Interview Bestatter: "Rechtzeitig an die Beerdigung zu denken, entlastet Angehörige"

Sie beschäftigen sich täglich mit dem Tod. Haben Sie Ihre eigene Bestattung schon geplant? Sebastian Voss: Natürlich, das bringt der Beruf so mit sich. Bei uns in der Familie war das Sterben immer schon Gesprächsstoff, wenn mein Vater berichtete, was er im Alltag so erlebt hatte. Wir haben natürlich schon miteinander darüber gesprochen, welche Wünsche wir bezüglich unserer Bestattung haben. Denkt rechtzeitig an eure Beerdigung! Ist das also etwas, was Sie den Menschen aus Ihrer Erfahrung heraus auch raten würden? Das ist ein wichtiger Teil, den man mal angesprochen haben sollte, auch wenn es für viele nicht ganz einfach ist. Das fängt bei einem plötzlichen Sterbefall schon bei der Frage für die Angehörigen an, ob es eine Sarg- oder Urnenbestattung sein soll. Wenn das vorher geklärt wurde, ist das in der Trauerzeit schon mal eine Entscheidung weniger. Ich glaube aber auch, dass die Angehörigen froh sind, wenn sie ein paar Punkte selber entscheiden können. Alles in allem ist zu sagen, dass ein Gespräch über dieses Thema Angehörige entlasten kann. Bekommen Sie denn in letzter Zeit mehr Anfragen bezüglich Bestattungsvorsorge? Ja, wir haben sehr häufig Anfragen zur Bestattungsvorsorge. Teilweise, um die gewünschten Abläufe festzulegen, aber auch, um die Gelder für die Beerdigung zu sichern, damit diese beispielsweise im Fall einer Heimunterbringung nicht angegriffen werden können. Die Entwicklung geht also dahin, sich mehr mit dem eigenen Tod zu beschäftigen? Wir spüren da einen Trend im Vergleich zu früher, als relativ wenig drüber gesprochen wurde. Damals wurde das Sterben mehr in den Hintergrund gestellt; es wurde sehr selten darüber gesprochen. Es ist schon ein großer Wandel eingetreten, dadurch dass das Thema Abschied immer individueller wird. Macht sich das auch bei Ihnen privat bemerkbar? Bestatter ist ja für viele Menschen ein mit Tabus behafteter Beruf. In meiner Freizeit kommt es natürlich vor, dass ich nach meinem Beruf gefragt werde. Es gibt einmal diejenigen, die mit dem Thema nicht umgehen können und nicht weiter die Nähe zu mir suchen. Andererseits gibt es auch diejenigen, die sich sehr stark für den Beruf des Bestatters interessieren. Dabei kommen natürlich dann einige Fragen auf und es entstehen interessante Gespräche. Die Tendenz, so würde ich sagen, geht aber eher in die Richtung, dass sich viele für diesen Beruf interessieren. Wir sind sehr froh darüber, dass heutzutage ganz offen über das Thema gesprochen werden kann. Immer mehr Menschen lassen sich einäschern, in Paderborn haben Urnenbestattungen einen Anteil von über 60 Prozent. Wird es dabei bleiben oder rechnen Sie damit, dass sich das Verhältnis weiter verschiebt? Die Tendenz zur Urne ist tatsächlich steigend, aber wir haben hier noch verhältnismäßig viele Sargbestattungen. Das liegt auch daran, dass wir im katholisch geprägten Paderborn sind, wo das noch viel gewünscht wird. In der Zukunft werden wir da aber auch andere Zahlen haben. Warum ist die Urne so beliebt? Das hat zum einen mit den Beerdigungsfristen zu tun; bei einer Einäscherung kann die Bestattung länger hinaus gezögert werden. Aber natürlich spielen auch die Kosten eine große Rolle, weil die Gebühren für Urnengräber niedriger sind. Eine Einäscherung selber ist nicht viel günstiger als eine Sargbestattung, weil für die Kremierung auch ein Vollholz-Sarg vorgeschrieben ist. Die Grabgebühren der Friedhöfe unterscheiden sich natürlich dann stark zu den Grabgebühren eines Grabes, auf welchem ein Sarg beigesetzt werden kann. Dass der Aspekt der Pflegefreiheit ein Faktor ist, welcher das Verhältnis von Urnen- zu Sargbeisetzungen beeinflusst, sehe ich so nicht. Es gibt sowohl pflegefreie Grabstätten für Sarg- und Urnenbestattungen. Ist ein Sarg für die Kremation günstiger im Verhältnis zu einem Sarg bei einer Sargbeisetzung? Für die Einäscherung werden in der Regel Kiefer- oder Pappel-Särge verwendet. Für die Kremierung muss kein aufwendiger Eichensarg verwendet werden. Manchmal wird aber doch ein hochwertiger Sarg gewählt, wenn eine Trauerfeier vor der Kremation gewünscht wird. Wie viel muss ich denn heutzutage überhaupt für eine Beerdigung zahlen? Das hängt von vielen Faktoren ab: Kommt eine Sarg oder Urnenbeisetzung in Frage, müssen Zeitungsanzeigen erscheinen, muss ein neues Grab erworben werden oder ist ein Grab vorhanden, wie viel Blumenschmuck soll es sein ... Aber im Schnitt kommt man auf 4.500 bis 5.500 Euro. Wir sind beim Thema