Senioren zu Suizidversuchen getrieben „Ein äußerst perfides, bösartiges Verhalten“:Paderborner Gericht fällt Urteil mit langer Haftstrafe

Paderborn. Ein Intelligenzquotient von 150, der Bundesnachrichtendienst als Arbeitgeber, Immobilien in ganz Deutschland, Rolex-Uhren, noble Kleidung und ein dickes Bankkonto – Tomas U. (alle Namen geändert) hatte in den Wintermonaten schon reichlich schräge Vorstellungen von sich selbst. Zeitgleich redete er oft ohne Punkt und Komma, auch ohne Gesprächspartner. Bei dem 44-Jährigen hatte sich eine Psychose Bahn gebrochen, wahrscheinlich als Folge konsumierter Drogen. Trotzdem muss Tomas U., der zuletzt in Espelkamp lebte, für lange Zeit ins Gefängnis. Denn Krankheit schützt in seinem Fall vor Strafe nicht. Als am siebten Prozesstag der Psychiater Gerhard Dankwarth vor dem Paderborner Schwurgerichts seine Expertise vorstellt, bescheinigt er dem Angeklagten zwar eine paranoide Schizophrenie. Aber trotzdem ist er davon überzeugt, dass der 44-Jährige bestraft werden kann. Er bescheinigt diesem eine &bdquo;kriminelle Grundeinstellung“. Tomas U. habe das &bdquo;Geschäftsmodell“ entwickelt, &bdquo;sich an ältere homosexuelle Männer heranzumachen, um diese finanziell auszubeuten“. Und das stehe in keinerlei kausalem Zusammenhang zu dessen Erkrankung. Angeklagter nutzt Einsamkeit der Opfer aus Detailliert lässt der Psychiater die Ereignisse Revue passieren, die Staatsanwalt Kai Uwe Waschkies in einer umfangreichen Anklageschrift beschrieben hat. &bdquo;Hochmanipulativ, hochdifferenziert“ sei der 44-Jährige mit den beiden homosexuellen Senioren Richard O. und Emil S. umgegangen. Er habe deren Einsamkeit ausgenutzt, sagt Dankwarth und spricht von den Erniedrigungen, den Beleidigungen, aber auch von körperlichen Übergriffen, denen der schweizerische Privatier und der pensionierte Pfarrer ab der Jahreswende ausgesetzt waren. All das habe mit der psychischen Erkrankung des Angeklagten aber nichts zu tun, sondern mit dessen Habgier. Eine Ansicht, die Ankläger Kai Uwe Waschkies teilt. Detailliert ruft er in seinem Plädoyer in Erinnerung, dass Tomas U. in einer kalten Februarnacht den gesundheitlich ohnehin geschwächten Richard O. nur mit einem Pyjama bekleidet durch die Straßen Espelkamps trieb und Ähnliches ein paar Wochen später Emil S. in Hilter durchmachen musste. Von &bdquo;Pseudofolter“ spricht Waschkies. Beide Opfer überleben Als Tomas S. den erniedrigten, seelisch und körperlich erschöpften Richard O. Ende Februar droht, dessen Homosexualität öffentlich zu machen, und so für erneute Angst sorgt, folgt der alte Herr seiner Aufforderung, seinem Leben selbst ein Ende zu machen. Die Stiche, die er gegen seinen Hals ausführt, überlebt der 78-Jährige, weil rechtzeitig Hilfe kommt. Ebenso verfährt Tomas S. mit Emil S. Anfang März bringt er nach vielen Drangsalen den 69-Jährigen in ein Waldstück bei Delbrück-Anreppen, erzwingt die Aufsetzung eines Testaments, mit dem ihm der Wagen des Geistlichen und der Dackel &bdquo;Cicero“ vermacht werden, und fordert ihn auf, sich eine Überdosis Insulin zu injizieren. Doch der ehemalige Pfarrer will nicht sterben, sondern spritzt sich nur die Hälfte der geforderten Menge. Dank eines Zeugen, der sich von Tomas S. nicht abwimmeln lässt und trotz dessen Abwehr einen Notruf absetzt, kann auch das Leben von Emil S. gerettet werden. &bdquo;Ein äußerst perfides, bösartiges Verhalten“ &bdquo;Ein äußerst perfides, bösartiges Verhalten“, bilanziert der Vorsitzende Richter Eric Schülke nach sieben Verhandlungstagen. Zehn Jahre Haft verhängt die Schwurgerichtskammer und folgt damit dem Antrag von Ankläger Waschkies. Dass die Richter die Gewalttat gegen Richard O. &bdquo;nur“ als versuchten Totschlag einstufen, hat seinen guten Grund: Der Schweizer sei zur Tatzeit völlig verarmt gewesen. Das Motiv Habgier könne so nicht zweifelsfrei festgestellt werden, sagt Schülke. Anders als im Fall von Emil S., hier sei es darum gegangen, in den Besitz des Autos und des Dackels zu kommen. Hier sei Tomas U. des versuchten Mordes schuldig. Der verfolgt die gut einstündige Urteilsbegründung fast ungläubig staunend. Denn nun muss er die Psychiatrie verlassen und fortan im Gefängnis einsitzen.

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