Prozess um Anlegerbetrug "Konnte nicht mehr schlafen": Zeugin kündigte bei Edgar K. wegen psychischer Belastung

Paderborn. Edgar K. wirkt konzentriert auf der Anklagebank. Er schaut allen Zeuginnen und Zeugen direkt in die Augen, während sie aussagen. Mal macht er sich Notizen, mal nickt er. Bei anderen Aussagen schüttelt er auch vehement den Kopf, legt den Stift auf seinen Block und verschränkt die Arme. Seit drei Wochen muss er sich vor dem Landgericht Paderborn verantworten, denn der 53-Jährige gilt der Bielefelder Schwerpunktstaatsanwaltschaft &bdquo;Wirtschaftskriminalität“ als Betrüger, der einen Schaden in Höhe von knapp drei Millionen Euro verursacht hat. Zum Hintergrund: Edgar K. gründete eigene Firmen, die vor allem mit Immobilien für sichere Anlagemöglichkeiten sorgen sollten. Oberstaatsanwalt Ralph Günther listete 80 Betrugstaten für die Tatzeit von 2013 bis Anfang 2018 auf. Die Berater, die für K.s &bdquo;Wirtschaftsforum“ unterwegs waren, sollen vor allem dessen Unternehmen &bdquo;Safeguard GmbH“ empfohlen haben. Dieses würde das Geld der Kunden sicher in Immobilien sowie in der Finanz- und Versicherungswirtschaft anlegen. Eine jährliche Verzinsung zumeist in Höhe von fünf Prozent wurde zugesagt. Neben Edgar K. sitzen vier ehemalige Mitarbeiter auf der Anklagebank. Am vierten Verhandlungstag werden drei Zeugen vernommen. Sie alle haben im Unternehmen von K. gearbeitet. Unter ihnen ist auch Kerstin T. (alle weiteren Namen geändert). Die gelernte Bankkauffrau hat zunächst am Empfang der Firma gearbeitet und war anschließend als Sekretärin von Edgar K. tätig. Nach drei Jahren kündigte sie. "Das, was ich dort gesehen habe, konnte ich nicht mit mir vereinbaren", sagt die 55-Jährige im Zeugenstand. Sie habe nicht mehr schlafen können, der psychische und physische Druck sei immens hoch gewesen. Auch die Aussage vor dem Paderborner Landgericht falle ihr nicht leicht. Geld, dass lange gespart wurde Auf Nachfrage der Vorsitzenden Richterin Anne Zacharias schildert Kerstin T.: "Es wurde für mich offensichtlich, dass die Kunden ihr Geld nicht wiedersehen werden. Dabei ging es um Geld, dass viele Kunden lange gespart hatten." Irgendwann habe sie nachts nicht mehr schlafen können. "Ich musste den Kunden im Namen von Edgar Versprechungen machen, von denen ich wusste, dass sie nicht eingehalten werden", so die Zeugin. Dann schlägt Kerstin T. einen mitgebrachten Ordner auf. Darin sind E-Mails und Schriftverkehr. Unterlagen, die sie bei ihrer Vernehmung von der Polizei im Jahr 2018 noch nicht gehabt habe. Richterin Zacharias liest daraufhin eine E-Mail vor, die Kerstin T. ihrem Chef Edgar K. geschrieben hatte. In dem Schreiben wird klar, dass viele Rechnungen offen stehen und Banken, Steuerberater, Anwälte und Kunden immer wieder vertröstet werden mussten, wenn es um ihr Geld ging. Wenn ein Kunde eine Zinsauszahlung forderte, habe dafür das Geld gefehlt. "Wer am lautesten meckerte, der bekam dann irgendwann etwas", sagt Kerstin T. Ständig sei das Thema gewesen: Wann wird wer bezahlt. Dafür habe Edgar K. Kundengelder benutzt. Weitere brisante Details Sie gibt weitere brisante Details bekannt: So habe sich ihrer Kenntnis nach Edgar K. regelmäßig Summen vom Firmenkonto auf sein Konto überwiesen. "Es hieß, dass das beispielsweise für ein Kinderzimmer gebraucht wurde", so die Zeugin. Er und seine Lebensgefährtin haben Kerstin T. zufolge "auf großem Fuß gelebt". Aufgrund ihres "inneren Kampfes", wie sie es schildert, habe sie sich schließlich ihrem Hausarzt anvertraut. Er stellte ein Attest aus, Kerstin T. kündigte anschließend. Dass die Firma von Edgar K. oft im Minus war und in Zahlungsnöten steckte, davon berichtet auch die Zeugin Vera R., die sechs Jahre lang als Vorstandsassistentin in Edgar K.s Unternehmen gearbeitet hat. Sie habe auch erlebt, dass Gehälter an die Mitarbeiter teilweise verspätet gezahlt wurden. Beschwerden - ob per Telefon oder Post - landeten dann oft auf ihrem Tisch. "Ich war der Puffer und habe das immer abbekommen", so Vera R. Von verspäteten Gehaltszahlungen war auch der dritte Zeuge, Matthias S., betroffen. Er arbeitete drei Jahre im Kundenservicecenter der Firma von Edgar K. Seine Ex-Frau habe in der "Safeguard GmbH" eine Summe von 5.000 Euro angelegt. Von der Entwicklung der Anlage hätten weder er noch seine Frau Infos bekommen. Zudem berichtet Matthias S. den Richtern, dass er eine Gehaltszahlung nicht wie gewohnt vom Firmenkonto Edgar K.s erhielt, sondern von der "Safeguard GmbH". Für ihn sei das ein Alarmsignal gewesen. Der Prozess wird am Freitag, 24. Februar, fortgesetzt.

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