Geld angelangt. Die Preise in Deutschland klettern unaufhörlich. Wie macht sich das in Ihrer Branche bemerkbar? Und wie gehen die Angehörigen damit um? Die Kremationskosten sind seit Anfang Oktober angestiegen. Auch die Särge sind um etwa 10 bis 15 Prozent teurer geworden. Das sind natürlich Kosten, die der Kunde auch tragen muss. Der Bestatter spürt auch die Energiekosten, weil dieser beispielsweise klimatisierte Abschiedsräume hat und auch die Kühlungen rund um die Uhr eingeschaltet sind. Für die Kunden verteuern sich zudem der Beerdigungskaffee, der Trauerdruck und der Blumenschmuck. Die Angehörigen wissen dann aber vorher, womit sie rechnen müssen. Bislang akzeptieren sie das auch. Was halten Sie in diesem Zusammenhang von der geplanten Erhöhung der Friedhofsgebühren in Paderborn? Wir Bestatter haben Verständnis für den Schritt, halten einige der künftigen Kosten aber für zu hoch. Das haben wir der Stadt auch mitgeteilt. Man darf nicht vergessen, dass der Friedhof auf seine Art und Weise attraktiv und bezahlbar sein sollte. Hier kommen teils massive Kosten auf die Angehörigen zu. Zudem wäre der Wunsch der Bestatter, dass eine Ruhefrist von Urnenbeisetzungen, welche bei derzeit 30 Jahren liegt, auf eine Ruhefrist von 20 Jahren gekürzt wird. Könnte ein Krematorium hier in der Stadt - wie es von der Politik zwei Mal abgelehnt wurde - zu niedrigeren Preisen führen, weil die Einäscherungen dann in Paderborn durchgeführt werden könnten? Nein. Die Paderborner Bestatter nutzen die Krematorien in Diemelstadt und Bielefeld. Diese sind sehr gut aufgestellt und der Service ist überhaupt nicht in Frage zu stellen. Wir sind nicht überzeugt, dass ein Krematorium in Paderborn notwendig wäre. Neben den Kostensteigerungen und der Inflation ist auch der Fachkräftemangel ein Dauerthema in Deutschland. Wie steht es bei Ihnen um den Berufsnachwuchs? Es gibt regelmäßig Anfragen bezüglich Ausbildung und Praktika. Aber manche sehen im Alltag dann trotz ihres Interesses doch andere Seiten des Berufes: die Trauer bei einem plötzlichen Todesfall wie Unfall oder Suizid, die nächtliche Rufbereitschaft oder auch Leichname, deren äußeres Erscheinungsbild man schlecht verarbeiten kann. Da kommen einige Bewerber dann doch nachher zu uns und ziehen wieder zurück. Ein großer Anteil von Interessenten ist weiblich. Was muss man denn mitbringen, wenn man Bestatter werden will? Empathie, Gelassenheit, Flexibilität, handwerkliches Geschick, Kreativität und Teamfähigkeit sind die Kernkompetenzen. Und was gibt der Beruf einem zurück? Vielseitigkeit: Jeder Tag ist unterschiedlich. Die Begleitung Angehöriger während des Trauerfalls ist sehr individuell. Oft spüren wir die Dankbarkeit der Familien, nachdem die Beerdigung durchgeführt wurde. Zu den Nachteilen gehört natürlich die Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit, die für das Privatleben eine gewisse Herausforderung darstellt. Wie verändert sich denn die Bestattungskultur? Und was gefällt Ihnen daran besonders? Der Trauerdruck wird immer individueller - genau wie die Gestaltung der Abschiedsfeiern. Da kann statt Kirchenmusik auch mal etwas anderes gespielt werden, es gibt keine Grenzen. Auch Särge oder Urnen werden öfters persönlich gestaltet und zum Beispiel von den Kindern bemalt, wenn ein Elternteil gestorben ist. Es wird auch häufiger danach gefragt, die Urne bis zur Beisetzung zuhause aufzubahren, was ja bis zu sechs Wochen lang möglich ist. Manchmal gibt es auch den Wunsch, dass die verstorbene Person erst am Folgetag vom Sterbeort zum Bestatter überführt wird. Natürlich möchten manche Familien auch bei der hygienischen Versorgung und Einsargung mitwirken. Das bringt auch für uns Bestatter einen ganz anderen Bezug zu den Angehörigen. Möchten sich auch Menschen einfach in der Natur verstreuen lassen oder die Urne im Garten beisetzen, obwohl das in Deutschland nicht erlaubt ist? Wird das trotzdem angesprochen? Die Nachfrage ist tatsächlich da, das Problem ist jedoch der Friedhofszwang. Und da sind wir Bestatter auch froh drüber, denn das würde die Beerdigungskultur sehr verändern. Dafür gibt es mittlerweile viele Möglichkeiten wie Friedwälder, Ruheforste oder Bestattungswälder. Der neue Bestattungswald in Wewer - der erste im Paderborner Stadtgebiet - ist für Sie also ein richtiger Schritt? Er wird vermutlich barrierefrei und auch deutlich günstiger werden als die städtischen Friedhöfe. Das kann alles nur eine Bereicherung und gute Alternative in Paderborn sein.

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