Ausverkauf läuft Paderborner Traditionsgeschäft für Uhrmacherei und Schmuck schließt

Paderborn. Zu Rita und Reinhold Schlenger kommen die Kunden nicht nur in der Weihnachtszeit, wenn es für die Liebsten als Geschenk einen neuen Ring oder eine neue Halskette geben soll. "Anlässe sind zum Beispiel auch der 30. oder 40. Hochzeitstag", sagt Rita Schlenger. "Dann wird etwas Besonderes und Hochwertiges gekauft." Ihr Mann Reinhold kümmert sich in dem Geschäft am Marktplatz vornehmlich um Uhren, die er seit einem halben Jahrzehnt wartet und repariert. Doch damit ist bald Schluss. Juwelier und Uhrmachermeister Schlenger schließt (die "NW" berichtete) - in einer Zeit, die für das Uhr-Handwerk schwer ist. Ebenso schwierig gestaltet sich die Nachfolgersuche. Es sei der Zeitpunkt gekommen, in den Ruhestand zu gehen, meint der 67-Jährige. Seit 1984 ist Reinhold Schlenger selbstständig, fast genauso lange hat der Uhrmachermeister seine Werkstatt am Markt. Sie befindet sich in einem Hinterzimmer, vorne, im Ladenlokal, verkauft seine Frau Schmuck. "90 Prozent unserer Zeit haben wir zusammen verbracht", blickt Reinhold Schlenger auf das gemeinsame Berufsleben zurück. Schon länger hätten die beiden an das Aufhören gedacht. "Wir wären bereits weg, wenn Corona und der Krieg nicht wäre", sagt Schlenger. Denn diese Faktoren lähmen ihm zufolge die Nachfolgersuche. In Fachzeitschriften hat das Elsener Ehepaar Anzeigen geschaltet. Es wünscht sich, dass ein Uhrmacher oder Juwelier die Räumlichkeiten, in denen zuvor das Uhrengeschäft Bartels untergebracht war, übernimmt. Bislang war die Suche erfolglos. "Das tut schon weh, dass wir nichts sagen können", meint Reinhold Schlenger. In der Branche fehlt es an Nachwuchs Dass sich kein Uhrmacher-Nachfolger findet, spiegelt die Situation in der Branche wider. "In den vergangenen Jahren ist für die Zukunft zu wenig ausgebildet worden", meint der 67-Jährige. Heutzutage gingen viele Uhrmacher nach der Ausbildung in die Industrie. "Die Firmen ziehen alles an sich." Eine Veränderung stellt Schlenger auch bei der Qualität der Uhren fest. "Früher hieß es: Die Kommunionuhr muss ein Leben lang halten. Das gibt es heute nicht mehr", sagt er. "Ganz einfache Uhren zu reparieren, das lohnt sich nicht." Er selbst hängt an mechanischen Qualitätsuhren. Wie viele Uhren er in seinem Leben überholt hat, das weiß Reinhold Schlenger nicht. Es müssen Tausende, wenn nicht gar Zehntausende gewesen sein, überlegt er. Eine Uhr komplett zu zerlegen und wieder zusammenzubauen, dafür benötigt er meist drei bis vier Stunden. "Für Außenstehende sieht das kompliziert aus, für mich ist das Alltag", sagt er. Nun merke er aber, dass er älter werde. "Es fällt mir nicht mehr so leicht wie früher, mich aufs Kleine zu konzentrieren." Schlenger selbst trägt während der Arbeit übrigens eine Funkuhr, damit er die Zeit in den Uhren seiner Kunden immer korrekt einstellen kann. Vorfreude auf mehr Freizeit Derzeit, kurz vor der Schließung, bringen ihm noch einige Stammkunden ihre Uhren, um diese auf Vordermann zu bringen. Auch der Ausverkauf im Ladengeschäft läuft. "Den Rest des Dezembers sind wir auf jeden Fall noch da", sagt die gelernte Verkäuferin Rita Schlenger. Lesen Sie auch: Paderborner Einzelhandel: Weniger Ladenfläche, aber auch weniger Leerstand Und was kommt dann? "Wir möchten mal hierhin fahren, mal dahin fahren und sagen können: Wir fahren jetzt, sind nicht gebunden", meint Reinhold Schlenger. In den Jahrzehnten der Selbstständigkeit war solch eine Flexibilität und Urlaub ein rares Gut. "Ich bin gespannt, wann das abhebt, dass ich morgens denke: Ich muss jetzt in den Laden", ergänzt Rita Schlenger. "Wo ich mich besonders drauf freue, ist, samstags mit meinem Mann auf den Wochenmarkt zu gehen."

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