in dem nicht mehr ambulant abgerechnet werden darf.“ Mehr zum Thema: Paderborner Hebammen blicken auf 45 Jahre im Beruf zurück Auch St.-Vincenz-Kliniken sehen neuen Vertrag kritisch Auch auf Klinikseite fürchtet man Unsicherheiten bei der Vergütung der freiberuflichen Beleghebammen. &bdquo;Wir befürchten schlimmstenfalls den Ausstieg einiger Hebammen aus dem Beruf“, heißt es auf Nachfrage seitens der St.-Vincenz-Kliniken. Die Kliniken und die Hebammenteams in Paderborn und Salzkotten haben eine Hebammenpraxis gegründet, um auf die rechtliche Herausforderung zu reagieren. &bdquo;Kliniken, die so wie wir aktuell mit Beleghebammen zusammenarbeiten, könnten zum Angestellten-System wechseln. Eine feste Anstellung ist in den Augen vieler Hebammen allerdings nicht erstrebenswert und die Flexibilität als auch die vielen Vorteile des Belegsystems würden verloren gehen.“ Und wie geht es weiter? &bdquo;Jetzt gerade eine Prognose abzugeben, ist schwierig. Das erste Halbjahr 2026 wird vieles zeigen“, sagt Hebamme Jessen. Die Hebammen fordern weiter eine Überarbeitung des Hebammenhilfevertrags mit angemessener Erhöhung des Stundensatzes und einer weniger starren Zeitvoraussetzung für die Vergütung einer 1:1-Betreuung, sind sich Jessen und Kemmerich einig.

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